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Gegen Schwarz-Blau: Der Widerstand geht weiter

Veröffentlicht am 18. Juli 2000
Das Engagement und der Widerstand der HOSI Wien gegen die neue schwarz-blaue Regierung gingen auch im 2. Quartal 2000 weiter, worüber ich in den LN 3/2000 ausführlich berichtete. Die Maßnahmen, vulgo Sanktionen der EU-14 gegen Österreich werden zum Zankapfel, die schwarz-blaue Regierung nutzte sie schamlos aus, um die Wählerschaft patriotisch hinter sich zu scharren.

Dänische Zeitungen berichteten über den Appell der HOSI Wien an Premier Poul Nyrup Rasmussen, hier Faksimile aus der „Berlingske Tidende“ vom 23. Mai 2000.

Am 22. Juni 2000 schlossen sich die TeilnehmerInnen des ILGA-Europa-Seminars „Bekämpfung der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung“, das vom 22. bis 25. Juni in Wien stattfand, der Donnerstags-Demo gegen Schwarz-Blau an. PIERRE NOËL aus Belgien (re) und ich trugen das HOSI-Wien-Transparent, vorne CATHAL KELLY aus Irland.

Auch in den letzten Monaten setzte die HOSI Wien ihre Aktivitäten gegen die neue Regierung aus reaktionär-katholischer ÖVP und rechtsextremistischer FPÖ fort [vgl. auch LN 2/2000, S. 6 ff]. Am Tag vor dem AIDS-Life Ball in Wien am 13. Mai schickte die HOSI Wien eine Presseaussendung über die APA aus, in der sie die Entscheidung der BallorganisatorInnen, den Event frei von ÖVP- und FPÖ-PolitikerInnen zu halten, sehr begrüßte (siehe Artikel ab Seite 13). Endlich hat auch der Life-Ball eindeutig politisch Stellung bezogen und damit ein Zeichen gesetzt, das die HOSI Wien schon vor Jahren eingefordert hatte.

Als sich Mitte Mai ein Einlenken der EU-14 bei ihren bilateralen Maßnahmen gegen die österreichische Bundesregierung abzeichnete, richtete die HOSI Wien am 19. Mai 2000 neuerlich Schreiben an alle Regierungschefs und AußenministerInnen der 14 EU-Staaten, um diese aufzufordern, die Maßnahmen nur unter der Bedingung aufzuheben, daß der menschenrechtswidrige Paragraph 209 StGB aufgehoben werde. Über diese Aktion informierten wir auch in einer Presseaussendung am selben Tag.

Da sich damals besonders Dänemark als Vorreiter in Sachen Sanktionsbeendigung hervortat, informierten wir auch einen Redakteur der dänischen Nachrichtenagentur Ritzaus Bureau (mit ihm war der Autor dieser Zeilen durch die Recherchen über den SS-Arzt Værnet – vgl. LN 1/2000, S. 33 ff – in Kontakt gekommen). Er sollte uns helfen, die dänische Öffentlichkeit über die Menschenrechtsverletzungen in Österreich aufzuklären. Was er auch tat. Ritzaus Bureau schickte eine Agenturmeldung über den Appell der HOSI Wien an den dänischen Ministerpräsidenten Poul Nyrup Rasmussen aus, die von vier großen seriösen dänischen Tageszeitungen – Politiken, Jyllands-Posten, Berlingske Tidende und Aktuelt – am 22. Mai (online) und am 23. Mai (in der gedruckten Ausgabe, siehe Faksimile) übernommen wurde.

Die HOSI Wien informierte auch über verschiedene schwul/lesbische Internet-Mailing-Listen – wie euro-queer – über die neue Aktion und forderte Gruppen und Verbände in den anderen Ländern auf, uns dabei zu unterstützen. So hat etwa unsere griechische Schwesterorganisation in Saloniki dem griechischen Außenminister in dieser Angelegenheit geschrieben. Und das üblicherweise sehr effiziente Emergency Response Network der International Gay and Lesbian Human Rights Commission (IGLHRC) in San Francisco verbreitete unseren Aktionsaufruf ebenfalls weiter. Darüber hinaus organisierte IGLHRC am 1. Juni vor dem italienischen Generalkonsulat in der kalifornischen Metropole eine Kundgebung gegen die Versuche der italienischen Behörden, den World Pride in Rom sowie eine CSD-Demo in Catania zu verhindern. Bekanntlich hatten der Vatikan und neofaschistische Kräfte in der Provinz Rom Druck auf die römischen Stadtväter ausgeübt, damit diese die World-Pride-Parade verbieten (siehe Bericht ab Seite 34 in diesem Heft). Die DemonstrantInnen verlangten in ihrem Schreiben an die italienische Regierung, das dem Generalkonsul übergeben wurde, aber auch, diese möge sich für die Beibehaltung der Sanktionen gegen Österreich einsetzen. Außerdem riefen die Demonstranten dazu auf, an EU-Kommissionspräsident Romano Prodi zu schreiben und darin die Sanktionen gegen Österreich so lange zu befürworten, bis § 209 aufgehoben ist und alle deswegen inhaftierten Männer freigelassen werden.

