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30. Europa-Tagung und 24. Weltkonferenz der ILGA in Wien

Veröffentlicht am 5. Dezember 2008
Ende Oktober/Anfang November 2008 war Wien buchstäblich der Nabel der LSBT-Politwelt: Die HOSI Wien war hintereinander Gastgeberin der ILGA-Europa-Jahrestagung und der Weltkonferenz der International Lesbian and Gay Association (ILGA). Die Sache sollte in eine regelrechte „Konferenzfabrik“ – mit noch acht weiteren Meetings und Sitzungen – und zu einem der größten Projekte in der Vereinsgeschichte ausarten. In den LN 6/2008 berichtete ich darüber in insgesamt drei Beiträgen.

Wenig mediales Echo auf die Konferenzen: DEBORAH LAMBILLOTTE und JURIS LAVRIKOVS (ILGA-Europa) sowie JONA SOLOMON und ich auf der Pressekonferenz am 29. Oktober 2008

Wien war diesen Herbst also Zentrum der weltweiten Lesben-, Schwulen- und Transgender-Bewegung – und die HOSI Wien Gastgeberin der 12. ILGA-Europa-Tagung (zugleich der insgesamt 30. Europatagung der ILGA) sowie der 24. ILGA-Weltkonferenz.

Bereits 2006 hatte die HOSI Wien – im dritten Anlauf – endlich den Zuschlag bekommen, die Jahrestagung des Europäischen Regionalverbands der International Lesbian and Gay Association zwei Jahre später auszurichten. Zuvor mussten wir Gruppen aus den neuen EU-Mitgliedsländern, in denen noch nie ILGA-Tagungen stattgefunden hatten, den Vortritt lassen: Sofia 2006 und Wilna 2007.

Dass wir dann aber heuer auch die 24. Weltkonferenz der ILGA ausrichten sollten, entschied sich erst im April 2008. Denn eigentlich hätte die Weltkonferenz im Mai dieses Jahres in Québec-Stadt stattfinden sollen, musste jedoch aufgrund organisatorischer Probleme der gastgebenden kanadischen Gruppe im März 2008 abgesagt werden. Die HOSI Wien war die einzige ILGA-Mitgliedsorganisation, die sich bereit erklärte, so kurzfristig einzuspringen. Der ILGA-Vorstand wollte vermeiden, die Weltkonferenz, die ja im Gegensatz zur Europa-Tagung ohnehin nur alle zwei Jahre stattfindet, auf 2009 verschieben zu müssen, damit nicht wieder ein Dreijahresintervall zwischen den Weltkonferenzen entsteht, wie dies bereits zwischen Manila 2003 und Genf 2006 der Fall gewesen war.

Da die Vorbereitung einer solchen Weltkonferenz eine gewisse Vorlaufzeit benötigt, war frühestens ein Termin im Herbst realistisch gewesen – wobei diese sechs Monate ohnehin das absolute Minimum dafür waren. Da die Abhaltung zweier Tagungen an verschiedenen Orten innerhalb weniger Wochen indes nicht ideal gewesen wäre, lag es nahe, die Weltkonferenz zeitlich an die Europa-Tagung anzudocken. Zwei Konferenzen unmittelbar hintereinander waren dann allerdings nicht nur für die HOSI Wien als Gastgeberin und Mitorganisatorin ziemlich anstrengend, sondern auch für jene Delegierten, die an beiden Tagungen teilnahmen – auch sie stöhnten unter den acht ununterbrochenen Konferenztagen.

 

„Konferenzfabrik“

Wobei: Es fanden insgesamt ja nicht nur diese beiden Tagungen statt, sondern das Ganze artete in zwei volle Wochen „Konferenzfabrik“ aus – wie der Spitzname der HOSI Wien bald lautete – mit mindestens noch acht weiteren Sitzungen und Nebenveranstaltungen. Denn dass sich so viele AktivistInnen aus aller Welt ohnehin in Wien aufhielten, nutzten sowohl die niederländische Lesben- und Schwulenorganisation COC als auch die VeranstalterInnen der 2. World Outgames 2009 in Kopenhagen, um ihre eigenen Meetings gleich nach Wien zu verlegen, statt die Leute nach Holland bzw. Dänemark weiterfliegen zu lassen.

