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Novelle des Gleichbehandlungsgesetzes: ÖVP gegen Menschenrechte

Veröffentlicht am 4. März 2011
Im Jänner 2011 stand das sogenannte „Levelling-up“ (die Angleichung des Schutzniveaus im Gleichbehandlungsrecht für alle Diskriminierungsgründe), auf der Tagesordnung des Parlaments. Ihm lag ein bereits vom Ministerrat (der großen rot-schwarzen Koalition) abgesegneter Regierungsentwurf vor. Der ÖVP-Klub verweigerte die Unterstützung, ein fast unerhörter Vorgang damals. Ich berichtete in den LN 1/2011. Zwei weitere Vorstöße sollten später ebenfalls an der ÖVP scheitern – siehe Blog-Beitrag hier.

10. Jänner 2011: Pressekonferenz des Klagsverbands zur Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern (KlaV) zehn Tage vor der Verabschiedung einer Novelle zum Gleichbehandlungsgesetz durch den Nationalrat. Einmal mehr ist das sogenannte Levelling-up darin nicht vorgesehen. Am Podium: Daniela Almer, Volker Frey (beide KlaV), Kurt Krickler (HOSI Wien) und Barbara Liegl von ZARA (Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit).

Am 20. Jänner 2011 hat der Nationalrat schließlich die schon länger geplante Novelle zum Gleichbehandlungsgesetz beschlossen (vgl. zuletzt LN 4/2010, S. 18 f) – allerdings in einer ziemlich missglückten Form. Dem ÖVP-Klub im Nationalrat ist es – wie bereits in der letzten LN-Ausgabe (5/2010 – Kasten auf S. 15) angedeutet –, tatsächlich gelungen, einen wichtigen Punkt aus der von den Regierungsparteien gemeinsam beschlossenen Vorlage zu kippen: Das darin vorgesehene Levelling-up, also die Angleichung des unterschiedlichen Diskriminierungsschutzes für die verschiedenen Gruppen, wurde im Parlament durch einen Abänderungsantrag eliminiert. Konkret ging es um die Ausweitung des Schutzes vor Diskriminierung beim Zugang zu Waren und Dienstleistungen, wie er bereits für ethnische Herkunft, Geschlecht und Behinderung besteht, auf die Merkmale Alter, Religion und sexuelle Orientierung.

Zuvor hatte speziell die Tageszeitung Die Presse gegen eine solche Angleichung mit haarsträubenden Argumenten eine veritable Hetzkampagne geführt, die am 7. Dezember einen derart unerträglichen Höhepunkt erreichte, dass sich die HOSI Wien gezwungen sah, am selben Tag mit einer Medienaussendung zu reagieren: „Es ist höchste Zeit, die bestehende Hierarchie beim gesetzlichen Schutz vor Diskriminierung in Österreich zu beseitigen“, erklärte Obmann CHRISTIAN HÖGL. „Die derzeitige Situation, dass ausgerechnet beim Schutz vor Diskriminierung diskriminiert wird, ist nicht nur absurd, sondern auch nicht hinnehmbar.“

Wir verwehrten uns gegen die primitive Polemik der Presse. Damit werde versucht, wichtige gesetzliche Maßnahmen zur Bekämpfung von Diskriminierung zu diskreditieren. Es sei wirklich ärgerlich, dass hier mit hanebüchenen und inhaltlich falschen Beispielen Stimmung gemacht werde: „Die geplanten gesetzlichen Regelungen haben sich nicht nur in Österreich für das Merkmal ‚ethnische Zugehörigkeit‘ bewährt, sondern in vielen anderen Ländern auch für andere Merkmale, wie etwa ‚sexuelle Orientierung‘. Auch das Argument, es gebe gar keine EU-Vorgabe, ist abstrus“, betonte Högl weiter.