HASSE YTTERBERG, der schwedische Ombudsman gegen Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung, kurz HomO genannt (vgl. LN 2/1999, S. 45), hat die Menschenrechtsverletzungen an Homosexuellen in Österreich bei einem Treffen mit der schwedischen Außenministerin Anna Lindh am 5. Juni ebenfalls zur Sprache gebracht. Lindh hatte zuvor die Sanktionen als gescheitert bezeichnet und sich für deren Aufhebung ausgesprochen, war aber von Premierminister Göran Persson zurückgepfiffen worden. Am 14. Juni antwortete dann Lindh sogar persönlich auf das Schreiben der HOSI Wien: Jede Diskriminierung und Verurteilung von Leuten aufgrund ihrer sexuellen Orientierung widerspricht der grundlegenden Vorstellung von der Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung aller Menschen. Schweden setzt sich nachdrücklich in allen Foren gegen das Entstehen und Vorhandensein jeglicher Form von Diskriminierung ein. Wir werden auch weiterhin diese Dinge kritisieren und ihnen Beachtung schenken, wo immer sie passieren, und der Sache bestmöglich dienen.

Zu den Außen- und PremierministerInnen, die nicht bloß von ihren Dienststellen den Empfang des Schreibens bestätigten, sondern der HOSI Wien auch persönlich und ausführlich antworteten und den Brief auch selber unterschrieben, gehörte übrigens auch der französische Außenminister Hubert Védrine.

 

ÖVP/FPÖ will Spieß umdrehen

Doch bald nach unserer zweiten Brief-Aktion wurde klar, daß die Bundesregierung ohnehin kein Interesse an der Aufhebung der Maßnahmen hatte und ihrerseits alles daran setzte, eine solche zu hintertreiben. Dies wurde spätestens offenkundig, als der EU-Abgeordnete der FPÖ und Haiders Hofjude Peter Sichrovsky in der Fernsehdiskussion Zur Sache pampig erklärte, man werde den EU-14 den Ausweg aus ihrer „Sackgasse“ nicht so einfach machen. Offenbar war die FPÖ schon damals dem Größenwahn verfallen und meinte allen Ernstes, sie könnte die EU-14 dazu zwingen, vor ihr zu Kreuze zu kriechen. Doch die erkannten wohl die vorwitzige Absicht und fanden sich in der Tat in einem ziemlichen Dilemma: Mittlerweile mußten sie einerseits zur Kenntnis nehmen, daß die Sanktionen der Regierung außerordentlich nutzten – nicht zuletzt durch das patriotische Vaterlandsfront-Getrommel der beiden Boulevard-Kleinformate, deren Lektüre einem den Eindruck vermittelt, Österreich befände sich im Kriegszustand mit der EU –, andererseits konnten sie nach dieser Zuspitzung der Causa durch FPÖ (und ÖVP) Schüssel und Haider unmöglich den Triumph der Aufhebung der Sanktionen gönnen: Schüssel hätte sich als Nationalheld feiern lassen, seine Popularitätswerte wären, angeheizt durch die Neue Kronenzeitung, in atemberaubende Höhen geschnellt, und Haider wäre vor lauter David-Triumphgeheul gegen den besiegten EU-Goliath wahrscheinlich endgültig übergeschnappt. Gegen Ende des portugiesischen EU-Ratsvorsitzes machten ÖVP und FPÖ dann gar keine besonderen Anstrengungen mehr zu verbergen, daß sie an der Eskalationsschraube munter und übermütig weiterdrehten. Nur mehr unverbesserliche BerufsoptimistInnen beim ORF schienen Ende Juni noch an eine Aufhebung der Maßnahmen unter portugiesischer Ratspräsidentschaft zu glauben – bzw. taten so.

