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Österreich ein einziges Nazi-KZ?

Erschienen am 30. Juli 2010

Die unqualifizierten und offenbar von keinerlei politischem oder Geschichtswissen angekränkelten Vergleiche nehmen kein Ende. War es im Vorjahr die unsägliche Gleichsetzung der unterschiedlichen Regelung von EP und Ehe mit dem südafrikanischen Apartheid-Regime (vgl. LN 6/2009, S. 12 ff), wurde derartiger Schwachsinn nunmehr sogar von den AutorInnen eines wissenschaftlichen Buchs (vgl. Besprechung auf S. 23) – immerhin hochrangige JuristInnen – noch getoppt: Sie vermuten, der nicht vorgesehene Bindestrich zwischen einem bei einer Verpartnerung angenommenen Doppelnamen solle eingetragene PartnerInnen offenbar als homosexuell kennzeichnen, und bezeichnen dies als „rosa Winkel“ des Namensrechts!

Finden diese Leute solche Vergleiche originell oder gar witzig? Oder meinen sie das ernst? In letzterem Fall wäre das eine grobe Form von Verharmlosung des Nationalsozialismus und sollte dringend strafrechtlich geahndet werden! Den rosa Winkel bekamen homosexuelle KZ-Häftlinge bekanntlich auf ihre gestreifte Kleidung aufgenäht, damit sie besser von den anderen Häftlingsgruppen zu unterscheiden waren und die SS-Aufseher sie leichter drangsalieren und quälen konnten, was u. a. dazu führte, dass die Chancen der Männer mit dem rosa Winkel, das KZ zu überleben, geringer waren als die anderer Häftlingsgruppen. Ist Österreich also ein großes Konzentrationslager, wo eingetragene PartnerInnen, die mit einem Ausweis erwischt werden, in dem ihr Doppelname ohne Bindestrich steht, fürchten müssen, tödlichen Repressalien ausgesetzt zu werden? Na eben! Was bezwecken die Leute mit solchen bescheuerten Vergleichen?

Okay. Bei den Grünen ist es leicht zu durchschauen, welche Ziele sie mit ihrer entsetzlichen anti-emanzipatorischen Rhetorik verfolgen: Für sie sind arme verfolgte Schrankschwule und Schranklesben natürlich leichter als Grün-WählerInnen bei der Stange zu halten als emanzipierte Lesben und Schwule, die nicht (mehr) auf die Erlösung aus ihrer Unterdrückung durch die Grünen hoffen müssen. Daher haben die Grünen natürlich größtes Interesse daran, uns ständig wider besseres Wissen einzubläuen, wie arm und unterdrückt wir doch wären – und sei es nur durch eine belanglose Leerstelle zwischen dem Doppelnamen.

So haarsträubend und hanebüchen kann daher ein Beispiel gar nicht sein, als dass die Grünen es nicht in diesem Sinne einsetzten. Da werden jahrzehntelange Errungenschaften, etwa im Asylrecht, aus genau diesen fadenscheinigen Motiven plötzlich negiert (vgl. Bericht auf S. 26). Und MARCO SCHREUDER von den Grünen andersrum geht mit dem Fall eines serbischen Studenten hausieren, der wegen einer Niederlassungsbewilligung gerne seinen Partner heiraten wolle, dies aber nicht könne, weil er bei einer serbischen Firma arbeite und sich durch eine EP als schwul outen würde. Abgesehen davon, dass es seit 2004 einen gesetzlichen Schutz vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung in Beschäftigung und Beruf gibt und es wirklich das Letzte ist, sich für die „unsichtbare Geheim-Ehe“ für Lesben und Schwule stark zu machen (und man auch den MigrantInnen nichts Gutes tut, wenn man Fortschritte für ÖsterreicherInnen unter Hinweis auf das angebliche Hinterwäldlertum von MigrantInnen madig macht!), ist es wohl in der Praxis kaum vorstellbar, dass es besagtem Studenten auch nur fünf Minuten gelänge, den Umstand, dass er einen Mann und keine Frau geheiratet hat, vor seinem Chef und seinen KollegInnen geheim zu halten, selbst wenn er statt einer EP eine gleichgeschlechtliche Ehe schließen könnte. Oder würde er sie dauerhaft über die Identität der angetrauten Person belügen wollen? Und wenn der Staat tatsächlich Verfolgungshandlungen gegen Homosexuelle setzen möchte, dann ist er heutzutage im EDV-Zeitalter – „hoffentlich“! – nicht mehr darauf angewiesen, sich von den Leuten den Meldezettel vorlegen zu lassen, aus dem hervorgeht, ob man verheiratet oder verpartnert ist. Wie durchgeknallt darf man eigentlich in diesem Land als Politiker/in argumentieren? Offenbar gibt es hier weder Schmerz- noch Schamgrenzen.

Opfervermarktung

Dass solche Demagogie bei Schwulen und Lesben leider auf fruchtbaren Boden fällt, zeigt sich immer wieder an Internet-Postings und ähnlichen Äußerungen. Ja, leider gibt es viele Homosexuelle, die ihre Identität als Opfer wie die Luft zum Atmen brauchen und sich dann nach der Einführung der EP schon paranoid im Waggon nach Dachau gesehen haben. Inzwischen scheint diese Gehirnwäsche – quasi autosuggestiv – bei Schreuder selbst und anderen selbsternannten AktivistInnen voll gewirkt zu haben. Ausgerechnet sie präsentierten sich jüngst als arme Diskriminierungsopfer-Hascherl – dabei geht es ihnen in Wahrheit nur um PR in eigener Sache, sei es die Politkarriere oder die Rechtsanwaltskanzlei.

Als stolzen Schwulen stört es mich übrigens nicht die Bohne, mich aus der Hetero-Masse abzuheben – im Gegenteil! Und Familiennamen will ich sowieso keinen – weg damit! Ein Nachname ist mir allemal lieber! Also lassen wir die Kirche im Dorf, halten wir nicht ständig jede schwul/lesbische Bagatelle für den alleinigen Nabel der Welt, lassen wir uns durch die persönlichen Profilierungsneurosen und Wichtigtuereien mancher Akteure nicht beirren und uns deren höchst private Interessen nicht als die unsrigen einreden und verkaufen.

Que(e)rschuss LN 3/2010