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Erbfall F. X. Gugg: HOSI Wien obsiegt gegen die Finanzprokuratur

Veröffentlicht am 12. Februar 2010
Sechs Jahre musste die HOSI Wien in zwei Gerichtsverfahren um das Erbe nach Franz Xaver Gugg kämpfen. Ich kümmerte mich federführend darum. Kaum ein anderes Projekt hat mir mehr schlaflose Nächte bereitet. Doch schließlich gewannen wir sogar gegen die Republik Österreich. In den LN 1/2010 schilderte ich diese unglaubliche Geschichte.

Franz Xaver Gugg (1921–2003) – sein letzter Wille wurde nach sechsjährigem Rechtsstreit doch noch durchgesetzt.

Franz Xaver Guggs Lebensgefährte Karl Wawra (1924–2007) erlebte den Ausgang des Verfahrens leider nicht mehr.

Am 29. September 2003 verstarb der Wiener Rechtsanwalt Franz Xaver Gugg (vgl. LN 1/2004, S. 5), ein langjähriger treuer Freund und Förderer der HOSI Wien, der sie testamentarisch auch zur Hälfte als Erbin einsetzte. Die andere Hälfte des Nachlasses sollte Guggs leiblicher Sohn Christian erben. Weiters hatte Gugg seinem langjährigen Lebensgefährten Karl Wawra bestimmte Wertsachen testamentarisch vermacht. Wawra verstarb 2007 (vgl. LN 2/2009, S. 30 ff) und erlebte daher das Ende der Verlassenschaftsabwicklung leider nicht mehr.

Im Laufe dieses Verlassenschaftsverfahrens – verschlampt durch eine völlig überforderte Notarin und einen inkompetenten Richter am Bezirksgericht Wien-Donaustadt – mussten wir vor drei Jahren erfahren, dass bei der gerichtlichen Räumung der Wohnung des Verstorbenen der Wohnungsinhalt nicht, wie vom Gericht angeordnet, in einem Speditionslager deponiert, sondern im Rahmen einer Versteigerung an einen Altwarenhändler verkauft worden war.

Wie ausführlich berichtet, wurde dadurch nicht nur das vermutlich wichtigste Archiv zur österreichischen Homosexuellengeschichte der 1960er bis 1980er Jahre vernichtet, das Gugg in seiner Wohnung zusammengetragen hatte (vgl. LN 1/2007, S. 6 ff [hier auch als PDF], bzw. Aussendung vom 8. Jänner 2007), sondern höchstwahrscheinlich auch das Original des Testaments.

Dass dieses nicht aufzufinden war, sollte sich dann insofern als großes Problem erweisen, als deswegen zwei langwierige und für die HOSI Wien höchst nervenaufreibende, kostspielige und deshalb nicht zuletzt finanziell riskante Erbstreitverfahren geführt werden mussten, die erst im Vorjahr endgültig abgeschlossen werden konnten. Dank der kompetenten rechtsfreundlichen Vertretung durch die Rechtsanwälte Felix Ehrnhöfer und Markus Bulgarini von der Kanzlei Höhne, In der Maur & Partner gewannen HOSI Wien und Christian Gugg schließlich den Rechtsstreit, und im Oktober 2009 – mehr als sechs Jahre nach Franz Xaver Guggs Tod (!) – wurden sie schließlich gemäß dem letzten Willen des Verstorbenen vom Bezirksgericht Wien-Donaustadt als Erben eingeantwortet.

 

Justizskandal

Nun hat sich ja unser Vertrauen in die österreichische Justiz aufgrund unserer vielfältigen Erfahrungen mit ihr in den drei Jahrzehnten unseres Bestehens ohnehin stets in recht bescheidenen Grenzen gehalten, aber was wir in diesen sechs Jahren allein in dieser Verlassenschaftssache an Inkompetenz und unglaublicher Schlamperei erlebt haben, hat auch den letzten Rest unseres Vertrauens in den Rechtsstaat mehr als erschüttert.

Nur unserem langen Atem, unserer Hartnäckigkeit, unserem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und nicht zuletzt der Bereitschaft des HOSI-Wien-Vorstands, die Anwaltskosten, die sich schließlich auf fast € 18.000,– beliefen, notfalls – sollten wir verlieren – aus dem Vereinsbudget aufzubringen, um Guggs letztem Willen zum Durchbruch zu verhelfen (immerhin war er über 20 Jahre hinweg einer der größten Förderer des Vereins), ist es zu verdanken, dass wir diese Sache bis zum Ende durchfechten und schließlich gewinnen konnten. Denn Christian Gugg, der eine vierköpfige Familie zu ernähren hat, hätte dieses finanzielle Risiko nicht tragen können und die Sache wohl bald aufgegeben. Nach erfolgreichem Abschluss des Verfahrens haben wir uns die Anwaltskosten natürlich mit ihm geteilt.

