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Wer rettet die Grünen?

Erschienen am 5. Dezember 2008

Ich gebe zu: Mich hat es nicht besonders schmerzlich berührt, dass die Grünen bei der letzten Nationalratswahl dermaßen abgesandelt sind. War ja wohl nicht ganz unverdient – hoffentlich gibt ihnen dieser Denkzettel der WählerInnen tatsächlich zu denken, und sie kommen wieder zur Besinnung, dachte ich mir damals. Als ich dann nach der Hektik der ILGA-Konferenzen zufällig auf MARCO SCHREUDERs Eintrag „Wer rettet die HOSI Wien?“ auf seinem Blog www.marco-schreuder.at gestoßen bin (datiert mit 25. September 2008), ist mein Gefühl des Nicht-Mitleids indes in heftige Genugtuung umgeschlagen: Recht geschieht den Grünen!

Nicht nur, dass Schreuder dort eine bizarre Liste von vermeintlichen Kränkungen zusammengestellt hat, die ihnen die HOSI Wien zugefügt haben soll, und er jetzt wegen CHRISTIAN HÖGLs Nationalratskandidatur für die SPÖ von NGOs und ihren MitarbeiterInnen plötzlich parteipolitische Abstinenz einfordert, die aber offenkundig nicht für GrünpolitikerInnen gelten soll (denn offensichtlich hat er kein Problem damit, dass der grüne Landtagsabgeordnete GEBI MAIR auch Vorstandsmitglied der HOSI Tirol ist), ruft er auch noch zur „Rettung“ der HOSI Wien auf. O-Ton Schreuder: Ich bin kein Mitglied der HOSI Wien. Ich kann daher auch nicht mitreden, muss mir aber als Politiker Sorgen um eine der wichtigsten NGOs machen, auf die niemand verzichten kann und will. Ich hoffe daher einfach, dass dieser Beitrag eine Hilfe für viele ist, die HOSI Wien zu retten.

Keine Sorge!

Noch nie in meiner nunmehr dreißigjährigen Tätigkeit in der HOSI Wien ist mir eine dermaßen unverblümte und unverhohlene Einmischung in Bezug auf die Haltungen des Vereins von außen im allgemeinen und von politischer Seite im speziellen untergekommen. Und besonders ekelhaft finde ich, dass dieses blöde Gerede unter dem Deckmantel daherkommt, man mache sich „als Politiker“ (sic!) Sorgen und wolle Hilfe zur Rettung anbieten. Dass ich nicht lache! Lieber Marco: Wir verstehen deine Anwandlungen schon richtig, nämlich als plumpen Versuch der Einschüchterung an die HOSI-Wien-FunktionärInnen, den Kurs zu ändern, ansonsten wohl eine Rettung (Putsch?) angebracht sei. Lieber Marco: Auch wir verstehen Kritik und leben seit 30 Jahren damit. Aber damit bist du eindeutig zu weit gegangen! Wir nehmen deinen Fehdehandschuh indes gerne auf. Und mach’ dir um uns bloß keine Sorgen: Die HOSI Wien hat schon ganz andere Konflikte ausgetragen und ausgehalten und lässt sich sicherlich nicht von irgendeinem dahergelaufenen Gemeinderat einschüchtern!

Noch ein Wort zum Anlassfall, weil man daran so schön nachweisen kann, wie unredlich und letztklassig du agierst und argumentierst. Du hängst deine Einschätzung der dringenden Rettungsbedürftigkeit der HOSI Wien an unserer Haltung zu Maria Bergers Entwurf für ein Lebenspartnerschaftsgesetz auf. Dazu schreibst du auf deinem Blog zwar noch wahrheitsgemäß: Obwohl der Generalsekretär der HOSI Wien, Kurt Krickler (…), das Gesetz anfangs selbst als „Rumpfgesetz“ bezeichnete, behauptest du dann aber wider besseres Wissen, die HOSI Wien sei bald ganz auf SP-Linie umgeschwenkt.

In der Tat haben wir diesen Entwurf von Anfang an als keinesfalls das Gelbe vom Ei bezeichnet, und ich bilde mir ein, der Ausdruck „Rumpfgesetz“ dafür stammt ebenfalls von uns. Wir waren sogar die ersten, die diesen Entwurf – im Grundsätzlichen – heftig kritisiert haben, sowohl beim Gespräch mit Berger am 9. April als auch bei ihrer Pressekonferenz am 24. April 2008. Das ist ja alles genauestens dokumentiert, und ich bin sicher, du hast das auch gelesen (LN 3/2008, S. 10 f). Dennoch kann man ja nicht so tun, als existierte für uns die politische Realität nicht, die nun einmal darin besteht, dass es eben keine absolute SPÖ-Mehrheit, sondern sogar eine rechte Mehrheit im Parlament gibt, und dass in der Regierung eine ÖVP sitzt, die klipp und klar gesagt hat, eine Öffnung der Ehe komme für sie nicht in Frage, und die sich auch sonst in dieser Frage nicht bewegt hat. Daher war und ist es kein Widerspruch, unter diesen politischen Gegebenheiten und Vorzeichen den Entwurf trotz der grundsätzlichen Kritik daran als wichtigen ersten Stein im Fundament für eine umfassende rechtliche Gleichstellung von Ehen und gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften zu bezeichnen, wie wir das schon damals, am 24. April 2008, getan haben.