 

Botschaftsbesetzung abgeblasen

Uns war jedenfalls klar, daß es nach den frechen Provokationen durch ÖVP und FPÖ (Stichwort: Androhung einer Volksbefragung) sicher nicht dazu kommen würde. Hatten wir im Mai, als wir den Regierungschefs und AußenministerInnen zum zweitenmal schrieben, eine bedingungslose Aufhebung noch für möglich gehalten und eine weitere Botschaftsbesetzung in Wien geplant, um gegen einen solchen Schritt zu protestieren, konnten wir diese angesichts der Entwicklungen im Juni getrost wieder abblasen. Eine Aufhebung der Maßnahmen war völlig unrealistisch geworden. Wundern kann man sich nur über den Kanzler. Stellt sich der kleine Schüssel-Maxi die Politik wirklich so vor? Und seine Außenministerin, vor deren Kampflächeln sich ihre AmtskollegInnen in allen Ländern bereits bekreuzigen (© Peter Rabl, wenn ich mich recht entsinne), sobald sie ihr ansichtig werden? Benita Ferrero-Waldner kommt mir überhaupt wie eine Hochstaplerin aus einem schlechten Agentenfilm vor. Wer sie jemals in ihrem erbärmlichen Englisch und ihrem breiten Akzent auf CNN stammeln gehört hat, nimmt dieser Frau nicht mehr ab, angeblich bei der UNO einen Top-Job gehabt und jahrelang in New York gelebt zu haben. Das klingt eher nach 3. Klasse Hauptschule.

 

Vaterlandsbeschädigerinnen ÖVP und FPÖ

Trotzdem: Die beiden müßten wissen, daß sie auf diese Art und Weise die EU-14 nicht zum Einlenken bewegen werden – selbst wenn Österreich tausendmal recht hätte und die EU-14 tausendmal im Unrecht wäre! So geht es einfach nicht zu in der internationalen Diplomatie. Österreich ist nun mal keine Weltmacht, sondern bloß ein Fliegenschiß auf dem Globus. Natürlich wissen ÖVP und FPÖ das auch. Sie haben sich aber entschlossen, aus innenpolitischem Kalkül diesen Weg zu beschreiten, um auf der Woge des von Krone und täglich alles aufgeschaukelten Hurra-Patriotismus weiter innenpolitisch obenauf zu schwimmen – und dabei ist ihnen das Land völlig egal, es geht ihnen nur um ihre Parteien und ihre Machtposition. Sie sind die wahren Vaterlandsbeschädiger! Mit der Volksbefragung werden sie aber die Eskalationsschraube definitiv überdrehen und damit gehörig auf die Nase fallen (siehe auch Kurts Kommentar in diesem Heft, S. 15).

 

Widerstandstag

Am Samstag, 27. Mai, hatte die Widerstandsbewegung am Ballhausplatz zu einem Großkampftag und zu einer Widerstandsnacht aufgerufen. Die HOSI Wien beteiligte sich als einzige Lesben- und Schwulenorganisation daran. Von 14 bis 21 Uhr betreuten Brigitte, Tamara, Trixi und der Autor dieser Zeilen einen Info-Stand an diesem heißen Frühlingstag, den nur der heftige Wind halbwegs erträglich machte.

 

Regenbogenparade goes Widerstand

Widerstand war dann auch die Devise der Regenbogenparade am 17. Juni in Wien. Nicht nur die gesamte Parade stand im Zeichen der Buntheit gegen Schwarz-Blau, auch die HOSI Wien stellte ihre Teilnahme unter das Motto „gegen ÖVP und FPÖ“ – das für die Großdemo vom 19. Februar neuangefertigte Transparent kam abermals zum Einsatz. Es sollte nicht der letzte sein. Mehr über die Regenbogenparade findet sich im LAMBDA special ab Seite IV in diesem Heft. Der Text unserer Presseaussendung anläßlich der Parade findet sich hier.

