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Die ÖVP muss weg, die x-te!

Erschienen am 14. Juli 2017

Kurz sah es so aus, als ob die ÖVP tatsächlich die Oberhand gewinnen könnte mit ihrem neuen Partei-, äh Bewegungsobmann. Er wurde ja auch ordentlich gehypt von Österreichs Boulevardblättern. Die Kronen-Zeitung hat ja einen Narren an Sebastian Kurz gefressen, wie seinerzeit an Jörg Haider und Karl-Heinz Grasser – ebenfalls der Traum aller potentiellen Schwiegermütter. Und was ist aus ihnen geworden? Eben! Kurz’ Umfragewerte gehen aber bereits wieder zurück. Diese Shooting-Stars verglühen halt bald wieder wie Sternschnuppen – wie der Name schon sagt – siehe Martin Schulz oder Theresa May. Außerdem werden durch das etwaige Antreten von Peter Pilz mit eigener Liste und die Kandidatur von Irmgard Griss bei den NEOS die Karten neu gemischt und die Prognosen schwieriger.

Mir ist ja sowieso rätselhaft, wie man jemand wie Kurz so toll und kompetent finden kann. Der Typ ist Studienabbrecher (oder meinetwegen -unterbrecher), hat keinen Beruf erlernt, nie außerhalb der Politik gearbeitet und stellt sich mit 30 hin und meint, er kann Bundeskanzler. Aber offenbar imponiert den Leuten dieses freche, von keinerlei Selbstzweifel angekränkelte, aber umso übersteigerte Selbstbewusstsein. Okay, der Eindruck, diese ideologiefreien Schnösel wollen jetzt an die Futtertröge der Macht, um sich dort hemmungslos zu bedienen, den man bei Gernot Blümel und den anderen Figuren in Kurz’ Umfeld hat, mag auf ihn selber gar nicht zutreffen, aber die Skepsis bleibt.

Der ÖVP geht es nur darum, wieder erste zu werden. Der Rest ist unwichtig. Sie ist jetzt 31 Jahre lang ununterbrochen in der Bundesregierung. Das ist wirklich total ungesund. In jeder Demokratie. Die ÖVP ist mitverantwortlich für alles, was in diesen 31 Jahren im Bund beschlossen wurde. Mir ist daher ebenso rätselhaft, wie Leute, die Veränderung wollen, ausgerechnet jene Partei wählen, die am längsten ununterbrochen an der Macht gewesen ist. Die ÖVP hält dieses Land seit Jahrzehnten im Würgegriff. Es ist daher höchste Zeit für einen Befreiungsschlag! Und um ehrlich zu sein: Um die ÖVP endlich in die verdiente Opposition zu schicken, wäre mir persönlich jedes Mittel recht, selbst ein roter Pakt mit dem Teufel FPÖ. Aber das ist ja sowieso illusorisch. Auf Bundesebene gibt es wohl kaum inhaltliche Gemeinsamkeiten, daher ist ja das ewige Ausgrenzungsgejammere der FPÖ auch so müßig.

Apropos Pakt mit der FPÖ. Die Leute, die die Zeit von 2000 bis 2007 verdrängt haben, sollten beizeiten wieder aus ihrer Amnesie erwachen. Man muss diese dunklen sieben Jahre nicht unbedingt noch einmal haben. Wiewohl: Wir haben auch das überlebt. Aber nur zur Erinnerung: Die Regierungen Schüssel I und Schüssel II waren die korruptesten ever. Die Gerichte sind noch heute, zehn Jahre danach, mit den Aufräumarbeiten beschäftigt (Stichwort Eurofighter, BUWOG). Viele aus dem Verbrechergesindel von damals haben ihre Gefängnisstrafen schon abgesessen, einige werden ihre wohl noch antreten müssen.

Ich erinnere auch an die systematische Unterdrückung der Meinungsfreiheit. Schon vor 2000 hatte die FPÖ durch eine wahre Klagsflut versucht, unliebsame KritikerInnen, kritische Medien und auch NGOs mit Klagen und Gerichtsverfahren einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen (in vielen Fällen ist es ihnen auch gelungen) – eine Methode, für die Schwarz-Blau 2000 von den drei EU-Weisen scharf gerügt wurde. Österreich war plötzlich in Sachen Meinungsfreiheit Dritte Welt. Auch die HOSI Wien war damals eines der Opfer. Aber wir haben den Kampf aufgenommen gegen die Klagen des ÖVP-Abgeordneten Walter Tancsits – nach zwei Jahren und in zweiter Instanz haben wir gewonnen und einen für die gesamte Zivilgesellschaft wichtigen Sieg errungen gegen eine Partei, die in ihrem Herrschaftsanspruch und Machtrausch außer Rand und Band geraten war (nachzulesen hier). Wie gesagt: Einmal reicht, man muss solche Erfahrungen nicht unbedingt ein zweites Mal machen.

Daher bin ich der Meinung, dass 31 Jahre ÖVP ununterbrochen in der Bundesregierung genug sind!

Que(e)rschuss LN 3/2017

Nachträgliche Anmerkungen

Irgendwie schon spannend, diesen nicht einmal zwei Jahre alten Text zu lesen. Kurz hat dann tatsächlich das Steuer noch herumgerissen – dank der vereinten Unterstützung nicht nur der Kronen-Zeitung, sondern der gesamten bürgerlichen Presse und speziell im Wahlkampf-Endspurt durch ÖSTERREICH. Und vor allem durch deren Kampagne gegen SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern. Da wurde etwa die lächerliche und läppische, sogenannte Silberstein-Affäre zum größten Skandal aller Zeiten aufgebauscht. Es war beängstigend, wie da die geballte Medienmacht des Boulevards sich einen Kanzler ins Amt gehievt hat (siehe auch meinen Kommentar in den LN 5/2017).

Zu den verglühenden Sternschnuppen hat sich übrigens inzwischen auch Emmanuel Macron gesellt.