 

Rückblende

Blenden wir zurück: Nach einer schweren Operation drohte Franz Xaver Gugg ein Pflegefall zu werden. Er ließ sich auf Revers vom Spital entlassen und von der Rettung nach Hause fahren. Er wollte kein Pflegefall werden. Offenbar hatte er alles für diesen Fall des Falles vorbereitet. Er richtete alle wichtigen Dokumente her, nahm auch sein Testament aus dem Wandsafe und legte es vor sich auf den Schreibtisch, bevor er sich am 29. September 2003 erschoss. Die Polizei fand dieses Testament auch so vor und übergab es dem Gericht. Dort stellte sich heraus, dass es sich dabei nur um eine Kopie handelte. Das Original wurde nie gefunden. Die zwei im Testament bedachten Erben und Karl Wawra als Legatar hatten zuvor von Gugg ebenfalls Kopien erhalten.

Da kein Originaltestament vorhanden war, meinte die Notarin, nach gesetzlichen Erben suchen zu müssen. Dass der Sohn nicht automatisch alles erbte, sollte das Testament nicht anerkannt werden, lag an dem Umstand, dass er im Mai 1992 eine Erbverzichtserklärung abgegeben hatte. Hintergrund dafür war, dass Gugg seinen Lebensgefährten Karl als Erben einsetzen wollte und deshalb seinem Sohn für den Erbverzicht eine größere Summe als sogenannten „Vorempfang“ ausbezahlt hatte. Da es aber Karl dann ablehnte, anstelle des leiblichen Sohnes als Erbe einzutreten, teilte Gugg schon im September 1992 seinem Sohn in einem Brief mit, dass er ihn ungeachtet der Erbverzichtserklärung neuerlich testamentarisch zum Erben eingesetzt habe, allerdings nicht mehr allein, sondern „gemeinsam mit der ins Auge gefassten gesellschaftspolitischen Organisation“.

Erst der später eingeschaltete Rechtsanwalt machte darauf aufmerksam, dass der Erbverzicht dadurch widerrufen worden war. Während die Erbverzichtserklärung selbst eines Notariatsakts bedarf, muss ein Widerruf einer solchen in keiner bestimmten Form erfolgen. Darüber wurde Christian Gugg allerdings von der Notarin, die als Gerichtskommissärin mit der Verlassenschaftsabwicklung betraut war, nie belehrt, und so glaubte er, der Widerruf ergebe sich nur aus dem Testament, das aufgrund des fehlenden Originals aber nicht anerkannt würde, weshalb auch der Widerruf nicht gelte.

Die Notarin fand schließlich sechs entfernte Verwandte in der sogenannten dritten Parentel (Nachkommen der gemeinsamen Großeltern), die den Verstorbenen zu Lebzeiten indes nie persönlich kennengelernt hatten. Da diese gesetzlichen Erben – no na – Erbserklärungen abgaben, mussten HOSI Wien und Christian Gugg einen zivilrechtlichen Erbstreit mit diesen potentiellen gesetzlichen Erben führen. Dank unserer exzellenten Rechtsvertretung und guten Argumenten ließen sich diese aber in diesem Verfahren am Landesgericht für Zivilrechtssachen in Wien schließlich auf einen Vergleich ein.

 

Erbstreit

Andernfalls hätten wir vor Gericht beweisen müssen, dass das Testamentsoriginal nur irrtümlich und zufällig abhanden gekommen war (§ 722 ABGB). Angesichts der Umstände des Todes, die im Polizeiprotokoll bestätigt werden, und der massiven und notorischen Sehbehinderung Guggs, die offenkundig zu einem unbekannten Zeitpunkt zur Verwechslung von Kopie und Original des Testaments geführt hat, wäre indes ein solcher Nachweis durchaus gelungen, zumal alle anderen denkmöglichen Varianten unlogisch sind: Hätte Gugg wirklich diesen entfernten Verwandten sein Vermögen hinterlassen wollen, hätte er das Testament ja widerrufen oder zerreißen können. Dann wäre aber sein Archiv sicherlich weggeworfen und auch die Erinnerungen an die 34 gemeinsamen Jahre für seinen Lebensgefährten verloren gewesen, was Gugg wohl niemals gewollt hätte. Alle diese Denkvarianten ergaben keinen Sinn. Dennoch wäre es auch für uns ein Risiko gewesen, denn natürlich muss man den RichterInnen in Österreich alles zutrauen, was sich später noch bestätigen sollte.

