Farbe bekennen: HOSI Wien gegen Schwarz-Blau!
Die HOSI Wien war sich keine Sekunde unsicher und zögerte keinen Augenblick, ihren Beitrag zum Widerstand gegen die neue ÖVP-FPÖ-Regierung zu leisten. Zu sehr haben ÖVP und FPÖ, in erster Linie aber die ÖVP, über nunmehr zwei Jahrzehnte die Anliegen von uns Lesben und Schwulen nicht nur ignoriert, sondern immer wieder auch aktiv torpediert. In ganz Europa gibt es, vielleicht mit Ausnahme der CSU, keine Partei, die in vergleichbarer Weise die Homosexuellenunterdrückung zu ihrem Programm gemacht hat. Daß die schwarz-blaue Koalition für uns eine Katastrophe bedeutet, war und ist allen klar. Nun hat die ÖVP freie Hand, keine Koalitionspartnerin SPÖ mehr, die das Ärgste abmildert. Kompromißloser Widerstand ist angesagt.
Bereits am 3. Februar, dem Tag vor der Angelobung der Regierung – Schüssel und Haider hatten unter enormem Medienaufgebot aus aller Welt und live via CNN und EuroNews (nicht via ORF) ihr Koalitionsprogramm präsentiert –, meldete sich die HOSI Wien in einer Presseaussendung zu Wort und kritisierte die verlogene Menschenrechtsrhetorik der neuen Machthaber.
Über das darauffolgende Wochenende wurden dann in Tag- und Nachtschichten die angekündigten Briefe an die EU-Premier- und AußenministerInnen geschrieben und an die Staatskanzleien und Ministerien von Helsinki bis Lissabon gefaxt, sodaß die HOSI Wien am Montag, dem 7. Februar in einer Presseerklärung – „Österreichs Lesben und Schwule wenden sich an die Europäische Union um Hilfe“ – den Vollzug der angekündigten Aktion melden konnte. Der Standard und Die Presse berichteten am 8. 2. Die HOSI Wien fordert in ihren Schreiben aber nicht nur, gegen Österreich ein Verfahren nach Artikel 7 EU-Vertrag einzuleiten, sondern wies auch darauf hin, daß Österreich seine NS-Vergangenheit im Bereich der Verfolgung von Lesben und Schwulen noch nicht aufgearbeitet hat und bis heute den homosexuellen Opfern eine Wiedergutmachung nach dem Opferfürsorgegesetz verweigert. Den Briefen wurde eine detaillierte Faktenzusammenstellung auf englisch beigelegt – eine genaue Chronologie davon, wie ÖVP und FPÖ in der Vergangenheit die Entscheidungen zweier Menschenrechtsorgane und vier Entschließungen des Europa-Parlaments bewußt ignoriert haben. Ähnlich lautende Briefe gingen auch an alle 20 Mitglieder der Europäischen Kommission sowie an Nicole Fontaine, die Präsidentin des Europa-Parlaments, und die Vorsitzenden der fünf größten EP-Fraktionen.
Gleichzeitig hat die HOSI Wien Lesben- und Schwulenorganisationen in ganz Europa dazu aufgerufen, ihre Forderung nach Einleitung eines Artikel-7-Verfahrens gegen Österreich zu unterstützen, entsprechende Briefe an ihre Regierungen, den portugiesische EU-Ratsvorsitz sowie an Kommissionspräsident Romano Prodi zu richten und die Medien über die massiven Menschenrechtsverletzungen an Homosexuellen in Österreich zu informieren.
Überdies hat die HOSI Wien sofort auf ihrer Internet-Homepage eine eigene Abteilung mit all diesen Dokumenten, erklärenden Texten sowie Nachrichten zum schwul/lesbischen Kampf gegen die homosexuellenfeindliche ÖVP/FPÖ-Koalition eingerichtet (auch mit Texten in englischer Sprache).
