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Eduard Stapel 1953–2017

Veröffentlicht am 15. September 2017
Im 3. September 2017 starb der deutsche Schwulenaktivist Eduard Stapel. Er war Mitbegründer der Bewegung in der DDR in den 1980er Jahren, und in dieser Zeit bestanden auch Kontakte zwischen ihm und der HOSI Wien. Nach der deutschen Wiedervereinigung war er maßgeblich an der Gründung des Lesben- und Schwulenverbands in Deutschland (LSVD) beteiligt. In den LN 4/2017 erschien mein Nachruf auf diesen großen Bürgerrechtler.

Eduard Stapel

Als „großen Bürgerrechtler“ würdigte der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) den am 3. September im Alter von 64 Jahren verstorbenen Eduard Stapel in einem Nachruf. Und in der Tat: Stapel hat in seinem mehr als 30 Jahre währenden Engagement nicht nur die Schwulenbewegung in der DDR mitbegründet, sondern nach der Wende als treibende Kraft den Grundstein für den LSVD gelegt, der im Februar 1990 in Leipzig als „Schwulenverband in der DDR (SVD)“ aus der Taufe gehoben wurde (vier Monate später wurde er in „Schwulenverband in Deutschland“ umbenannt, 1999 kamen die Lesben hinzu). Stapel war der erste Bundesgeschäftsführer und Sprecher des Verbands.

Stapel war Journalist und Theologe und baute ab 1982 im Rahmen der evangelischen Kirche federführend die DDR-Schwulenbewegung auf – „als kirchliche Schwulenarbeit“ und nicht bloß „unter dem Dach der Kirche“, was Stapel immer zu betonen wichtig war. In jenem Jahr war er Mitbegründer des Arbeitskreises Homosexualität der Evangelischen Studentengemeinde Leipzig. 1983 gründete er den Arbeitskreis Homosexualität Magdeburg (vgl. LN 1/1984, S. 32 f). Ab 1985 war er Angestellter für Schwulen-Arbeit bei der Evangelischen Stadtmission Magdeburg. Pfarrer durfte der offen schwule Theologe Stapel allerdings nicht werden. Seine Kirche hatte ihm stets die Ordination verweigert (vgl. LN 1/1985, S. 39 f). Von Magdeburg aus gelang Stapel der Aufbau weiterer Gruppen. Am Ende der DDR gab es in 21 Städten Arbeitskreise. Es war eine republikweite Bewegung für Emanzipation und Bürgerrechte entstanden. Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS), vulgo Stasi, sah in seiner Arbeit eine „feindliche Zielstellung“. Etwa 50 hauptamtliche und 200 inoffizielle Stasi-Spitzel waren auf die Arbeitskreise Homosexualität angesetzt. Aber Stapel war stets ein Kämpfer und ließ sich nicht unterkriegen. Er stellte sich mutig dem Kampf gegen das Regime, genauso wie er sich schon als junger Mann schweren Erkrankungen stellen musste.

Nach der Gründung des SVD suchte und fand Stapel erfolgreich Mitstreiter im Westen, die sich dem jungen Verband anschlossen. Bis 2006 war er im Bundesvorstand aktiv, hat sich für gleiche Rechte, für die Bewahrung der demokratischen Impulse von 1989 und für eine konsequente Menschenrechtspolitik eingesetzt: hartnäckig, beharrlich, immer auf die Kraft des Arguments setzend. Nachdem er sich aus gesundheitlichen Gründen aus dem Bundesvorstand zurückziehen musste, wurde er zum Ehrenvorsitzenden des LSVD gewählt.

1996 wurde Stapel die Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland durch Bundespräsident Roman Herzog verliehen, 2003 erhielt er den Zivilcouragepreis des CSD Berlin für seine Leistungen beim Aufbau einer bürgerrechtsorientierten Lesben- und Schwulenbewegung in der DDR.

Nach seinem Rückzug aus der Bundespolitik hat sich Stapel vor allem auf kommunaler Ebene in seinem Heimatort Bismark in der Altmark weiter für Demokratie engagiert.

Es war eine glückliche Fügung des Schicksals, dass Stapel noch den Beschluss des Bundestags zur Eheöffnung für gleichgeschlechtliche Paare miterleben konnte (vgl. LN 3/2017, S. 24 ff). In der Parlamentsdebatte am 30. Juni 2017 wurde er namentlich als eine jener Persönlichkeiten gewürdigt, die die Öffnung der Ehe vor drei Jahrzehnten angeschoben und am Ende auch durchkämpft haben. Schon schwer krank und geschwächt hat er noch in seinen letzten Lebenswochen der Presse Interviews gegeben und dabei betont, dass damit jedoch der Kampf für Bürgerrechte und Akzeptanz noch lange nicht zu Ende ist.

 

Stapels Verbindung zur HOSI Wien

Zwischen HOSI Wien und Eddy Stapel gab es vor allem in den 1980ern einen engen Austausch, da die HOSI Wien von 1982 bis 1990 den sogenannten Eastern European Information Pool (EEIP) für den internationalen Lesben- und Schwulenverband (ILGA) betreute und dadurch über viele Kontakte zu AktivistInnen und Gruppen in den damaligen Ostblockländern verfügte. Ab 1983 berichteten die LAMBDA-Nachrichten regelmäßig über die Entwicklung der Schwulen- und Lesbenbewegung in der DDR.

Als die HOSI Wien die Herausgabe ihres ersten Buches – Rosa Liebe unterm roten Stern. Zur Lage der Lesben und Schwulen in Osteuropa – vorbereitete, reiste der Autor dieser Zeilen im Juli 1984 zu einem zweitägigen konspirativen Treffen mit Eddy nach Prag, was dem dortigen Geheimdienst und der Stasi auch nicht entging. Eddy wurde später verdächtigt, am Buch redaktionell mitgearbeitet zu haben; eine Dresdner Literaturwissenschaftlerin wurde von der Stasi extra bemüht, den DDR-Teil daraufhin zu untersuchen, und diese schrieb die Verfasserschaft des DDR-Teils – zu Unrecht – Stapel zu. Allerdings überließ Stapel 1987 den LN zum Abdruck die unzensurierte Fassung seines Beitrags für einen DDR-Tagungsband „zur psychosozialen Situation der Schwulen in der DDR“ (LN 4/1987, S. 39 ff).

Nach der Wende ackerte sich Eddy durch tausende Seiten seines Stasi-Aktes und fasste seine Erkenntnisse daraus in einem 140 Seiten starken Bändchen zusammen: Warme Brüder gegen Kalte Krieger. Schwulenbewegung in der DDR im Visier der Staatssicherheit (Magdeburg 1999). Einen ausführlichen Beitrag darüber veröffentlichte er dann in den LN 1/2001 (S. 33 ff), wobei es auch um die Erfassung der Kontakte zur HOSI Wien ging. Über diese Stasi-Überwachungsakten hatten die LN bereits in der Ausgabe 1/1994 (S. 61 f) berichtet und aus den relevanten Akten zitiert.

„Mit Eddy Stapel verliert nicht nur der LSVD, sondern auch die schwul-lesbische Emanzipationsbewegung und deutsche Bürgerrechtspolitik eine prägende Persönlichkeit, die viel für unsere Demokratie geleistet hat“, schreibt der LSVD in seinem Nachruf. Dem können wir uns nur anschließen.