Ausschlaggebend für die entfernten Verwandten, einem Vergleich zuzustimmen, war wohl neben ihrem eigenen finanziellen Prozessrisiko vor allem die – realistische – Annahme, dass das Gericht in diesem Verfahren den Widerruf der Erbverzichtserklärung durch Christian Gugg anerkennen würde, womit dieser als gesetzlicher Alleinerbe festgestanden wäre, selbst wenn uns der Nachweis des zufälligen „Untergangs“ des Originals des Testaments nicht gelungen wäre.

Und ein weiterer Anreiz, einem Vergleich zuzustimmen, bestand für die entfernten Verwandten im Umstand, dass ihnen die Notarin noch vor dem Ausgang des zivilrechtlichen Erbstreits – eindeutig rechtswidrig – bereits den Safe-Inhalt (Goldmünzen, Silberbarren, Schmuck und andere Gegenstände im Gesamtwert von über € 33.500,–) im Plastiksackerl ausgefolgt hatte – wovon wir erst in der Gerichtsverhandlung von der Gegenseite erfuhren, als diese vorschlug, in einem Vergleich ihre Erbserklärungen zurückzuziehen, sollten wir im Gegenzug auf die Rückgabe dieser Wertgegenstände verzichten. Wir fielen – einmal mehr – aus allen Wolken – wie damals, als wir nach zwei Jahren durch Zufall erfuhren, dass der gesamte Inhalt von Guggs Wohnung nach deren Räumung nicht in einem Depot, sondern bei einem Altwarenhändler bzw. auf dem Müll gelandet war.

 

Aus allen Wolken

Auch unser Anwalt und die Richterin am LGfZRS staunten nicht schlecht, als die Gegenseite erwähnte, von der Notarin bereits einen Teil des Nachlasses ausgehändigt bekommen zu haben, ohne dass das zuständige Bezirksgericht Donaustadt sie als Erben eingeantwortet hätte, was ja erst nach einer Entscheidung im gerade laufenden, von uns angestrengten zivilrechtlichen Erbstreit erfolgen konnte.

Da die gegnerische Partei erklärte, die Wertgegenstände bereits verwertet und das Geld für die Behandlung eines schwerkranken Angehörigen ausgegeben zu haben, wir also diesen Betrag vermutlich bei den sechs Personen einklagen müssten, selbst wenn wir den Erbstreit gewinnen würden, beschlossen Christian Gugg und die HOSI Wien, diesem Vergleichsangebot zuzustimmen und auf die € 33.500,– zu verzichten – nicht zuletzt auch, um die Sache endlich abschließen zu können, immerhin waren mittlerweile – im Oktober 2007 – vier Jahre seit Guggs Tod vergangen.

Die Notarin konnten wir, da ihr Vorgehen eindeutig gesetzeswidrig war, zumindest soweit unter Druck setzen, dass sie sich bereit erklärte, auf das ihr für die Abwicklung der Verlassenschaft im Prinzip zustehende Honorar (immerhin fast € 19.000,–) zu verzichten. Dadurch hatten wir wenigstens unsere Anwaltskosten quasi wieder hereingespielt. Jedenfalls stärkte diese höchst negative Erfahrung mit der Notarin unsere Ablehnung, diese Berufsgruppe irgendeine Rolle bei der eingetragenen Partnerschaft spielen zu lassen. Und dementsprechend agitierten wir daher in den letzten Jahren auch bei jeder Gelegenheit gegen eine Eintragung von Partnerschaften bei NotarInnen [vgl. etwa Aussendung der HOSI Wien vom 2. März 2007].

 

Finanzprokuratur will uns das Erbe abjagen

Aber die Sache war damit noch lange nicht beendet und ausgestanden. Im April 2008 ersuchte uns die Notarin um eine Eingabe, aus der alle Gründe und Beweise für den zufälligen Untergang des Testaments hervorgehen sollten. Unser Anwalt lieferte den entsprechenden Schriftsatz. Dieser wurde auch der Finanzprokuratur – das ist quasi die Rechtsvertretung der Republik Österreich – weitergeleitet, die sich jetzt in das Verlassenschaftsverfahren einmischte. Sie replizierte auf unseren Schriftsatz und stellte den Antrag, unsere Erbserklärungen abzuweisen, wobei sie den Standpunkt vertrat, dass weder der Erbverzicht von Christian Gugg rechtswirksam widerrufen worden, noch das Testament zufällig untergegangen sei. Mit anderen Worten: Die Finanzprokuratur vertrat die Ansicht, dass das Erbe der Republik zufallen müsse.