COC führt gemeinsam in sieben Ländern in Osteuropa, im Kaukasus und in Zentralasien mit Partnerorganisationen ein HIV-Präventionsprojekt, PRECIS, durch, das auf fünf Jahre angelegt ist. Und so kamen MitarbeiterInnen dieses Projekts bereits am 27. Oktober für eine zweieinhalbtägige Arbeitssitzung nach Wien. Die internationale Beratergruppe für die Outgames 2009 wiederum hängte ihre eineinhalbtägige Sitzung am 7. und 9. November direkt an die Weltkonferenz an. Die HOSI Wien hatte mit bzw. für diese zusätzlichen Meetings indes nicht viel zu tun. Für die osteuropäischen TeilnehmerInnen am PRECIS-Meeting besorgten wir nur die Visa und die dafür notwendigen Reiseversicherungen gleich mit, den Outgames-Leuten organisierten wir den Tagungsraum und ließen ihnen das Konferenzbüro im Tagungshotel Ibis am Mariahilfer Gürtel einfach zwei Tage länger – zur Verfügung – stehen.

Bereits am 28. Oktober eröffnete Stadträtin Sandra Frauenberger im Arkadenhof des Wiener Rathauses im Rahmen einer sehr gut besuchten Vernissage die Wander-Ausstellung „Different Families – Same Love“. Die Wiener Antidiskriminierungsstelle für gleichgeschlechtliche Lebensweisen hatte diese Foto-Ausstellung der ILGA-Europa nach Wien eingeladen. Sie war bis 6. November in den Arkaden des Rathauses zu sehen.

Am 29. Oktober hielt die ILGA-Europa ihr schon traditionelles eintägiges EU-Network-Meeting ab. Diesem Netzwerk gehören VertreterInnen von Lesben- und Schwulenorganisationen an, die sich gezielt und fokussiert mit Lobbying in EU-Fragen beschäftigen. Es handelt sich dabei um eine Gruppe von rund 40 AktivistInnen, meist je eine Person aus jedem EU-Land bzw. Beitrittsland sowie MitarbeiterInnen und Vorstandsmitglieder der ILGA-Europa. Aus Österreich hat immer die HOSI Wien eine/n Vertreter/in gestellt, aber diesmal waren wir zu beschäftigt mit den Tagungsvorbereitungen, um an dieser eintägigen Vorkonferenz teilzunehmen, was übrigens praktisch auch für die beiden Haupttagungen generell galt: Vor lauter Arbeit haben HOSI-Wien-MitarbeiterInnen nur sporadisch Zeit und Muße gehabt, an den Arbeitskreisen oder Plenarsitzungen teilzunehmen. Aber es ist die alte Geschichte: Entweder man organisiert eine Tagung oder man nimmt daran teil – beides funktioniert in den seltensten Fällen.

 

Bescheidenes Medieninteresse

Ebenfalls am 29. Oktober hielten VertreterInnen der ILGA-Europa und der HOSI Wien im Hotel Ibis eine Pressekonferenz ab. Das Interesse der Medien daran war – ebenso wie an den beiden Tagungen insgesamt – denkbar gering, speziell im Vergleich zum Medienhype rund um das „Paar des Jahres“, Jörg Haider und Stefan Petzner (vgl. auch Beitrag ab S. 27 in diesem Heft). DEBORAH LAMBILLOTTE [1954–2016], Ko-Vorsitzende der ILGA-Europa, skizzierte die wichtigsten Arbeitsschwerpunkte der Organisation, darunter topaktuell der am 2. Juli von der EU-Kommission präsentierte Vorschlag für eine neue Antidiskriminierungsrichtlinie (vgl. LN 4/2008, S. 24 ff). HOSI-Wien-Vorstandsmitglied JONA SOLOMON berichtete über die breite ideelle und materielle Unterstützung der Tagung(en) durch das offizielle Österreich. Noch nie gab es für eine ILGA-Konferenz eine derart hochkarätige Schirmherrschaft (siehe unten). Erstmals in der 30-jährigen Geschichte der ILGA hat mit Bundespräsident Heinz Fischer ein amtierendes Staatsoberhaupt den Ehrenschutz über eine ihrer Tagungen übernommen.