Positive Reaktionen
Einige der Außen- und PremierministerInnen reagierten dann auch auf unseren Hilferuf. Belgiens Außenminister Louis Michel antwortete uns persönlich, er habe mit großer Besorgnis die Tatsache zur Kenntnis genommen, daß Österreich die Entscheidung der Europäischen Menschenrechtskommission sowie vier 1997 und 1998 verabschiedete Entschließungen des Europäischen Parlaments, § 209 öStGB aufzuheben, ignoriert hat. Er versicherte uns, daß die belgische Regierung der Achtung der Menschenrechte durch die ÖVP-FPÖ-Regierungskoalition, einschließlich jener der lesbischen Bürgerinnen und schwulen Bürger Österreichs, besondere Aufmerksamkeit widmen wird. Gegebenenfalls wird sich Belgien wieder an die Spitze jener stellen, die dagegen auftreten werden.
Der irische Taoiseach Bertie Ahern, seine Stellvertreterin, an Tánaiste Mary Harney, sowie Außenminister Brian Cowen bestätigten immerhin den Empfang der Briefe, ebenso der portugiesische Europa-Staatssekretär Francisco Seixas da Costa. Das britische Außenministerium antwortete mit einem 08/15-Schimmelbrief, den alle der offenbar zahlreichen BriefschreiberInnen erhielten, die sich zu diesem Zeitpunkt in der Causa Österreich ans Außenministerium in London wandten. Von den EU-KommissarInnen antworteten nur der Brite Christopher Patten und die (konservative) Luxemburgerin Viviane Reding. Sie teilte uns mit, daß unser Schreiben an die zuständigen Stellen der Kommission weitergeleitet wurde: Diese werden nach Abschluß ihrer Untersuchung einen Vorschlag zur weiteren Vorgehensweise unterbreiten.
Sehr aufmunternd war auch die Antwort der konservativen Parlamentspräsidentin. Nicole Fontaine verwies auf die entschlossene Haltung („firm position“) des Europa-Parlaments und dessen Entschließung vom 3. Februar 2000 zur Regierungsbildung in Österreich (Nr. B5-0101, 0102, 0103, 0106 und 0107/2000), in der der Rat und die Kommission aufgefordert werden, im Falle einer schwerwiegenden und anhaltenden Verletzung von in Artikel 6 Absatz 1 des Vertrags über die Europäische Union genannten Grundsätzen durch welchen Mitgliedstaat auch immer darauf vorbereitet zu sein, Maßnahmen nach Artikel 7 des Vertrags zu ergreifen und nach Zustimmung des Europäischen Parlaments die sich aus der Anwendung des Vertrags ergebenden Rechte dieses Mitgliedstaates auszusetzen – was, so Fontaine an die HOSI Wien, voll auf der Linie Ihres Appells liegt.
Die HOSI Wien ließ es aber nicht dabei bewenden, sondern nützte jede sich bietende Gelegenheit, um nachzuwassern. Als etwa am 8. März Bundespräsident Thomas Klestil die EU-Kommission in Brüssel besuchte, schickten wir nochmals ein Fax an Kommissionspräsident Prodi, um ihn an unser Anliegen zu erinnern. Oder als der portugiesische Ratsvorsitzende, Ministerpräsident António Guterres, am 13. März in Brüssel Kanzler Wolfgang Schüssel in Vorbereitung des Lissabonner EU-Sondergipfels traf – Guterres weigerte sich ja, auf seiner Hauptstädtetour nach Wien zu kommen. Auch an ihn faxte die HOSI Wien ein „Erinnerungsschreiben“. Und in Hinblick auf den Auftritt Klestils im Europa-Parlament am 12. April in Straßburg schickte ILGA-Europa an befreundete Abgeordnete und Fraktionen E-Mails, um sie ebenfalls an die Menschenrechtsverletzungen an Homosexuellen in Österreich zu erinnern (vgl. auch Bericht auf Seite 20 in diesem Heft) und sie zu ersuchen, bei dieser Gelegenheit diese Sache anzusprechen.
