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Grüne Bauernfängerei

Erschienen am 18. Dezember 2009

Es war eine gespenstische Gemengelage fadenscheiniger Eigeninteressen einzelner Akteure (aber auch der Grünen als Partei), die da Anfang November [2009] – unter dem Deckmantel der schwul-lesbischen Interessenvertretung – für einige Aufregung sorgten, aber dank der standhaften Haltung der HOSI Wien nicht wirklich größeren Schaden anrichten konnten: Das von den Grünen und dem Rechtskomitee Lambda vehement bekämpfte Gesetz über die eingetragene Partnerschaft (EPG) wurde dennoch vom Nationalrat beschlossen.

Da war einerseits der grüne Gemeinderat MARCO SCHREUDER, der Mitte November eine interne Wahl für die grüne Kandidatenliste für die Wiener Landtagswahlen 2010 zu schlagen hatte und offenbar noch rasch davor Lorbeeren einsammeln wollte (sein schließlich erzielter Listenplatz war dann allerdings, wie er selbst zugibt, trotz – oder vermutlich gerade wegen – seines umstrittenen Handelns eher enttäuschend; geschieht ihm aber recht).

Für seine Partei lag das „versteckte Interesse“ hinter dem vordergründigen Protest ebenfalls ziemlich offen auf der Hand. Noch nie war es so leicht zu durchschauen, welches politische Süppchen die Grünen da kochten: Würde tatsächlich ein EP-Gesetz kommen, das auf der Höhe des Schweizer Modells liegt, hätten die Grünen im nächsten Wahlkampf ganz schlechte Karten. Daher spielten sie sich als kompromisslose VerteidigerInnen schwul/lesbischer Interessen auf und bestanden in einer (aus anderen Gründen) nicht nachvollziehbaren Alles-oder-nichts-Haltung auf der – unter einer ÖVP-Regierungsbeteiligung völlig irrealen und unrealistischen – sofortigen und totalen Gleichstellung mit der Ehe. Aber Göttin sei dank vergeblich! Die Grünen konnten das Gesetz nicht verhindern!

 

Kollateralschaden

Mehr als traurig ist der hinterlassene Kollateralschaden, nämlich der Eindruck, der nun entstanden ist: Aus solchen taktischen Überlegungen wären die Grünen nicht davor zurückgeschreckt, uns ein anachronistisches Eherecht aufs Auge zu drücken, das in etlichen Bereichen noch unverändert aus 1811 stammt (man muss der ÖVP fast dankbar sein, dass sie das nicht zugelassen hat)! Die Grünen sind endgültig zu einer reaktionär-bürgerlichen Partei verkommen, an der der kritisch-intellektuelle Diskurs über die Heteronormativität völlig spurlos vorübergegangen ist und die offenbar überhaupt keine Utopien mehr hat.

Und da war andererseits der notorisch geltungssüchtige und profilierungsneurotische Anwalt, der sich und die Bedeutung seines Vereins ständig überschätzt, wobei es sich bei diesem Verein in Wahrheit ohnehin eher um eine seiner Kanzlei vorgelagerte Ein-Mann-PR-Agentur zur medialen Wiederverwertung seiner Causen denn um einen relevanten und ernstzunehmenden LSBT-Verein handelt, was offenbar – endlich – auch die Politik erkannt hat. Jedenfalls war er – im Gegensatz zur HOSI Wien – offenkundig nicht in die Vorbereitungen des EPG eingebunden, weshalb er dann völlig durchdrehte (siehe dazu auch die Beiträge ab S. 8), MinisteriumsbeamtInnen wegen ihres wohlverdienten Urlaubs kritisierte und auch sonst durchgeknallt und urpeinlich durch die politische Landschaft und gegen ein Phantomgesetz Amok lief und uns dabei krankhaft zwänglerisch mit jedem Beistrich und jedem Punkt nervte, der im EPG-Entwurf im Vergleich zum Eherecht fehlte. Offenbar durch Entzugserscheinungen geplagt – sein Name war schon ein paar Wochen nicht mehr in der Zeitung gestanden –, brauchte der Aufmerksamkeits-Junkie wieder einen Schuss Medienöffentlichkeit.

 

Manipulation und Vereinnahmung

Ja, und aus diesen beiden Interessenlagen heraus wurde dann zu einer gemeinsamen Demo aufgerufen und gegen das jetzt beschlossene EP-Gesetz agitiert, was das Zeug hielt. Wobei den politisch nicht so versierten gewöhnlichen Homosexuellen durch manipulative Propaganda eingebläut wurde, ihnen drohe das mieseste EP-Gesetz der Menschheitsgeschichte. Gleichzeitig wurde ihnen vorgegaukelt, dass sich bei den Fragen Adoption, Fortpflanzungshilfe und Standesamt tatsächlich noch irgendetwas ändern könnte. Leider sind viele Leute auf die grüne Bauernfängerei reingefallen. Die geweckten Erwartungen erfüllten sich natürlich nicht – da stand leider die ÖVP im Weg. Im übrigen ist in keinem Land Europas die völlige Gleichstellung im ersten Schritt erfolgt. Selbst in Spanien gab es vor der Öffnung der Ehe regionale EP-Gesetze.

Wer sich jemals gewundert und gefragt hat, warum die HOSI Wien eigentlich nicht mit dem RKL zusammenarbeiten will, wird wohl nach den – in diesem Heft ausführlich geschilderten – Ereignissen um das EPG im November und Anfang Dezember 2009 erschöpfend Antwort auf diese Frage finden.

Und was die grünen Politamateure und Hobbypolitiker betrifft, kann man nur feststellen, dass es wirklich eine Schande ist, was sie in diesen eineinhalb Monaten an Inkompetenz geboten haben. Die HOSI Wien hat es zum Schluss dann auch aufgegeben, auf die Auslassungen und Absonderungen dieser Manipulantentruppe überhaupt noch zu reagieren. Vergesst sie!

 

Que(e)rschuss LN 6/2009