Der Autor dieser Zeilen wiederum erläuterte den MedienvertreterInnen die Motivation der HOSI Wien, sich seit über einem Vierteljahrhundert auch international so stark zu engagieren. Einerseits gehe es der HOSI Wien darum, dem Ausland ein anderes – positiveres – Bild von den politischen Verhältnissen zu zeigen, immerhin habe Österreich ja ein sehr konservatives bis reaktionären Image im Ausland, nicht nur in Sachen Gleichstellung von Homosexuellen. Ich bezeichnete es als „patriotische Mission“, dieses andere Bild von Österreich zu verbreiten. Ein anderer Grund für unser Engagement im internationalen Bereich, so meine Analyse, sei es ganz einfach, damit die Frustration und Langeweile zu bekämpfen, die die Arbeit für lesbisch-schwule Anliegen in Österreich mit sich bringe, weil die Entwicklungen und Fortschritte in Österreich immer so lange dauerten. Sich in internationale Projekte einzubringen und international zu arbeiten helfe daher, den eigenen Enthusiasmus aufrechtzuerhalten und sich immer wieder neu zu motivieren.

Und in der Tat hält die HOSI Wien den Rekord als Gastgeberin für ILGA-Konferenzen: Keine andere Mitgliedsorganisation hat so viele Tagungen für die ILGA bzw. ILGA-Europa ausgerichtet wie wir, in keiner anderen Stadt der Welt fanden so viele ihrer Tagungen statt wie in Wien. So hatten wir für die ILGA bereits zwei Weltkonferenzen (1983 und 1989), eine Regionalkonferenz für Südost- und Osteuropa (1993) sowie für die ILGA-Europa drei kleinere Seminare (1999, 2000 und 2001) in Wien organisiert. Und nunmehr ist die HOSI Wien das einzige ILGA-Mitglied, das Gastgeberin gleich dreier Weltkonferenzen war.

 

Parallelaktivitäten

Was wir anfangs auch nicht wussten, war der Umstand, dass mit der Weltkonferenz auch zusätzliche Aktivitäten verbunden sind. Denn natürlich nehmen daran auch der ILGA-(Welt-)Vorstand und die Vorstände der ILGA-Regionalverbände für Afrika, Asien und Lateinamerika teil. Und daher liegt es nahe, dass sich diese Vorstände bei dieser Gelegenheit auch zu Besprechungen treffen, wie dies ja auch der ILGA-Europa-Vorstand am Rande der Europatagung tut. Also trudelten am ersten Tag der Europakonferenz bereits die Mitglieder des Weltvorstands ein. Dieser besteht aus je zwei VertreterInnen der ILGA-Regionen sowie den Vertreterinnen des Frauen- sowie des Transgender-Sekretariats und hielt dann am nächsten Tag eine Sitzung ab, an der auch die GeneralsekretärInnen und die Angestellten teilnahmen (insgesamt rund 15 Personen). An diesem Tag kamen dann aber bereits die Mitglieder der Regionalvorstände an (weitere 25 Personen), um sich ebenfalls am nächsten Tag in regionalen Vorstandssitzungen zu treffen. Am Sonntag, dem letzten Tag der Europa-Tagung, hielten dann die Regionalvorstände ein gemeinsames Süd-Süd-Treffen ab.

Da das Hotel Ibis nicht genug Räume hatte, fanden diese Parallelaktivitäten der ILGA-Welt an diesen drei Tagen im AIDS-Hilfe-Haus statt, das sich nur zwei Gehminuten vom Hotel Ibis befindet. Für die HOSI Wien stellte all das natürlich weitere logistische und organisatorische Herausforderungen dar, die sie aber nicht zuletzt dank der tollen Zusammenarbeit mit der AIDS-Hilfe Wien und der Unterstützung der freiwilligen Helfer meisterte. Jedenfalls war das Bonmot von der „Konferenzfabrik“ keineswegs übertrieben!

 

Höchster Ehrenschutz

 

Bundespräsident Heinz Fischer übernahm den Ehrenschutz über die beiden Konferenzen.

Dem Ehrenpräsidium beider Konferenzen gehörten weiters an:

Erste Nationalratspräsidentin Barbara Prammer

Dritte Nationalratspräsidentin Eva Glawischnig-Piesczek

Bundeskanzler Alfred Gusenbauer

Außenministerin Ursula Plassnik

Justizministerin Maria Berger

Frauenministerin Heidrun Silhavy

Nationalratsabgeordnete Doris Bures und Ulrike Lunacek

Wiens Bürgermeister und Landeshauptmann Michael Häupl