Am 17. März führte der Autor dieser Zeilen als Vorstandsvorsitzender von ILGA-Europa im Außenministerium in Lissabon zudem ein Gespräch mit Vertretern des portugiesischen Ratsvorsitzes. Seit dem österreichischen Vorsitz im zweiten Halbjahr 1998 ist es ja Tradition, daß die ILGA-Europa mit dem jeweiligen Ratsvorsitz zu einem Gespräch zusammentrifft. In Lissabon, wo die ILGA-Europa sogar auf Botschafterebene empfangen wurde – den höchstrangigen GesprächspartnerInnen aller bisherigen Treffen –, ging es nicht nur um Themen wie die Umsetzung des von der Kommission vorgeschlagenen Artikel-13-Pakets und die geplante Grundrechtscharta der EU, sondern auch um die Situation in Österreich. Eindringlich wurde an die portugiesische Ratspräsidentschaft appelliert, dafür zu sorgen, daß die massiven Menschenrechtsverletzungen in Österreich aufhören, notfalls eben mittels eines Verfahrens nach Artikel 7 EUV.
EP-Präsidentin: Österreich verletzt EU-Vertrag
Der Autor dieser Zeilen nützte auch die offizielle Eröffnung der Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit am 7. April in Wien, um auf der anschließenden Pressekonferenz die Präsidentin des Europäischen Parlaments Nicole Fontaine zu fragen, was das EP zu unternehmen gedenke, um seiner Forderungen nach Aufhebung des § 209 und Freilassung aller deswegen Inhaftierten Nachdruck zu verleihen. Ob nicht ein Artikel-7-Verfahren angebracht wäre, um diese Menschenrechtsverletzungen abzustellen. Die Antwort Fontaines war das deutlichste, was in diesem Zusammenhang von so hochrangigen PolitikerInnen je gesagt wurde: Ja, hier handle es sich um eine Menschenrechtsverletzung, meinte sie vor der versammelten Weltpresse, Österreich verletze daher auch den EU-Vertrag. Das müsse man der Regierung in Wien klarmachen, hier gehe es nicht um Einmischung in innere Angelegenheiten Österreichs, sondern um die Achtung der Menschenrechte. Die HOSI Wien begrüßte diese klaren Worte in einer Presseaussendung am selben Tag. Eine ZiB 3-Studio-Livediskussion, zu der HOSI-Wien-Obmann CHRISTIAN HÖGL bereits eingeladen war, konnte in Ermangelung teilnahmewilliger VertreterInnen von ÖVP oder FPÖ nicht stattfinden. Auf die Dauer kann es nicht angehen, daß der ORF das Thema nicht aufgreift, nur weil die Regierungsparteien jede Stellungnahme verweigern.
Menschenrechtsrhetorik
An anderen Fronten ging der Kampf ebenfalls weiter. Am 8. Februar 2000 hatte die Koalition ihre berühmt-berüchtigte Präambel zum Regierungsübereinkommen in der International Herald Tribune auf Kosten der Steuerzahler als ganzseitige Anzeige abdrucken lassen. Die Regierung kündigte weitere Inserate in wichtigen ausländischen Medien zwecks Imagepflege an. Da spuckten wir dem Kanzler und Haider jedoch ebenfalls in die Suppenschüssel. In einer Presseaussendung kündigte die HOSI Wien an, mit ihren ausländischen Schwesterorganisationen Leserbrief-Gegenkampagnen zu initiieren, sollten tatsächlich derartige Inserate geschaltet werden. Unseres Wissens sind daraufhin keine Inserate mehr erschienen. Manche unserer FreundInnen im Ausland haben aber trotzdem entsprechende Leserbriefe an ihre nationalen Medien geschrieben. In der niederländischen Zeitung Trouw etwa erschien ein solcher Leserbrief sowie ein redaktioneller Beitrag über die Lage von Lesben und Schwulen in Österreich, in dem der Autor dieser Zeilen zu Wort kam.
