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Nach der universellen Menschenrechtsprüfung: Österreich muss seine Hausaufgaben machen

Veröffentlicht am 4. März 2011
Da die HOSI Wien mit ihren Forderungen bei der ÖVP ständig auf Granit biß, wandte sie sich regelmäßig an internationale Organisationen, um auf die Menschenrechtsverletzungen an Lesben und Schwulen in Österreich aufmerksam zu machen. Im Jänner 2011 musste sich Österreich dafür im Rahmen der „periodischen universellen Menschenrechtsüberprüfung“ durch den UNO-Menschenrechtsrat in Genf rechtfertigen. Ich berichtete darüber in den LN 1/2011.

Im Palais des Nations in Genf musste sich Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) für Österreichs Versäumnisse in Sachen Menschenrechtsschutz rechtfertigen.

Die HOSI Wien erlangte erst 2013 beratenden Status beim ECOSOC der UNO. Deshalb akkreditierte ich mich als ILGA-Vertreter (interessanterweise stand auf dem Namensschild „International Lesbian and Gay Federation").

Nach der am 26. Jänner 2011 stattgefundenen periodischen universellen Menschenrechtsüberprüfung (UPR) Österreichs durch den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen müsse Österreich auch im schwul-lesbischen Bereich seine Hausaufgaben erledigen, erklärte der Autor dieser Zeilen, der als NGO-Vertreter die Präsentation des österreichischen Staatenberichts durch Außenminister Michael Spindelegger und den anschließenden interaktiven Dialog der StaatenvertreterInnen vor Ort im Genfer Palais des Nations mitverfolgt hatte, in einer Aussendung der HOSI Wien am Tag danach:

Denn auch drei für Lesben, Schwule und Transgenderpersonen relevante Themen wurden von den VertreterInnen der anderen Staaten angesprochen. Insgesamt wurden 161 Empfehlungen abgegeben, wovon 97 von Österreich sofort angenommen wurden und zehn auf der Stelle von Spindelegger zurückgewiesen wurden. Allerdings täuschen diese Zahlen, weil viele Empfehlungen redundant sind und entweder ähnlich oder sogar gleichlautend abgegeben wurden. Bereinigt man die Empfehlungen in diesem Sinne, bleiben etwa nur zwei sofort abgelehnte Empfehlungen übrig. So wurde der Beitritt zum Internationalen Übereinkommen zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen (ICMW) gleich von neun Staaten angeregt. Aber hier sind sich etwa die EU-Mitgliedsstaaten ausnahmsweise einmal einig, sie wollen diesem Übereinkommen nicht beitreten, wobei Österreich behauptet, inhaltlich das Übereinkommen ohnehin zu erfüllen.

Und so bleibt als einzig weitere sofort zurückgewiesene Empfehlung jene des Vereinigten Königreichs, die fehlende Adoptionsmöglichkeit und den fehlenden Zugang zur Fortpflanzungsmedizin für eingetragene PartnerInnen zu beseitigen. Die Niederlande erwähnten dieses Manko ebenfalls, gaben dazu aber keine ausdrückliche Empfehlung ab. Spindelegger erklärte in seiner Erwiderung, es bestehe kein gesellschaftlicher Konsens für eine Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare, in absehbarer Zeit sei daher mit keiner Lösung dieser gesellschaftspolitischen Frage zu rechnen.

Am häufigsten wurde in Sachen LSBT-Menschenrechte indes die Hierarchie beim Schutz vor Diskriminierung kritisiert, die leider auch durch die erst eine Woche zuvor vom Nationalrat beschlossene Novelle des Gleichbehandlungsgesetzes weiter einzementiert wurde (vgl. Beitrag ab S. 22). So wurde eine „Harmonisierung“ der Antidiskriminierungsbestimmungen vom Vereinigten Königreich, von Indien, der Islamischen Republik Iran, Kanada und Norwegen eingemahnt, wobei Kanada ausdrücklich die Diskriminierungsgründe „sexuelle Orientierung“ und „Geschlechtsidentität“ als Beispiel für die menschenrechtswidrige Ungleichbehandlung beim Diskriminierungsschutz anführte. Diese Kritik hätte sich Österreich ersparen können, hätte das Parlament den Regierungsentwurf für die Novelle des Gleichbehandlungsgesetzes unverändert beschlossen. Spindelegger ging in seinen Antworten vor Ort in Genf wohlweislich auf diese Kritik gar nicht erst ein.

 

Nationalrat als Menschenrechtsbremse

Spanien wiederum kritisierte den mangelhaften Schutz vor Hassverbrechen und forderte die Berücksichtigung von sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität beim Tatbestand der Verhetzung. Auch hier liegt bereits seit April 2010 eine Regierungsvorlage im österreichischen Parlament (vgl. zuletzt LN 4/2010, S. 21). Der Nationalrat erweist sich immer mehr als Bremse bei der Umsetzung voller Menschenrechte. Die HOSI Wien forderte daher in ihrer Aussendung insbesondere die Abgeordneten der Regierungsparteien auf, die entsprechende Reform des Verhetzungsparagraphen (§ 283 StGB) zu beschließen sowie die am 20. Jänner nicht umgesetzte Harmonisierung des Gleichbehandlungsrechts schnellstmöglich nachzuholen. Es wird ihnen ohnehin nicht erspart bleiben, sie können die Durchsetzung voller Menschenrechte nur verzögern, aber nicht verhindern – auf jeden Fall könnten sie sich dadurch in Zukunft Peinlichkeiten wie am 26. Jänner in Genf ersparen.

Was die offenen Fragen betrifft, wird Österreich nach Erörterung der einzelnen Fragen in den zuständigen Ministerien im Juni 2011 vor dem UNO-Menschenrechtsrat endgültig Stellung beziehen. Hier besteht ein wichtiges Lobbying-Moment für Nichtregierungsorganisationen. Sie können hier ansetzen und ihre Forderungen umzusetzen versuchen. Bundeskanzleramt und Außenministerium haben am 17. Februar 2011 in diesem Zusammenhang auch eine erste diesbezügliche Informationsveranstaltung für interessierte Behörden- und NGO-VertreterInnen durchgeführt, an der auch der Autor dieser Zeilen teilnahm.