Am Donnerstag nach der Parade ließen es sich auch die TeilnehmerInnen des ILGA-Europa-Seminars Bekämpfung der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung, das vom 22. bis 25. Juni in Wien stattfand (vgl. Bericht ab Seite 31 in diesem Heft), nicht nehmen, nach dem Workshop von der Theorie zur Praxis zu schreiten und auf der abendlichen Anti-Regierungsdemo mitzumaschieren. Zufälliger- und passenderweise wurde die Demo an diesem Donnerstag vom Frauen/Lesben-Block angeführt. Leider schienen Wiens Lesben und Schwule nach der Parade (und wohl auch aufgrund des langen und extrem heißen Wochenendes) demomüde gewesen zu sein: Die ausländischen Gäste wurden nur von ein paar versprengten HOSIanerInnen, die immerhin das neue Spruchband mittrugen, begleitet. Unsere ausländischen FreundInnen waren dennoch beeindruckt, vor allem, daß die Demo schon seit Monaten ausnahmslos und konsequent jeden Donnerstag durchgeführt wird. Das andere Österreich leistet also wichtige Bewußtseins- und Aufklärungsarbeit, um – ganz patriotisch – das angeschlagene Image des Landes aufzupolieren.

 

World Pride gegen § 209

Aber nicht nur die Wiener Regenbogenparade, sondern auch der World Pride in Rom vom 1. bis 9. Juli (vgl. Bericht auf Seite 34 in diesem Heft) stand im Zeichen des Protests gegen § 209 StGB. Die Gefangenenhilfsorganisation amnesty international hat im Rahmen des World Pride eine Petition gegen das menschenrechtswidrige Mindestalter für homosexuelle Handlungen in Österreich lanciert. Während der ganzen Pride-Woche wurden unter den hunderttausenden TeilnehmerInnen sowie unter der Bevölkerung Roms Unterschriften gegen den österreichischen Schandparagraphen gesammelt. Die HOSI Wien informierte die Medien am 30. Juni über diese Aktion. Was die Menschenrechte und Nichtdiskriminierung von Lesben und Schwulen anbelangt, ist Österreich Schlußlicht in Europa, also nicht nur in der EU, in ganz Europa, erklärte HOSI-Wien-Obfrau WALTRAUD RIEGLER bei dieser Gelegenheit, daher ist es naheliegend, daß ein Schwerpunkt der politischen Aktionen in Rom auf die Lage in Österreich gelegt wird. Die World-Pride-Aktion in Rom kam auch gerade zur rechten Zeit, da wieder über die Aufhebung der Sanktionen diskutiert wurde. Die europäische Öffentlichkeit soll erfahren, daß Österreich hier ein massives Menschenrechtsproblem hat und daß einzig und allein die ÖVP und die FPÖ dafür verantwortlich sind, da sie die Aufhebung des § 209 trotz aller Entscheidungen der dazu berufenen internationalen Menschenrechtsorgane bisher verhindert haben.

Die Petition zur Aufhebung des § 209 (ihr Wortlaut findet sich nachstehend) wurde am 2. Juli in Rom auf einer Pressekonferenz und einer Menschenrechts-Rallye von der italienischen Sektion von amnesty international und dem Netzwerk der rund 50 ai-Arbeitsgruppen Homosexualität, die es in den verschiedenen Ländern gibt, vorgestellt. An dieser Präsentation nahm u. a. auch die italienische Gleichstellungsministerin Katia Bellillo teil. Die gesammelten Unterschriften sollen nun österreichischen RegierungsvertreterInnen übergeben werden. Amnesty international wird übrigens in Hinkunft wegen § 209 inhaftierte Personen als Gewissensgefangene adoptieren und für ihre Freilassung kämpfen.

Der Kampf geht weiter.

 

Text der Petition von amnesty international:

Sehr geehrte Frau Dr. Riess-Passer, sehr geehrter Herr Dr. Schüssel!

Als Sympathisant/Mitglied von Amnesty International habe ich die Bitte an Sie und Ihre Partei, sich dafür einzusetzen, daß Paragraph 209 sofort und restlos aus dem österreichischen Strafgesetzbuch gestrichen wird. Dieser Paragraph verstößt gegen den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, gegen die Europäische Menschenrechtskonvention und Artikel 13 des Gründungsvertrags der Europäischen Union und verletzt daher die Menschenrechte homosexueller Männer in Österreich.

Da die Republik Österreich Mitglied der Europäischen Union ist, beide Menschenrechtskonventionen ratifiziert hat und somit verpflichtet ist, die Menschenrechte aller Staatsbürger zu wahren, vertraue ich darauf, daß Sie und Ihre Partei/Organisation sich jeder Art von Menschenrechtsverletzung widersetzen werden und auch in Österreich Gerechtigkeit und gleiche Rechte für alle gewährleisten werden.