Auch sonst erfuhren wir viel internationale Unterstützung und Solidarität. Der Völklinger Kreis, der deutsche Bundesverband Gay Manager, bekundete in einer Aussendung am 11. Februar seine Solidarität mit Österreichs Lesben und Schwulen. Unsere FreundInnen von der Fundación Triángulo in Madrid wiederum forderten in einer Presseaussendung am 15. Februar die spanischen VolksvertreterInnen auf, sich für die Abberufung des ÖVP-Politikers Walter Schwimmer vom Posten des Generalsekretärs des Europarats einzusetzen. Und Schwulenaktivisten in Marseille sammelten im Februar und März Unterschriften von 205 Personen und 35 Organisationen unter eine Solidaritätspetition für Österreichs Lesben und Schwule.
Die HOSI Wien schrieb auch Leserbriefe, etwa an den Kurier, wo Peter Rabl am 6. Februar meinte, Schüssel hätte sich die Abmahnungen in Sachen Europa oder Rechtsstaatlichkeit nicht verdient, oder an die International Herald Tribune, wo am 15. 2. ein gewisser Reginald Dale in einem Kommentar meinte, bisher hätte Österreich sich nichts zu Schulden kommen lassen. Oder nochmals zweimal an den Kurier, wo am 22. 2. Christoph Kotanko ebenfalls fälschlicherweise meinte, die Regierung hätte noch nicht gegen die im Artikel 6 EUV genannten Grundsätze verstoßen, und wo am 26. 2. EU-Kommissar Franz Fischler dieselbe Ansicht äußerte (Da kann man sich ruhig zurücklehnen.). Oder an den Standard, wo der ÖVP-Abgeordnete Heinrich Neisser Mitte März die rhetorische Frage stellte (und verneinte): Glaubt jemand ernsthaft, daß es in Österreich „schwerwiegende und anhaltende Verletzungen“ der Menschenrechte gibt, die ein Verfahren nach Artikel 7 EUV rechtfertigten? Wir glauben es nicht nur ernsthaft, wir wissen es! Keiner dieser Leserbriefe ist indes erschienen. Jedenfalls zeigen diese Beispiele recht deutlich, wie unterentwickelt das Bewußtsein der österreichischen Mainstream-Medien hinsichtlich der Menschenrechtsverletzungen an Homosexuellen ist.
Der Autor dieser Zeilen besuchte auch die internationale Pressekonferenz im Burgtheater am Vormittag vor der Großdemonstration am 19. Februar [weitere Fotos hier] und verteilte Informationsmaterial in englischer Sprache an die massenhaft erschienenen ausländischen MedienvertreterInnen und gab nebenbei dem ORF-Radio Österreich International ein Interview.
Kein Schulterschluß mit Menschenrechtsverletzern
Am 20. März trafen schließlich die Oppositionsführer mit dem Kanzler und Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer zusammen, um mit ihnen über gemeinsame Maßnahmen gegen die Sanktionen der EU-Partner und die Isolierung der Regierung zu beraten. Die HOSI Wien appellierte in Briefen an SPÖ-Vorsitzenden Alfred Gusenbauer und Grünen-Chef Alexander van der Bellen, sie mögen in ihrem Gespräch auf die Einhaltung der Menschenrechte von Lesben und Schwulen bestehen (vgl. Aussendung der HOSI Wien).