Gebets- gegen Windmühlen

Ich finde es ja inzwischen nur mehr mitleidserweckend und rührend, wie manche Vereine diese realpolitischen Tatsachen total ausblenden und selbst bei jeder unpassenden Gelegenheit unverdrossen und gebetsmühlenartig ihre Maximalforderungen – ohne jegliche Aussicht auf Verwirklichung – gegen die ÖVP-Windmühlen in Stellung bringen. Da wäre es ja saisonbedingt fast vernünftiger, diese Wünsche ans Christkind zu schreiben, denn die Chancen, dass sie in Erfüllung gehen, sind dort sicherlich größer als bei der ÖVP!

Jedenfalls haben wir danach genauso ausführlich in den LN (# 4/2008, S. 16 f ) dargelegt, warum wir – im Gegensatz zu anderen Lesben- und Schwulenvereinen – es nicht für zweckdienlich erachtet haben, eine parlamentarische Behandlung der Gesetzesvorlage mit allen Mitteln zu verhindern und uns damit zu nützlichen Idioten der ÖVP zu machen. Ich gehe davon aus, dass du das ebenfalls gelesen hast: Uns ging es in erster Linie darum, die ÖVP dazu zu zwingen, Farbe zu bekennen. Dass sich die ÖVP durch Flucht in Neuwahlen vor diesem Offenbarungseid gedrückt hat, konnten wir nicht ahnen, wirft aber ein bezeichnendes Licht auf die ÖVP. Die Gefahr, dass dieses Rumpfgesetz tatsächlich verabschiedet worden wäre, bestand ja ohnehin nie, weil die Schüssel-Molterer-ÖVP ihm wohl niemals zugestimmt hätte. Wir sahen daher nicht den geringsten Grund, gegen eine parlamentarische Behandlung des Berger-Entwurfs von vornherein zu opponieren und damit auch noch der ÖVP die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Das wäre doch total bescheuert gewesen!

Es ist also völlig lächerlich, der HOSI Wien zu unterstellen, sie sei ganz auf SPÖ-Linie umgeschwenkt. Du weißt ganz genau, dass es uns nur darum ging, die ÖVP vorzuführen. Aber das ist ja schon lange ein Problem der Grünen, wie man im Wahlkampf wieder gesehen hat: Ihr seht eure Hauptgegnerin weniger in der ÖVP als in der SPÖ. Auf jeden Fall ersuchen wir euch inständig, die HOSI Wien mit euren läppischen und kindischen Polit-Spielchen zu verschonen, die offenbar nicht nur uns furchtbar auf die Nerven gehen – wie euer Wahlergebnis ja gezeigt hat! Wir haben jedenfalls klare Haltungen, und angesichts der „Dokumentation“, die die gesammelten LN-Ausgaben nun einmal darstellen, stehst du mit deinen erbärmlichen Unterstellungen ohnehin auf verlorenem Posten.

Im übrigen bin ich der Meinung, dass 25 Jahre rechte Mehrheit im Nationalrat und 22 Jahre ÖVP in der Regierung genug sind.

Que(e)rschuss LN 6/2008

Nachträgliche Anmerkungen

Marco Schreuder hätte eigentlich wissen müssen, dass sich die HOSI Wien bzw. ich mich von derartigen Angriffen nicht im geringsten einschüchtern oder beeindrucken lassen. Wir hatten nie vor irgendjemandem oder irgendetwas Angst. Nicht einmal vor der geballten Phalanx der gesamten Bewegung, die seinerzeit diese bizarre Aktion lieferte, über die ich in der Ausgabe 3/2002 berichtete.

Der im Beitrag angesprochene GEBI MAIR hat mir dazu folgenden Leserbrief geschrieben, der in der Ausgabe 1/2009 veröffentlicht wurde (S. 4):

„Ich habe deinen Kommentar in den LN gelesen und wollte dir dazu nur sagen, dass Marco auch mir gegenüber immer sagt, dass er eine deutliche Trennung zwischen Partei und NGOs für sinnvoll hält. Insofern ist er dabei konsequent, ich selbst habe eine andere Meinung. Man kann inhaltlich gerne über alles streiten (und sollte es in diesem Fall auch), aber diesen Vorwurf an Marco finde ich eigentlich unsachlich.“