Das war natürlich eine tolle Überraschung: Obwohl wir uns mit den anderen möglichen gesetzlichen Erben verglichen hatten, sollten wir jetzt trotzdem nicht erben? Wozu hatten wir dann dieses zivilrechtliche Verfahren überhaupt geführt? Um der Republik einen Gefallen zu tun? Sicher nicht! Wir haben im zivilrechtlichen Erbstreit die anderen potentiellen gesetzlichen Erben doch nicht für die Finanzprokuratur aus dem Feld geschlagen! Wäre weder Testament noch der Widerruf von Christian Guggs seinerzeitiger Erbverzichtserklärung anerkannt worden, wäre es uns allemal lieber gewesen, die entfernten Verwandten hätten geerbt als die Republik. Durch den Verzicht auf ihre Erbansprüche in dem mit uns geschlossenen Vergleich konnten diese Ansprüche der Verwandten jetzt jedoch nicht mehr aufleben.

Das Ganze war nur mehr hochgradig grotesk und absurd! Wenn die HOSI Wien bzw. Christian Gugg gar keinen Erbanspruch aus dem Titel des Testaments bzw. Christian Gugg auch nicht als gesetzlicher Erbe hatte, dann hätten wir ja wohl gar keinen Rechtstitel haben können, mit anderen etwaigen gesetzlichen Erben einen rechtsgültigen Vergleich zu schließen, mit dem diese – auch gegenüber Dritten, also etwa gegenüber der Finanzprokuratur – rechtsgültig auf ihren eigenen Erbanspruch verzichten können. Aber so war es in der Tat!

Für alle anderen Beteiligten wäre diese Lösung allerdings auch perfekt gewesen: Die HOSI Wien und Christian Gugg hätten keine Parteienstellung mehr gehabt, hätten daher in der Folge weder Schadensersatzklage gegen die Notarin noch eine Amtshaftungsklage gegen die Republik (wegen des vernichteten Archivs und Wohnungsinhalts) führen können, die Republik hätte sogar noch das Erbe erhalten, und die Notarin ihr Honorar, auf das sie nur uns gegenüber verzichtet hatte, nicht jedoch für den Fall, dass das Erbe der Republik „anheimfällt“, wie es im altmodischen Rechtsdeutsch heißt. Super!

 

Zurück an den Start

In der Folge gab es dann bei der Notarin Vergleichsgespräche zwischen unserem Anwalt und einem Vertreter der Finanzprokuratur, aber die diesbezüglichen Angebote der Republik Österreich waren indiskutabel. Am 10. Dezember 2008 fasste schließlich das BG Donaustadt den Beschluss, mit dem quasi die Erbserklärungen von HOSI Wien und Sohn Christian Gugg zurückgewiesen wurden – ganz im Sinne der Rechtsansicht der Finanzprokuratur. Der Beschluss langte am 30. Dezember bei unserem Anwalt ein, also mitten in den Weihnachtsferien. Die kurze Rechtsmittelfrist von zwei Wochen endete am 13. Jänner 2009, aber natürlich legte unser Anwalt fristgerecht Rekurs gegen diesen Beschluss ein.

Die HOSI Wien wandte sich in der Folge in mehreren Schreiben an Finanzminister Josef Pröll (bei dem die Finanzprokuratur ressortiert) und Justizministerin Claudia Bandion-Ortner und schilderte ihnen in allen Details und in genauer Chronologie die fünfjährige Saga dieses einzigartigen Justizskandals. Insbesondere denunzierten wir dabei die widerwärtige Argumentation der Finanzprokuratur in ihrer Rekursbeantwortung vom 6. März 2009, die uns wirklich auf die Palme brachte. So meinte die Vertreterin der Republik Österreich, der Umstand, dass die Originalurkunde in der gesamten erblichen Wohnung nicht gefunden wurde, deute darauf hin, dass sie „vom Erblasser willentlich vernichtet wurde“.