Großes Interesse
Großes Interesse herrschte bei den schwul/lesbischen Medien im Ausland. Was bedeutet die neue Regierung für Lesben und Schwule in Österreich? Was haben sie von ihr zu befürchten? Wie schätzen wir die Lage ein? Beteiligen sich Lesben und Schwule an den Protesten? Die Flut von Anfragen war kaum zu bewältigen, speziell deutsche, britische, französische, niederländische und Schweizer Medien waren sehr interessiert. Legion sind aber nicht nur die Interviews, die HOSI-Wien-FunktionärInnen Printmedien gegeben haben, sondern sie wurden auch von schwul/lesbischen Radiosendern in ganz Deutschland, von Chicago bis Amsterdam interviewt. Um die vielen Anfragen leichter bewältigen zu können, aber auch, um Lesben und Schwule im Ausland zur Unterstützung unserer Aktionen zu motivieren, hat die HOSI Wien einen eigenen Website über den schwul/lesbischen Kampf gegen die neue schwarz-blaue Regierung eingerichtet, auf dem wir alle relevanten Informationen zusammengestellt haben. Eine Art Basistext wurde auch für einschlägige E-Mailing-Listen verfaßt und etwa über die Euro-Queer-Liste verschickt. Der HOSI-Wien-Text landete später in Übersetzungen u. a. auf französischen und italienischen Websites der Bewegung. Die HOSI Wien hat hier immense Informationsarbeit geleistet. Auf unserer Homepage finden sich übrigens auch Fotos von den vielen Demonstrationen und der Besetzung der portugiesischen Botschaft in Wien am 23. März. Auf der ersten Demo, bei der HOSI-Wien-AktivistInnen „organisiert“ mit Regenbogenfahnen mitmarschierten, am 5. 2., wurde der Autor dieser Zeilen auch von einem italienischen TV-Team interviewt. Mindestens drei Brüsseler Bekannte von der Plattform europäischer Sozial-NGOs, die den RAI-Beitrag am 8. 2. im Kabelfernsehen sahen, haben mich später darauf angesprochen. Selbst wenn es für viele ohnehin klar ist, auf welcher Seite wir stehen, ist es dennoch wichtig, daß wir aktiv in Widerstandszusammenhängen sichtbar sind.
Mehr über die Demos und die Botschaftsbesetzung im LAMBDA special im selben Heft (gekürzt):
Widerstand gegen Schwarz-Blau: Keine Aufhebung der Sanktionen ohne Aufhebung des § 209!
(…)
Lesben und Schwule demonstrieren
Gingen bei den ersten Demos gegen Schwarz-Blau am 2. und 4. Februar Lesben und Schwule meist vereinzelt oder mit FreundInnen unorganisiert mit – nur die Rosa-Lila-Villa-Lesben waren zu diesem Zeitpunkt im feministischen Block als Lesben sichtbar – und war am 2. Februar nur eine einzige Regenbogenfahne sichtbar, so waren am 4. Februar bei der Angelobungsdemo am Ballhausplatz bereits zwei – mit Trauerflor versehene – Regenbogenfahnen zu sehen. Am 5. 2. gingen dann HOSI-Wien-AktivistInnen erstmals „in organisierter Form“ auf der Demo mit. Und die Regenbogenfahnen wurden immer zahlreicher und sichtbarer. Sie waren auf Fotos in vielen ausländischen Zeitungen zu sehen, und auch in vielen TV-Berichten über die zahlreichen Demos wehten die Regenbogenfahnen auffällig über die Bildschirme, wie man im Kabelfernsehen immer wieder sehen konnte. Die Medienarbeit der HOSI Wien und die regenbogenfahnenschwingenden DemonstrantInnen machten denn auch recht bald deutlich, daß die Lesben- und Schwulenbewegung hierzulande zum „anderen“ Österreich gehört, zum Österreich des Widerstands gegen Schwarz-Blau. Höhepunkt der Kundgebungen war natürlich die Großdemonstration am 19. Februar, bei der es einen riesigen schwul/lesbischen Block aus wohl rund 1000 TeilnehmerInnen sowie zahlreiche Transparente und ein Meer von Regenbogenfahnen gab. Aber die Demos und die schwul/lesbische Beteiligung daran hörten auch danach nicht auf. Regenbogenfahnen sind ständige Begleiter der Donnerstagsdemos, und auch am 8. März sorgten die HOSI-Wien-Lesben auf der Demo zum Frauentag für Regenbogenbuntheit.
