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Das unrühmliche Ende Jörg Haiders: Ein letzter Medienhype

Veröffentlicht am 5. Dezember 2008
Nach Jörg Haiders Unfalltod am 11. Oktober 2008 wurde seine Homosexualität erneut Thema in den nationalen und internationalen Medien. Die Zugriffszahlen auf die HOSI-Wien-Website und speziell deren UnterabteiIung zum Haider-Outing explodierten geradezu. Ich widmete der Sache ebenfalls noch einmal einen ausführlichen Beitrag in den LN 6/2008.

Jörg Haiders Ende – betrunken und mit weit überhöhter Geschwindigkeit tödlich verunglückt – war ohnehin schon wie aus einem schlechten B-Movie. Als dann noch bekannt wurde, dass er seine Fahrt in den Tod direkt aus einem Schwulenlokal antrat, war das natürlich ein gefundenes Fressen für die Skandalpresse, wobei Stefan Petzners Bekenntnis, seinen Lebensmenschen verloren zu haben, die Sache weiter anheizte – nicht zuletzt bei ausländischen Medien, die offenbar auch ein Problem damit hatten, das Wort „Lebensmensch“ adäquat zu übersetzen.

In Österreich war man wenig überrascht, war Haiders Bisexualität doch ohnehin schon längst ein offenes Geheimnis nicht nur unter Parteifreunden und -feinden und natürlich JournalistInnen gewesen. Ausländische Medien hingegen behandelten die Nachricht als Weltsensation, wiewohl auch sie schon im Jahre 2000 ausführlich über das damalige Outing Haiders durch Jochen Herdieckerhoff in der Berliner tageszeitung berichtet hatten. Man wundert sich über das mangelnde Erinnerungsvermögen der Medien – dabei sind sie doch immer so stolz auf ihre Archive! Aber offenbar benützen sie es nicht, oder sie ignorieren es absichtlich, weil sie den LeserInnen alte Hüte noch einmal als neue Sensation verkaufen wollen. Dieses Muster kennt man ja nur zu gut.

Jedenfalls war es für viele JournalistInnen aus dem In- und Ausland sowie zahlreiche UserInnen des Internets sehr praktisch, auf das HOSI-Wien-Archiv zugreifen zu können: Denn auf dem Website der HOSI Wien ist die seinerzeit zum Haider-Outing erstellte Unterabteilung immer online geblieben.

Erst am 5. August dieses Jahres hatten wir in einer Medienaussendung wieder auf diese Homepage-Abteilung hingewiesen, nachdem im Wahlkampf FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky in seiner unübertrefflich tiefen Art die abtrünnigen Feinde des BZÖ quasi als „warmen Haufen“ hingestellt hatte. In unserer Aussendung hießt es damals: Zur aktuellen blau-braun-orange-rosa Schlammschlacht und neuerlich aufgeflammten Debatte darüber, ob Jörg Haider schwul ist, ruft die HOSI Wien das Outing Haiders durch Jochen Herdickerhoff in der Berliner „taz“ im März 2000 in Erinnerung und verweist auf ihre Website-Abteilung www.hosiwien.at/haiderouting, die sie im Zuge der damaligen Diskussion zusammengestellt hat und die immer noch online steht. Dort finden sich viele interessante Beiträge von damals zum Nachlesen.

 

Zugriffe explodiert

Jedenfalls schnalzte im Oktober nicht nur die Zahl der monatlichen Zugriffe auf unseren Website ums vierfache auf rund 40.000 in die Höhe, auch ReporterInnen aus aller Welt kontaktierten uns. Der Autor dieser Zeilen gab der niederländischen TV-Station VARA ebenso ein Interview wie dem bayerischen Radio und etlichen Printmedien wie dem Spiegel (# 44 vom 27. 10. 2008) oder dem Schweizer Tages-Anzeiger (28. 10.). Tenor: Einzig neuer Aspekt in der Angelegenheit sei, dass Petzner in seiner Trauer und seinem Schmerz nicht ernst genommen werde. Da lasse sich schon ein wenig Homophobie erkennen – obgleich die meisten heterosexuellen Geliebten in derselben Situation wohl ein ähnliches Schicksal erleiden.

