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Jörg ist schwul – Buberln beim Weitpinkeln

Veröffentlicht am 18. Juli 2000
Auch in den Monaten nach dem Outing Jörg Haiders als Schwuler durch Jochen Herdieckerhoff im März 2000 beschäftigten sich die Medien mit dem Thema. Ich fasste in diesem ausführlichen Beitrag in den LN 3/2000 die damals aktuellen Wortmeldungen zusammen.

Haiders Plan, die Gerüchte über seine Homosexualität durch Ignorieren totlaufen zu lassen, ist nur teilweise aufgegangen. Zwar ist es in den österreichischen Medien tatsächlich relativ ruhig um Sache geworden, aber im Ausland, wo man die subtilen Feinheiten in Jochen Herdieckerhoffs Outing-Artikel nicht rezipiert hat, gilt er mittlerweile eindeutig als Schwuler. Aber auch in Österreich haben es jetzt plötzlich alle „immer schon gewußt“, und gerade in der FPÖ und gerade in Kärnten hätte man doch stets mehr oder weniger offen darüber geredet. Und immer häufiger trifft man auf Schwule, die von Haider angeflirtet wurden, etwa beim Joggen oder in Lokalen, oder denen er einfach unverschämt nachgepfiffen hat.

Zur Verfestigung der Gerüchte trugen nicht zuletzt Haiders Schweigen und Nicht-Dementi, für das es einen triftigen Grund gibt (vgl. LN 2/2000, S. 13 ff), und die in etlichen Zeitungen veröffentlichten Leserbriefe GÜNTER TOLARs bei, der in wenig emanzipatorischer Weise jedes Outing verurteilte, damit aber indirekt unterstellte, daß die Sache stimmte. Im übrigen sind Tolars Ausführungen insofern eine Katastrophe, als er darin die Folgen des Bekanntwerdens der Homosexualität dermaßen dramatisiert, daß junge Schwule dadurch wohl alles andere als zu einem Coming-out ermutigt werden!

Zu den wenigen Medien, die Haiders Schwulsein in den letzten drei Monaten noch thematisierten, gehörte NEWS. In einem – wie immer – köstlichen Cartoon zeichnete Manfred Deix in der # 18 vom 4. Mai Haider als Heulsuse, die sich schluchzend über die Gerüchte über ihre „angebliche Homosexualität“ grämte (als der Kärntner Landeshauptmann am 1. Mai den FPÖ-Vorsitz zurücklegte und zum einfachen Parteimitglied mutierte, rannen ihm Tränen über die Wangen). Und eine Woche später befragte NEWS sogar Haiders Ehefrau (ohne die Sache beim Wort zu nennen – aber offenbar ging NEWS davon aus, daß die Gerüchte inzwischen Allgemeingut geworden sind): Wie gehen Sie als Ehefrau eigentlich mit den privaten Gerüchten um? Worauf Claudia Haider tapfer antwortete: Dem politischen Gegner ist wohl keine Lade zu tief und kein Aspekt zu unappetitlich. Ich sage dazu sicher nichts. Weil es mir ganz einfach zu blöd ist und ich unhaltbare Gerüchte nicht auch noch durch Kommentare aufwerten möchte. Die gute Frau übersieht dabei, daß Haider nicht vom politischen Gegner geoutet wurde.

Auch das FORMAT (# 21 vom 22. 5.) griff das Thema neuerlich auf. In einem Interview mit Elfriede Jelinek über ihr neues Theaterstück Das Lebewohl. Ein Haidermonolog wurde sie gefragt: Sie haben die FPÖ als homoerotischen Männerbund bezeichnet, womit Sie in Deutschland eine Homosexualitätsdebatte bezüglich Haider losgetreten haben. Ihre Antwort: Diese Frage interessiert mich nicht. Homoerotische Männerbünde praktizieren meist gar nicht Homosexualität, und zwar, um sie besser sublimieren zu können. Sie praktizieren die Verachtung der Frau, denn alle diese schlagenden Verbindungen, aus denen die FPÖ-Politiker kommen, zeichnen sich ja durch einen völligen Ausschluß der Frau aus. Das ist so ein aristokratisches Gehabe, daß man sich zu kostbar ist, um sich mit Frauen einzulassen, es ist sublimierte Homosexualität. Es geht mir überhaupt nicht um sexuelle Praktiken, weil die gehen mich nichts an, wobei es den Liberalen sowieso egal ist, wer wen vögelt. Wenn Haider homosexuell wäre, würden ihn die Liberalen schützen und nicht seine Leute.