Diese Argumentation war in der Tat geradezu monströs: Zuerst wird im Zuge der Wohnungsräumung der gesamte Inhalt der behördlich versiegelten Wohnung, in der sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch das Originaltestament befunden hat, durch die ungeheure Schlamperei und Inkompetenz des Bezirksgerichts und der Notarin vernichtet, ohne dass nach dem Testamentsoriginal gesucht werden kann, und dann untersteht sich eine andere Behörde, uns als Erben daraus einen Strick drehen zu wollen, da wir doch kein Original des Testaments beibringen könnten!

 

Leichenschändung

Und als regelrechte Leichenschändung empfanden wir folgende Spekulation der Finanzprokuratur in diesem Zusammenhang: „So viel von der Lebensgeschichte des Erblassers bekannt ist, hatte er jedenfalls noch eine ‚Rechnung mit der Gesellschaft offen‘.“ Selbst wenn man diesen Unsinn ernsthaft in Erwägung zieht, dann spricht aber genau dies gegen eine absichtliche Vernichtung des Testaments. Denn wenn man eines aus der Lebensgeschichte des Erblassers ableiten kann, dann ganz sicher das Faktum, dass das Anheimfallen seines Nachlasses an die Republik Österreich das letzte gewesen wäre, was er gewollt hätte: Gugg wurde von der Republik Österreich 1969 wegen seiner Homosexualität zu einer mehrmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt. Er verlor seine bürgerlichen Rechte, seinen akademischen Grad und sein Anwaltspatent. Nach Aufhebung des Totalverbots 1971 musste er jahrelang darum kämpfen, all dies wiederzuerlangen; um seine Wiederzulassung als Anwalt musste er sogar bis zum Verfassungsgerichtshof ziehen. Wenn er also tatsächlich eine Rechnung mit der Gesellschaft offen gehabt hätte, dann höchstens mit der Republik Österreich und garantiert nicht mit der HOSI Wien, die er über 20 Jahre durch Spenden finanziell unterstützt hatte, oder seinem leiblichen Sohn, den und dessen Familie der Erblasser ebenfalls laufend und bis kurz vor seinem Tod finanziell unter die Arme gegriffen hat, und schon gar nicht mit seinem Lebensmenschen Karl Wawra, mit dem er 34 Jahre lang eine innige Liebesbeziehung hatte.

Wir waren einfach nur mehr empört. Und das teilten wir Pröll auch unmissverständlich mit. Ein weiteres Anliegen war auch zu erreichen, dass die Finanzprokuratur nach der Entscheidung über unseren Rekurs keine weiteren rechtlichen Schritte mehr setzt. Das war insofern wichtig, denn selbst wenn wir in der Sache vorerst gewännen, würden durch eine Fortführung des Verfahrens immer weitere Anwaltskosten für uns entstehen und ein allfälliges Erbe immer weiter schmälern, bis gar nichts mehr übrig bleibt – denn in einem solchen Verfahren ersetzt einem niemand die eigenen Anwaltskosten, auch wenn man letztlich obsiegt.

Dass wir den Rekurs gegen den Beschluss des Bezirksgerichts gewinnen würden, davon waren wir eigentlich überzeugt – und so geschah es auch. Am 27. Mai 2009 gab das Landesgericht für Zivilrechtssachen unserem Rekurs voll inhaltlich statt und verwies die Sache ans Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt auch beantragt, die Notarin wegen Befangenheit von der Sache abzuziehen, hatte sie doch ein erhebliches Eigeninteresse, dass das Erbe der Republik zufällt – denn dann könnte sie ihr Honorar kassieren. Diesem Antrag wurde stattgegeben, und – das kann zur Rettung der Ehre des Notariatsstandes gesagt werden – der neueingesetzte Notar bemühte sich danach sehr um eine rasche Abwicklung der Verlassenschaft.

Schließlich fasste am 23. Oktober 2009 das Bezirksgericht Wien-Donaustadt den Einantwortungsbeschluss und bestimmte darin Christian Gugg und die HOSI Wien aufgrund des Testaments je zur Hälfte als Erben. Eine mehr als sechsjährige Justizsaga fand doch noch ein gutes Ende für uns. Hier haben sich weder besagte Notarin noch die insgesamt drei Richter, die im Laufe dieser sechs Jahre am Bezirksgericht Donaustadt mit der Causa befasst waren, mit Ruhm bekleckert. Wir gehen jetzt davon aus, dass die Finanzprokuratur ihrerseits den Beschluss akzeptiert und keine weitere Ressourcen- und Geldvernichtung betreiben will – denn diese war in diesem Fall ohnehin schon immens.