Auf welcher Seite die HOSI Wien und der Großteil der Lesben und Schwulen Österreichs steht, war denn auch keine Frage mehr, als am 21. März 2000 Jörg Haider in der Berliner die tageszeitung (taz) als Schwuler geoutet wurde. Es konnte wohl kein Zweifel mehr daran bestehen, daß uns auch der Umstand, daß Haider schwul sein mag, nicht für ihn und seine minderheitenfeindliche Verhetzungspolitik einnehmen würde (aber darüber an anderer Stelle in diesem Heft [vgl. auch Aussendung der HOSI Wien vom 22. März 2000]).
Portugiesische Botschaft besetzt
Eine weitere Aktion zur Sensibilisierung der europäischen Öffentlichkeit setzten dann vier beherzte HOSI-Wien-AktivistInnen am 23. März anläßlich des Beginns des EU-Gipfels in Lissabon. Brigitte, Trixi, Alfred und Kurt, nur mit einer Himbeer-Bombe von der Aïda bewaffnet, verschafften sich Zutritt zur portugiesischen Botschaft im Opernringhof in Wien, um sie friedlich zu besetzen. Zwei Stunden hielten sie die Konsulatsräume in ihrer friedlichen Gewalt. Zeit genug, um die Medien in aller Welt zu informieren. Unsere portugiesischen Freunde von der Gruppe Opus Gay wurden sofort nach Beginn der Aktion ebenso verständigt wie die Austria Presse Agentur. Opus Gay unterrichtete umgehend die portugiesischen Medien, und nicht einmal eine Stunde später gaben die BesetzerInnen einem portugiesischen Radiojournalisten das erste Interview. Mehrere Medien riefen uns am Handy an, um sich über den Fortgang der Besetzung zu informieren.
Die Forderungen der BesetzerInnen – auf deutsch und englisch – hatte HOSI-Wien-Obmann Christian Högl zu Beginn der Aktion bereits auf die Homepage der HOSI gestellt, sodaß interessierte MedienvertreterInnen gleich direkt im Internet darauf zugreifen konnten. Der Hinweis auf die Homepage der HOSI wurde über die Presseaussendung verbreitet. Die drei Sonderpolizisten, die herbeigerufen wurden, waren etwas überrascht, vier biedere Herr- und Frauschaften in zum Teil bereits reiferem Alter vorzufinden, und fragten treuherzig, wo denn die Besetzer seien. Sie hielten die BesetzerInnen wohl ebenfalls für Botschaftsangestellte. Jedenfalls gelang es, zwei Stunden Zeit herauszuschinden, um die Medienarbeit über die Bühne zu bringen. Danach machte es nicht wirklich Sinn, länger zu bleiben. Der Botschafter hatte angeboten, die BesetzerInnen am Nachmittag zu empfangen. Sie nahmen daher das Angebot an, auch wollte man ja die Portugiesen nicht verärgern, immerhin wollte man ja etwas von ihnen, und verließen die Konsulatsräumlichkeiten nach zwei Stunden friedlich. Ein Reporter von FM 4 wartete bereits, und so ging man noch auf ein Interview ins Café Museum. Immerhin berichteten auch die Wiener Zeitung, täglich alles, der Kurier sowie Privatradiosender und portugiesische Medien über die Aktion.
Am Nachmittag fand dann ein 40minütiges Gespräch mit dem portugiesischen Botschafter statt. Die BesetzerInnen erklärten ihm, daß die Aktion sich in keiner Weise gegen Portugal richtete, sondern man die portugiesische Regierung vielmehr um Unterstützung ersuche bei der Durchsetzung der Menschenrechte von Homosexuellen in Österreich. Einmal mehr wurde dargelegt, weshalb ein Verfahren nach Artikel 7-EU-Vertrag gegen Österreich gerechtfertigt wäre. Der Botschafter sagte zu, die portugiesischen Regierungsstellen zu informieren, mehr könne er nicht versprechen.
Die Botschaftsaktion ist sicherlich nicht die letzte Aktion dieser Art gewesen. Wir müssen die EU-Organe und die 14 EU-Partner dazu überreden, auf der Durchsetzung voller Menschenrechte in Österreich – auch für Lesben und Schwule – zu bestehen.