Seite wählen
  1. Diverse LN-Beiträge
  2. Jörg Haider: Wird Kärnten noch wärmer?

Jörg Haider: Wird Kärnten noch wärmer?

Veröffentlicht am 13. April 1999
In der heißen Wahlkampfphase vor der Kärntner Landtagswahl am 7. März 1999 wurden die Anspielungen in den österreichischen Medien auf Jörg Haiders Beziehungen zu Männern immer deutlicher. Für die LN 2/1999 stellte ich eine erschöpfende Presseschau zusammen.

ÖVP-Inserat: Jörg Haider – ein Lügner und/oder Schwuler?

In der heißen Wahlkampfphase für die Kärntner Landtagswahlen häuften sich in der Fellner-Presse die Anspielungen auf Jörg Haiders Faible für fesche junge Männer. Nach Haiders Wahltriumph machte NEWS die Sache durch eine seltene Homestory aus dem Eheleben des FPÖ-Chefs wieder gut.

Schon in der Ausgabe # 4 vom 28. Jänner 1999 brachte NEWS in seiner top secret-Rubrik unter dem süffisanten Titel „Haider: Liebe zu Gaddafi entdeckt“ eine eindeutig zweideutige Kurzmeldung über die Freundschaft zwischen dem in Wien studierenden Sohn des libyschen Revolutionsführers Muammar al-Gaddafi und dem Bärentaler: FPÖ-Chef Jörg Haider hat seine Zuneigung zum Sohn des libyschen Diktators Gaddafi entdeckt. Zeigte er sich mit dem in Österreich studierenden Wüstensohn schon am Rande des Hahnenkamm-Rennens im selben Hotel, will das Duo nun auch auf der Klagenfurter Redoute glänzen.

Nicht minder süffisant der Bildtext weiter hinten im Blatt zu einem Photo, das Saif Gaddafi und Jörg Haider nebeneinander auf der Tribüne beim Hahnenkammrennen in Kitzbühel zeigt. Wie man sieht, ist Saif ziemlich fesch, sieht fast aus wie ein Schwuler aus dem „Katalog“. NEWS überlieferte später allerdings nicht, ob Saif und Jörg beim Faschingsball der FPÖ das Tanzbein miteinander schwangen.

Am 1. Februar ging die montägliche NEWS-Schwester FORMAT der Sache näher auf den Grund. In seiner Rubrik Nachgefragt wollte das Magazin wissen, wo Haider den Wüstensohn kennengelernt habe, worauf dieser gestand: Ich habe ihn schon vor geraumer Zeit in Wien bei einer Einladung kennengelernt. Er ist ein lieber, netter Kerl. Wir verstehen uns gut, gehen ab und zu miteinander fort oder machen sonst etwas. Sehr verräterisch! – Wenn man nicht miteinander fortgeht, sondern „sonst etwas“ macht, kann das wohl nur zu Hause in den vier Wänden sein. Und was das wohl ist?

Der Fellnerschen Haidererwärmung kam dann ausgerechnet ein Wahlkampfinserat der ÖVP zupaß. In seiner Ausgabe # 5 vom 4. Februar 1999 berichtete NEWS über die Irritationen, die ein Inserat der ÖVP in Kärnten ausgelöst hatte: Es zeigt Haider mit einer Lügnernase à la Pinocchio, wobei jedoch das „P“ in Pinocchio durch das F-Logo der FPÖ ersetzt wurde, wodurch das Wort „Finocchio“ entstand (siehe Faksimile) – bei Kärntens südlichen Nachbarn ein umgangssprachlicher Ausdruck für „Schwuler“ bzw. „Schwuchtel“. Auch das Ö1-Mittagsjournal erwähnte die Affäre in einem Beitrag am 4. 2. 1999.

