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Nützliche IdiotInnen

Erschienen am 9. März 2007

Große Enttäuschung machte sich nach der Regierungsbildung im Jänner unter den SPÖ-WählerInnen breit. Viele warfen der SPÖ vor, sie hätte ihre Wahlversprechen gebrochen und sich von der ÖVP über den Tisch ziehen lassen. Ziemlich irrational, wie ich meine. Wie hätte die SPÖ ihre Wahlversprechen durchsetzen sollen? Im Gegensatz zur ÖVP hat die SPÖ keine alternative Mehrheit jenseits der großen Koalition und daher kein Druckmittel. Die ÖVP sitzt am längeren Ast. Hätte Gusenbauer die Verhandlungen platzen lassen sollen? Dann hätte Schüssel wohl mit Orange und Blau weiterregiert. Vorwürfe hätte man der SPÖ machen können, wäre sie bei einer rot-grünen Mehrheit eine große Koalition mit der ÖVP zu diesen Bedingungen eingegangen – aber so? Da muss man sich schon bei den WählerInnen beschweren, die für keine rot-grüne Mehrheit gesorgt haben.

Und ich muss ausnahmsweise auch meiner Ko-Chefredakteurin Gudrun Hauer widersprechen, die auf Seite 3 den Vergleich mit der Ära Kreisky herstellt. Dieser Vergleich hinkt: Kreisky verfügte unter seiner Amtszeit von 1971 bis 1983 über eine absolute Mehrheit und konnte die ÖVP daher ignorieren, während Gusenbauer auf sie angewiesen ist. Und außerdem: In seinem ersten Regierungsjahr, 1970–71, hat sich Kreisky in der Minderheitsregierung von der FPÖ unter dem Ex-SS-Mann Friedrich Peter unterstützen lassen. Gusenbauer hingegen ist der Versuchung widerstanden, Schüssels Fehler zu wiederholen und sich einem Jörg Haider oder H. C. Strache auszuliefern, dessen Jugendtorheiten wohl wesentlich harmloser waren als die des Obersturmbannführers. Ich wage mir die Aufregung gar nicht vorzustellen, hätte sich Gusenbauer von Strache oder Haider/Westenthaler zum Kanzler küren lassen!

Verrückt

Ich finde die Kritik an Gusenbauer daher total verrückt und ungerecht. Meine Hochachtung hat er jedenfalls dafür, dass er fast bis zur ideologischen Selbstaufgabe der ÖVP keinen Vorwand für die Fortsetzung des schwarz-blau-orangen Spuks geliefert hat. Sieben Jahre von dieser unfähigen Chaoten- und Wapplerpartie regiert zu werden war ohnehin eine ziemliche Zumutung, die nicht viel länger zu ertragen gewesen wäre.

Und überhaupt: Wäre die SPÖ in Opposition gegangen, wären die Chancen, dass ihre Wahlversprechen verwirklicht werden, auch nicht unbedingt gestiegen! Das gilt auch für die nächste Wahl: Mit einem Denkzettel an die SPÖ werden wir nichts an unserer Situation ändern (sollte bis dahin mit der ÖVP keine Verbesserung möglich sein): Wen will man denn sonst wählen? Gleich die ÖVP, weil’s eh wurscht ist? Geht’s noch blöder? Die Grünen? Glaubt tatsächlich irgendjemand, dass die Grünen als ÖVP-Juniorpartner ein Wunder bewirkt und sich eher durchgesetzt hätten? Na eben! Auch den Grünen wäre nichts anderes übrig geblieben, als entweder auf eine Regierungsbeteiligung oder auf die Umsetzung ihrer Wahlversprechen zu verzichten.

Beschämend auch die Reaktionen der sozialistischen Studierenden und der Parteijugend. Nichts dagegen, wenn sie eine Demo gegen die Nichtabschaffung der Studiengebühren organisieren. Aber dass sie am Tag der Angelobung der neuen Regierung am Ballhausplatz demonstrieren wie im Februar 2000 die GegnerInnen der blau-schwarzen Regierung – das ist wirklich eine nachträgliche Relativierung und Trivialisierung der damaligen Ereignisse, die an Geschichts- und politischer Bewusstlosigkeit nicht zu überbieten ist. SJ und VSStÖ haben sich damit auch zu nützlichen IdiotInnen der bürgerlichen Medien gemacht, die nur darauf gewartet haben, die SPÖ und Gusenbauer – wie im gesamten Wahlkampf – fertigzumachen.

Dass ÖH-Chefin Barbara Blaha und VSStÖ-Vorsitzende Sylvia Kuba aus Protest gegen das „gebrochene“ Wahlversprechen „Abschaffung der Studiengebühren“ aus der SPÖ ausgetreten sind, wirft ein bezeichnendes Licht auf den begrenzten Horizont der beiden. Weiter als über ihren Uni-Tellerrand scheint er nicht zu reichen. Warum sind sie denn nicht aus der SPÖ ausgetreten, als sie 2005 – ohne Not in der Opposition! – das widerliche Fremdenrechtspaket der Regierung mitbeschlossen hat? Das wäre ein Grund gewesen! Und da hätte es noch andere triftigere Austrittsgründe gegeben als der vermeintliche Bruch eines läppischen Wahlversprechens, dessen Einhaltung gar nicht in der Macht der SPÖ gelegen ist! Wenn ich das nächste Mal nicht SPÖ wähle, dann sicher nicht wegen Gusenbauer, sondern wegen solcher bescheuerter und erbärmlicher NachwuchspolitikerInnen in dieser Partei!

Que(e)rschuss LN 2/2007