 

Lobbying

Rund um den Jahreswechsel versuchten wir, bei den im Gleichbehandlungsausschuss federführend verantwortlichen Abgeordneten von SPÖ und ÖVP entsprechendes Lobbying zu betreiben, damit die Novelle in der Fassung der Regierungsvorlage verabschiedet werde. Während die SPÖ – die HOSI Wien war in telefonischem Kontakt mit Ausschussvorsitzender Gisela Wurm – dies gerne getan hätte, war die ÖVP selbst mit dem offensichtlichen und massiven Menschenrechtsaspekt nicht zu überzeugen. Die stellvertretende Ausschussvorsitzende Dorothea Schittenhelm von der ÖVP hatte am 8. Dezember in der Kleinen Zeitung gemeint, dieses sogenannte Levelling-up komme nicht infrage: „Wir verhandeln nicht einmal darüber.“ Zu einem Gespräch mit der HOSI Wien war sie nicht bereit, die zuständigen FachmitarbeiterInnen des ÖVP-Klubs glänzten durch erschreckende Unkenntnis der Materie, insbesondere des erwähnten menschenrechtlichen Aspekts, sollten aber zwei Wochen später durch den UNO-Menschenrechtsrat aber prompt eines besseren belehrt werden (siehe später).

Die SPÖ befand sich in ihrem klassischen Dilemma, die Situation erinnerte einmal mehr an das Gesetz über die eingetragene Partnerschaft: Gegen die ÖVP kann die SPÖ nichts durchsetzen, diese sitzt am längeren Ast. Denn ohne ÖVP und FPÖ gibt es keine Mehrheit im Parlament. Die ÖVP bestimmt letztlich, ob und was beschlossen wird. Die SPÖ wollte jedoch unbedingt die gesetzlichen Regelungen zur Einkommenstransparenz, die in der Novelle vorgesehen sind, durchsetzen. Hätte sie auf der Erweiterung des Diskriminierungsschutzes bestanden, hätte die ÖVP wohl die gesamte Novelle scheitern lassen, hat sie doch ohnehin mit Frauengleichstellungsanliegen generell wenig am Hut.

Der Klagsverband zur Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern (KlaV) wollte sich mit einer verhatschten Novelle ebenfalls nicht abfinden und hielt am 10. Jänner 2011, drei Tage vor der Behandlung der Novelle im Gleichbehandlungsausschuss, eine Pressekonferenz im Café Griensteidl ab, an der Volker Frey für den Klagsverband, Barbara Liegl für ZARA (Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit) sowie der Autor dieser Zeilen für die HOSI Wien sprachen. Alle drei appellierten an den Nationalrat und insbesondere die ÖVP, gleichen Schutz vor Diskriminierung aufgrund aller Merkmale zu garantieren.

„Die Argumente der GegnerInnen eines einheitlichen Schutzniveaus für alle Diskriminierungsmerkmale sind abstrus und hanebüchen“, kritisierte ich bei dieser Gelegenheit. „Jetzt wäre es wichtig, dass die ÖVP von der Wirtschaft und ihren VertreterInnen zum Umdenken bewegt wird – immerhin hat die Wirtschaftskammer die Regierungsvorlage als akzeptabel bezeichnet –, damit sie bei ihren eigenen Bemühungen in den Bereichen Diversity Management und gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen (‚Corporate Social Responsibility‘) glaubwürdig bleiben.“

Die Angleichung des Diskriminierungsschutzes stelle kein juristisches Neuland dar: „Es ist daher überhaupt nicht erklärbar, warum etwas, was sich in Österreich für ethnische Herkunft, Geschlecht oder Behinderung bewährt hat, plötzlich für Alter, Religion oder sexuelle Orientierung unüberwindbare Probleme schaffen sollte. Außerdem beweisen viele EU-Staaten, dass einheitlicher Schutz vor Diskriminierung sehr wohl möglich ist und funktioniert – etwa Belgien, Bulgarien, Deutschland, Estland, Irland, Großbritannien, Litauen, Luxemburg, Niederlande, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Spanien und Ungarn.“ Und selbst in Österreich sehen außer in Niederösterreich alle Landesgesetze einheitlichen Schutz vor. Wenn beispielsweise „Wiener Wohnen“ jetzt schon verpflichtet ist, niemanden wegen der sexuellen Orientierung beim Zugang zu Wohnraum zu diskriminieren, könne man ja wohl auch private Hausverwaltungen und Hausherren gesetzlich dazu verpflichten.