Die HOSI Wien kritisierte diese „sexuelle Denunziation“ durch die ÖVP in einer Presseaussendung am 8. Februar 1999 als „Tiefpunkt politischer Kultur“ und versuchte, den Unterschied zwischen eben einer „sexuellen Denunziation“ und einem „Outing“ herauszuarbeiten. Leider haben das einige nicht verstanden. So titelte FORMAT, das in seiner Ausgabe # 8 vom 22. 2. 1999 die HOSI-Wien-Aussendung prominent aufgriff: Schwule: Rückendeckung für „Finocchio“ Haider. Auch wenn „Rückendeckung“ in diesem Zusammenhang ein apartes Wort ist, auf das man offenbar nicht leicht verzichten wollte, trifft diese Überschrift die Position der HOSI Wien nicht wirklich. FORMAT wies im übrigen auch auf den Artikel Ist Jörg Haider schwul? in den LN 1/1992 (S. 29 f) hin, in dem wir diese Frage für uns schon damals mit Ja beantworteten. Die Presseaussendung der HOSI Wien wurde im übrigen in vollem Wortlaut in der Volksstimme # 6 vom 11. Februar 1999 abgedruckt. Auch einige deutsche Schwulenmagazine griffen die Aussendung auf. Durch Veröffentlichung von Leserbriefen vom Autor dieser Zeilen in NEWS # 6 vom 11. 2. 1999 und von GEORG STERN von Re’uth, der Vereinigung jüdischer Homosexueller, in NEWS eine Woche später wurde die Sache noch ein bißchen warmgehalten.

Christa Zöchling sprach Haider in einem profil-Interview (# 7 vom 15. 2. 1999) auf die Sache an: Wie geht’s Ihnen mit der Schwulen-Anspielung auf den ÖVP-Plakaten? Haider – „souverän“ wie immer: Entschuldigt hat sich Christof Zernatto nicht bei mir. Das ist im Wahlkampf wohl nicht drinnen. Gut getan hat’s der ÖVP aber auch nicht. Denn wenn wir so anfangen, dann gute Nacht.

Überhaupt hat Haider in dieser Sache – das muß ihm der Neid wieder lassen – abermals seinen ausgeprägten Instinkt bewiesen und – anders als andere Leute vor ihm in ähnlicher Situation, etwa der frühere Unterrichtsminister Rudolf Scholten – eine unangreifbare Reaktion gezeigt. Er ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, feuerte keine heftigen Dementis ab, die ihn nur noch verdächtiger gemacht hätten und die natürlich automatisch auch homophob gewesen wären (man distanziert sich ja nur von etwas, was man ablehnt). Äußerst geschickt ist er ja, das kann man Haider nicht absprechen. Leider wurde die Affäre nicht breit genug diskutiert, als daß sich jetzt aus dem Wahlverhalten der KärntnerInnen der Rückschluß ziehen ließe, daß heutzutage sogar der Stammtisch einem populären bzw. populistischen Politiker die Homosexualität nachsehen würde.

Nach dem Triumph in Kärnten fand es NEWS offenbar für opportun, eine dreiseitige Homestory über das Familienleben Haiders ins Blatt zu rücken (# 10 vom 11. März 1999). Wiedergutmachung? Anbiederung? Zufall? Jedenfalls kam Gattin Claudia ausführlich zu Wort. Den Autor dieser Zeilen hat das Ganze dennoch nicht überzeugt – ich halte Haider mehr denn je für schwul, und das nicht nur latent!

 

Anmerkung:

Finocchio, ital. eigentlich „Fenchel“: Im Mittelalter wurden Sodomiten verbrannt. Um den Gestank zu mildern, wurden Fenchelsamen in die Scheiterhaufen gestreut.

 

Nachträgliche Anmerkung:

Eine ähnliche Etymologie besteht übrigens auch bei fag(g)ot (Kurzform fag), einem englischen Slangwort für „Schwuler“. Ursprünglich bezeichnet faggot einerseits Fleischlaberl und andererseits Bündel aus Reisig bzw. Holzscheiten – wie man sie zum Errichten von Scheiterhaufen verwendete. Das Wort stammt übrigens vom lateinischen fascis (Bündel) ab, von dem sich auch die Bezeichnung „Faschismus“ ableitet.