Jelineks Analyse in diesem Interview und ihr Haider-Text sollten übrigens Pflichtlektüre für alle WiderständlerInnen sein. Der Haidermonolog wurde übrigens am 22. Juni im Rahmen der Donnerstagsdemo auf dem Wiener Ballhausplatz als Lesung aufgeführt. Der Schauspieler Martin Wuttke las das Stück, das er im Herbst auch am Berliner Ensemble inszenieren wird. In einem Bericht über die Ballhausplatz-Lesung in der Berliner Zeitung vom 24. Juni wird abermals Haiders Homosexualität und seine „lieben Knaben“ thematisiert.

 

Buberln beim Weitpinkeln

In profil (# 23 vom 5. 6.) nahm sich der deutsche Stardesigner Wolfgang Joop Haider und dessen Buberlpartie unter dem Aspekt „Mode, Macht & Psyche“ vor: Herr Haider ist die Verkörperlichung eines gesellschaftlichen Trends. Ich bin immer ganz dankbar, wenn es so eine Veranschaulichung gibt. Im Guten wie im Bösen. Er vertritt die Buberln, die sich zusammenrotten, weil sich Ängstlichkeit unter ihnen breitmacht. So einen Typus verkörpert auch euer Finanzminister. Der sieht ja richtig smart aus. Woher die Angst kommt? Zunehmend tritt die Flegelfrau oder Powerschlampe auf den Plan, die sich abends allein in der Hotelbar rücksichtslos einen Vertretertyp krallt. Das mobilisiert Unbehagen. In der Zusammenrottung können sich die Buberln geschützt beim Weitpinkeln beobachten. Aber insgeheim wissen die Männer natürlich über die wirklich großen Kräfte der Frauen Bescheid. Sie wußten es eigentlich schon immer. Deswegen hat die katholische Kirche im Mittelalter schon die Hexen verbrannt.

Hier trifft sich Joops Analyse mit der Jelineks. Allerdings meinte Joop im profil weiter: Was mich verständnislos gemacht hat, war Elfriede Jelineks Vorwurf an Haider, sich einer unterschwelligen Homoerotik zu bedienen. Machismus und Selbstverliebtheit ist nicht mit Homoerotik gleichzusetzen. Ganz abgesehen davon, daß es wegen eventueller Emotionalität nichts zu denunzieren gibt. Damit bedient sich Frau Jelinek der gleichen faschistoiden Methoden. Ist sich denn die Frau nicht klar darüber, daß die Homosexuellen im Dritten Reich das gleiche Schicksal wie die Juden und die Zigeuner erlitten haben? Nur hat es bis jetzt noch keiner der Mühe wert befunden, sich bei denen zu entschuldigen. Dieses Mißverständnis ist wohl mittlerweile durch Jelineks oben zitierte Aussagen im FORMAT ausgeräumt.

Finanzminister und ehemaliges Haider-Buberl Karl-Heinz Grasser kam übrigens auch in anderem Zusammenhang zu schwulen Ehren, und zwar bei Sigrid Neudecker in ihrer FORMAT-Kolumne Auf Abwegen in der # 24 vom 10. 6.

Zu jenen, die in jüngster Zeit zu Haiders Homosexualität Stellung genommen haben, zählen auch Claus Peymann und Hermes Phettberg. Peymann plauderte in der Berliner die tageszeitung vom 30. 5.: Haider sei harmlos gegen die Korruptionsaffäre von Kohl, Kiep und Kanther, er habe ihn in Wien immer wieder getroffen, mit seinem Knabenrudel um sich herum, aber ich möchte ihn nicht in bezug auf seine sexuelle Lebensführung diskriminieren. Obwohl man natürlich fragen kann, ob er sich das nicht gefallen lassen muß – wenn er bei anderen als Saubermann auftritt. Über dieses Interview berichteten auch die Austria-Presse-Agentur und der Standard.

Im FORMAT # 23 vom 5. 6. führten Sigrid Neudecker und Hermes Phettberg folgenden Interviewdialog: Was halten Sie von den Versuchen, Jörg Haider zu outen? – Die Not des Jörg Haider ist genau zu analysieren, weil er Österreich unreparierbar beschädigt hat. Es wäre eine große Anstrengung wert, herauszufinden, ob Jörg Haider schwul ist. – Aber er hat sich nie gegen Schwule geäußert. – Er diskriminiert Minderheiten. Und eine Minderheit zu diskriminieren heißt, alle Minderheiten zu diskriminieren. Solange diese Solidarität nicht da ist, haben sie nichts begriffen.