Am 24. 10. wurde CHRISTIAN HÖGL sogar in der New York Times zu dieser Causa zitiert. Als dann mitten in den ILGA-Konferenzen auch noch das kanadische und das israelische Fernsehen um Interviews anfragten, zog Christian dann allerdings die Notbremse und sagte ab. Wir hatten einfach keine Zeit und Lust mehr, auf immer dieselben Fragen zu antworten.

Bezeichnend in diesem Zusammenhang war, dass all die MedienvertreterInnen nicht das geringste Interesse an den beiden Konferenzen zeigten, wiewohl wir sie darauf hinwiesen. Das betraf übrigens auch die österreichischen Medien, die sich ebenfalls kaum dafür interessierten, dass gerade 400 Lesben-, Schwulen- und Transgender-AktivistInnen aus über 100 Ländern in Wien weilten. Eine solche Gelegenheit, Informationen aus erster Hand über die Lage in aller Welt zu erhalten, wird es so bald nicht wieder geben. Aber wer wird denn über den eigenen Tellerrand schauen wollen? Sicherlich nicht die ignoranten österreichischen JournalistInnen. Das zeigte wieder einmal in aller Deutlichkeit den mehr als tristen Allgemeinzustand der österreichischen Medien. Eine private Radiostation rief übrigens mitten in den ILGA-Konferenzen wegen einer Stellungnahme zum Rauswurf von zwei Schwulen aus einem Thermalbad an – angeblich, weil sie sich geküsst hatten, aber offenbar doch eher, weil sie sich alkoholisiert danebenbenommen hatten. Es geht eben nichts über das journalistische Gespür für Dimensionen und Proportionen: Was sind schon die massiven Verfolgungen und Menschenrechtsverletzungen in vielen Ländern der Welt gegen diese himmelschreiende Diskriminierung in Laa an der Thaya!?

 

Keine Mythenbildung!

Aber zurück zu Haider: Für das Land kann es nur gut sein, dass dieser Populist, Polarisierer und Ausgrenzer nicht mehr in der österreichischen Innenpolitik mitmischen kann. Und gerade wir Schwule und Lesben haben nicht den geringsten Grund, ihm auch nur eine einzige Träne nachzuweinen. Denn es stimmt überhaupt nicht, dass Haider nie gegen Lesben und Schwule agiert habe – wie nach Haiders Tod auch aus schwulen Kreisen oder etwa einem unbedeutenden Homo-Kleinstverein wieder zu hören war. Aber selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, kann ja wohl damit Haiders Hetze gegen AusländerInnen, AsylwerberInnen und andere Minderheiten nicht entschuldigt oder relativiert werden!

Aber abgesehen davon, stimmt es ja ohnehin nicht, denn Haider hat sehr wohl auch gegen Lesben und Schwule agiert: 1996 hat er als Nationalratsabgeordneter beispielsweise höchstpersönlich gegen die Aufhebung der §§ 209 und 220 StGB gestimmt. Aber es trifft schon zu: Im Vergleich zu seiner Hetze gegen andere Gruppen hat er die Agitations-Drecksarbeit gegen Homosexuelle in erster Linie seinen ParteikollegInnen überlassen. Als großer Parteiführer hätte er allerdings nur mit den Fingern schnippen müssen, um sie zur Räson zu bringen, hätte er dies tatsächlich gewollt. Und dass Haider sich persönlich zurückhielt, lag wohl hauptsächlich daran, dass er den „Hartmann-Effekt“ fürchtete: Hätte er selbst zu laut gegen Homosexuelle gewettert, wäre vielleicht doch einem seiner Liebhaber oder Sexpartner der Kragen geplatzt und hätte sich dieser womöglich – wie im Fall Kardinal Groër dessen Opfer Josef Hartmann – an die Öffentlichkeit gewandt, um diese verlogene Heuchelei anzuprangern…

Also bitte: Auch keine Mythenbildung unter Schwulen über eine nicht vorhanden gewesene positive Rolle Haiders in Sachen Lesben- und Schwulenrechte!