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Russland: 6. Pride-Versuch in Moskau gescheitert

Veröffentlicht am 14. Juli 2011
Auch der 6. Versuch, eine Pride-Demo in Moskau abzuhalten, scheiterte im Mai 2011 genauso wie die fünf Versuche in den Jahren davor. Mittlerweile zählen diese Versuche zur Folklore, werden dadurch aber immer fragwürdiger und auch kontraproduktiv. Die OrganisatorInnen, allen voran NIKOLAJ ALEKSEJEW, isolieren sich damit auch immer mehr innerhalb der russischen LSBT-Bewegung, wie ich in den LN 3/2011 berichtete.

Moskau 2011 wie alle Jahre wieder: Kaum taucht ein Regenbogenfähnchen oder ein Spruchtäfelchen auf, werden die AktivistInnen von rechtsextremen GegnerInnen innerhalb von Sekunden zu Boden gerungen und danach von der Polizei abgeführt – von PassantInnen ignoriert oder gar nicht bemerkt.

Gibt es da etwas zu filmen oder zu fotografieren?

„Drôle de manif" auf dem Twerskaja-Platz vis-à-vis des Rathauses mit der riesigen Reiterstatue des Stadtgründers Jurij Dolgorukij: Der Demo-„Krieg" ist erklärt, aber rein gar nichts passiert.

Schon zum sechsten Mal versuchten NIKOLAJ ALEKSEJEW und seine Getreuen, der Moskowiter Obrigkeit zu trotzen und eine Pride-Parade zu veranstalten. Nach dem Bürgermeisterwechsel änderte sich aber auch heuer nichts: Die Veranstaltung wurde untersagt, und so bot sich am 28. Mai 2011 dasselbe Bild wie in den vergangenen fünf Jahren: Zum angegebenen Zeit- und Treffpunkt (diesmal wieder in unmittelbarer Nähe des Kreml und des Roten Platzes sowie eine halbe Stunde später am Platz vis-à-vis des Moskauer Rathauses) versammelten sich Ordnungshüter, JournalistInnen und rechtsextreme GegnerInnen der „Parade“, um auf die AktivistInnen zu warten.

Das Szenario entwickelt sich dann jedes Mal skurril und surreal: Kaum taucht ein/e Aktivist/in – meist vereinzelt – mit einem Regenbogenfähnchen oder einem Spruchtäfelchen – meist ohnehin nur ein A4-Blatt – auf, wird er oder sie von den rechtsextremen GegnerInnen, die völlig offen gemeinsame Sache mit der Polizei machen oder auch Polizisten in Zivil sind, innerhalb von Sekunden zu Boden gerungen und danach von uniformierten Ordnungskräften abgeführt und in Arrestantenwagen verfrachtet, noch bevor sich die Medienmeute mit ihren Kameras auf das Geschehen stürzen kann. Dazwischen schlendern Einheimische und TouristInnen über den Platz, wundern sich kurz über den Tumult, der für ein paar Sekunden entsteht, und über die vielen TV- und Fotokameras, um dann auch gleich weiterzugehen, ohne zu wissen, was hier vorgefallen ist, und ohne auch sich wirklich Gedanken darüber zu machen.

Inzwischen hinterfragen auch die wohlwollendsten SympathisantInnen von Aleksejew die Sinnhaftigkeit dieses jährlichen Geplänkels mit der Polizei und den Ultrarechten. Es ist unproduktiv und nützt der Sache kaum. Aleksejew und seine MitstreiterInnen isolieren sich damit auch immer mehr innerhalb der russischen LSBT-Bewegung, denn immerhin gelingt es anderswo durchaus, öffentliche Veranstaltungen durchzuführen. Außerdem ist fraglich, ob bei einer genehmigten Kundgebung mehr als ein paar Dutzend Leute mitgehen würden. Ganz anders als bei abendlichen Vergnügungsveranstaltungen. Um etwa zum angesagten Moskauer Schwulenclubbing Tsentralnaja Stantsija (Central Station) eingelassen zu werden, stellen sich Schwule und Lesben zu Tausenden an. Die Schlange reicht da oft um mehrere Blocks. Von soviel Engagement kann die Bewegung nur träumen.

Moskau war leider nicht der einzige Ort, wo es dieses Jahr wieder zu Gewalttätigkeiten bei CSD-Paraden kam. Am 11. Juni wurden in Split ein paar hundert TeilnehmerInnen der ersten Parade in der kroatischen Hafenstadt von tausenden gewaltbereiten GegnerInnen bedroht und zum Teil angegriffen (vgl. auch ULRIKEs Kolumne auf S. 37). Eine Woche später war dann Budapest der Hot Spot (siehe ausführlichen Bericht ab S. 34).