 

Mit dem Schwert des Islams

Anläßlich des spektakulären Besuchs Jörg Haiders bei Muhammar al-Gaddafi Anfang Mai in Libyen sollten sich dann die Medien noch in süffisanten Anspielungen auf die Beziehung Haiders zu Saif al-Islam („Schwert des Islam“) al-Gaddafi, dem ältesten Sohn des Revolutionsführers, ergehen. Diese Anspielungen sind ja nichts Neues (vgl. LN 2/1999, S. 8 f). Bereits am 28. Jänner 1999 hatte NEWS berichtet, daß Haider „seine Liebe“ und „Zuneigung zum Sohn des libyschen Diktators“ entdeckt hatte. Und am 4. August 1999 kommentierte ein Augenzeuge in der Leipziger Volkszeitung ein inniges Zusammentreffen von Jörg und Saif am Wörthersee mit den Worten: Die beiden haben sich gefunden. Und auch jetzt nach der Libyen-Reise wußte NEWS (#  21 vom 25. 5.) zu berichten, daß die beiden seit zwei Jahren eine „innige“ und „enge persönliche Freundschaft“ verbindet, und bezeichnete den Wüstensohn als „Haiders Intimfreund“, was der Kärntner Landeshauptmann bis heute nicht dementiert oder geklagt hat, obwohl er sonst wegen jeder trivialen Kleinigkeit gegen Journalisten und insbesondere NEWS gerichtlich vorgeht.

Die vielen Spekulationen um Haiders Libyen-Trip nahm übrigens OPUS LEI, die berüchtigte Outing-Gruppe, um die es in letzter Zeit ziemlich ruhig geworden war, am 28. Mai 2000 zum Anlaß, in einer Presseaussendung das Rätsel um Haiders geheimnisvolle Reise in die nordafrikanische Wüste zu lösen: Jörg Haider hielt bei Revolutionsführer Gaddafi um die Hand seines Sohnes Saif an, behauptete OPUS LEI, Outinggruppe Prälat Ungar – schwul/lesbische Initiative unter Berufung auf für gewöhnlich gut informierte Revolutionskreise in Tripolis. Voraussetzung für die Verbindung sei allerdings, daß Haider zum Islam konvertieren muß, der ja die Polygamie erlaubt. Haiders Zweitfrau Gerald Mikscha, so OPUS LEI, war bei der Reise nach Libyen mit von der Partie. Auch die Rolle des mitreisenden Bankiers Wolfgang Kulterer konnte geklärt werden: Da die als Mitgift gedachten 500 Kamele aus Gründen des Klimas und des Stopps der Überfremdung im Tierreich nicht im Kärntner Bärental angesiedelt werden können, wird die Überweisung ihres Gegenwerts in Geld über Kulterers Hypo-Bank abgewickelt, ätzte die Outinggruppe über Haiders Besuch beim präsumtiven Schwiegerpapa. Den genauen Trauungstermin konnte indes auch OPUS LEI nicht in Erfahrung bringen. Sowohl in Tripolis wie auch in Klagenfurt wird er wie ein Staatsgeheimnis gehütet. Er dürfte aber nicht zuletzt auch von Haiders Fortschritten beim Koranstudium abhängen.

Die Initiative OPUS LEI, die es sich neuerdings zur Aufgabe gemacht hat, die Homosexualität Jörg Haiders so lange öffentlich zu thematisieren, bis der menschenrechtswidrige § 209 StGB aufgehoben ist, meldete sich übrigens noch ein zweites Mal in einer Presseaussendung zu Wort. Am Tag vor der Regenbogenparade forderte OPUS LEI Landeshauptmann Jörg Haider öffentlich auf, endlich zu seinen homosexuellen Neigungen zu stehen: Wir verstehen natürlich, daß für eine Person wie Jörg Haider ein Outing nicht einfach ist, aber andererseits sind Erleichterung und Zufriedenheit die allgemeine und breite Erfahrung unter Lesben und Schwulen, die aus ihrem „Schrank herausgekommen“ sind. Die wenigsten bereuen diesen Schritt, meinte ein OPUS LEI-Sprecher. Da Haiders Homosexualität ohnehin ein offenes Geheimnis ist, drängt sich aber hier auch der Verdacht auf, daß sein Coming-out bisher an der persönlichen Feigheit des Kärntner Landeshauptmannes gescheitert ist. Daß gerade eine Person wie Jörg Haider sich als Homosexueller bekennt, wäre jedoch ein wichtiges Zeichen nicht nur an seine WählerInnen, sondern insbesondere an jene Teile der Bevölkerung, die dumpfe und zum Teil primitive Vorurteile gegen Homosexuelle hegen. Ein Coming-out Haiders wäre damit auch eine Art „Wiedergutmachung“ für die anti-homosexuellen Aktivitäten der FPÖ in der Vergangenheit. OPUS LEI forderte – leider vergeblich – Jörg Haider öffentlich auf, sich einen Ruck zu geben, die Heimlichtuerei endlich zu beenden und nicht zuletzt diesen wichtigen Akt der persönlichen Befreiung zu setzen: „Nutzen Sie, Herr Landeshauptmann, den morgigen Regenbogentag dazu – und Sie werden auch Ihre entschiedensten GegnerInnen durch ein solch mutiges Verhalten beeindrucken!“