Zusätzlich schickte die HOSI Wien eine Medienaussendung an diesem Tag aus: „Gleicher gesetzlicher Schutz vor Diskriminierung ist keine abwegige Luxusforderung, sondern eine menschenrechtliche Verpflichtung, etwa aufgrund der UNO-Menschenrechtskonvention, die Österreich ja ratifiziert hat und daher respektieren sollte“, erklärte HOSI-Wien-Obmann Christian Högl und verwies auf Artikel 26 dieser Konvention, der keinerlei Interpretationsspielraum offenlässt: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich und haben ohne Diskriminierung Anspruch auf gleichen Schutz durch das Gesetz. In dieser Hinsicht hat das Gesetz jede Diskriminierung zu verbieten und allen Menschen gegen jede Diskriminierung (…) gleichen und wirksamen Schutz zu gewährleisten.“

Aus genau diesem Grund hat ja der zuständige UNO-Menschenrechtsausschuss, wie schon mehrfach in den LN berichtet, die bestehende Hierarchie beim Schutz vor Diskriminierung anlässlich der letzten periodischen Überprüfung der Lage der Menschenrechte in Österreich im Oktober 2007 kritisiert, als er „mit Besorgnis“ feststellte, „dass der Schutz vor Diskriminierung aufgrund von Alter, Religion und sexueller Orientierung nach dem Gleichbehandlungsgesetz lediglich auf Beschäftigung und Beruf beschränkt ist“, und entsprechende Abhilfe einforderte.

 

Blamage für Außenminister Spindelegger

„Der ÖVP-Klub fällt mit seiner Haltung nicht zuletzt ÖVP-Außenminister Michael Spindelegger in den Rücken und blamiert ihn auf internationaler Ebene“, betonte ich bei dieser Gelegenheit. „Denn Ende Jänner 2011 steht auch die periodische universelle Menschenrechtsüberprüfung Österreichs durch den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen in Genf an. Im Staatenbericht Österreichs hat die Bundesregierung noch eine Harmonisierung des Schutzniveaus angekündigt (Rundnummer 48). Wenn es nach dem ÖVP-Klub geht, wird aber daraus nichts – und Österreich wäre dann wohl in Erklärungsnotstand, warum es der Aufforderung der UNO, die Menschenrechtskonvention zu achten, auch nach drei Jahren immer noch nicht nachgekommen ist.“

Doch all das sollte nichts fruchten. Die ÖVP blieb spur, der Nationalrat beschloss am 20. Jänner die missglückte menschenrechtswidrige Novelle, und Österreich musste sich folglich eine Woche später – wie leicht vorauszusehen war – in Genf beim UNO-Menschenrechtsrat Kritik wegen des fehlenden einheitlichen Schutzniveaus für alle Diskriminierungskategorien gefallen lassen (siehe dazu auch Beitrag auf S. 24).

Es ist eine lächerliche und läppische Vorstellung, wenn die ÖVP glaubt, jetzt in dieser Sache Ruhe zu haben. Weit gefehlt: Der Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen an Lesben und Schwulen wird natürlich weitergehen – da werden wir sicherlich keine Ruhe geben – da kann die ÖVP Gift darauf nehmen. Und am Ende des Tages wird sie sich auch in dieser Frage (wie beim § 209 StGB oder bei der eingetragenen Partnerschaft oder beim Opferfürsorgegesetz) fügen müssen. Unverständlich, wozu ihr hinhaltender, letztlich zweckloser Widerstand gut sein soll – außer zur masochistischen Selbstbeschädigung!