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Kleine Fortschritte für Lebensgemeinschaften

Veröffentlicht am 13. Juli 2005
Im Juli 2005 beschloss der Nationalrat ein neues Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), mit dem u. a. drei EU-Richtlinien in österreichisches Recht umgesetzt wurden, mit denen auch die Niederlassungsfreiheit und Familienzusammenführung von EWR-BürgerInnen und Drittstaatsangehörigen innerhalb der EU neu geregelt wurden, was auch für Lesben und Schwule sehr relevant war. Ich berichtete darüber in den LN 4/2005.

Am 7. Juli 2005 hat der Nationalrat ein neues Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) beschlossen, mit dem u. a. drei EU-Richtlinien (2003/86, 2003/109 und 2004/38) in österreichisches Recht umgesetzt worden sind, mit denen u. a. auch die Niederlassungsfreiheit und Familienzusammenführung von EWR-BürgerInnen und Drittstaatsangehörigen innerhalb der EU neu geregelt werden (vgl. LN 1/2005, S. 12). Diese Regelungen betreffen aufgrund der in den Richtlinien vorgesehenen Angehörigendefinitionen auch Lesben und Schwule. Schon im Jänner 2005 hatte die HOSI Wien daher der damals gerade frisch angelobten Innenministerin Liese Prokop (ÖVP) geschrieben und sie mit unseren Anliegen konfrontiert. In einem bei dieser Gelegenheit übermittelten Exposé haben wir wichtige Fragen betreffend die Anerkennung im Ausland geschlossener gleichgeschlechtlicher Ehen, eingetragener Partnerschaften aber auch nichtehelicher Lebensgemeinschaften angeschnitten, wobei diese Anerkennung nicht nur EU- bzw. EWR-BürgerInnen und Drittstaatsangehörige betrifft, sondern auch österreichische Lesben und Schwule, die sich in einer binationalen Partnerschaft befinden und sich gemeinsam mit ihren PartnerInnen in Österreich niederlassen wollen, was insbesondere bei PartnerInnen aus Nicht-EWR-Staaten ein großes Problem darstellt. Den Wunsch der HOSI Wien nach einem Gesprächstermin hat Prokop übrigens abgelehnt.

Im NAG hat Österreich einmal mehr nur das absolute Minimum von dem umgesetzt, was die EU vorschreibt. Obwohl bereits in 15 der 28 EU- bzw. EWR-Staaten (und der Schweiz) gleichgeschlechtliche Partnerschaften rechtlich anerkannt werden – in drei sogar die standesamtliche Ehe geöffnet ist –, hat der österreichische Gesetzgeber diese Entwicklungen völlig ignoriert und so getan, als gebe es diese neuen Rechtsinstitute in halb Europa nicht, kritisierte daher die HOSI Wien in ihrer Aussendung am 7. Juli.

EWR-BürgerInnen, die ihr Recht auf Niederlassungsfreiheit in Anspruch nehmen und nach Österreich ziehen wollen, räumt das neue Gesetz z. B. selbst dann keinen Rechtsanspruch auf Familiennachzug ihrer gleichgeschlechtlichen PartnerInnen ein, wenn sie in ihrem Herkunftsland eine eingetragene Partnerschaft eingegangen sind. Das betrifft immerhin Deutschland, Frankreich, die fünf nordischen Länder und demnächst Großbritannien und die Schweiz. Auch darüber, ob gleichgeschlechtliche Ehegatten aus den Niederlanden, Belgien und demnächst Spanien in Österreich für den Zweck der Niederlassung anerkannt werden, schweigt sich das Gesetz verschämt aus. Diese Entscheidung will man offenbar den Höchstgerichten überlassen – ein entsprechender Fall ist anhängig: Bekanntlich hat Österreich im Vorjahr einem US-Bürger den Familiennachzug zu seinem deutschen Ehegatten verweigert (die beiden sind in den Niederlanden verheiratet), der eine Stelle in Wien annehmen wollte (vgl. LN 1/2005, S. 11).

 

Mehr Rechte

Dennoch haben gleichgeschlechtliche Paare jetzt mehr Rechte. Aufgrund der Richtlinie 2004/38 sind die Mitgliedsstaaten nämlich verpflichtet, auch die Einreise und den Aufenthalt eines gleichgeschlechtlichen Lebenspartners zu „erleichtern“. Zwar sieht das NAG für diesen keinen formalen Rechtsanspruch auf Niederlassung vor (es handelt sich um eine „Kann“-Bestimmung), aber andererseits können die Behörden nicht automatisch jeden Antrag gleichgeschlechtlicher LebensgefährtInnen ohne Begründung abweisen – das wäre EU-rechtswidrig: Die Richtlinie sieht ausdrücklich vor, dass der Aufnahmemitgliedsstaat eine eingehende Einzelprüfung vornehmen und eine etwaige Aufenthaltsverweigerung begründen muss. Im Gegensatz zu Familienangehörigen, die zur Kernfamilie zählen, sieht das NAG für LebensgefährtInnen auch keine Inlandsantragsstellung sowie bloß eine (allerdings quotenfreie) „Niederlassungsbewilligung – Angehöriger“ vor, die nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt – eine solche ist nur aufgrund einer nachträglichen quotenpflichtigen Zweckänderung erlaubt. Zur Kernfamilie zählende Angehörige (aus Drittstaaten) erhalten hingegen den Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EG“ (Antragstellung im Inland möglich), mit dem die unbefristete Niederlassung und der uneingeschränkte Zugang zum Arbeitsmarkt im gesamten Bundesgebiet verbunden sind.

Wichtig für österreichische StaatsbürgerInnen: Um sie nicht gegenüber anderen EU-Bürgern bei der Familienzusammenführung zu diskriminieren, gilt diese auch für sie: Gemäß § 47 Abs 3 Z 2 NAG kann auf Antrag auch den LebenspartnerInnen von ÖsterreicherInnen eine quotenfreie „Niederlassungsbewilligung – Angehöriger“ erteilt werden, wenn sie „das Bestehen einer dauerhaften Beziehung im Herkunftsstaat nachweisen“ können „und ihnen tatsächlich Unterhalt geleistet wird“.

Die HOSI Wien hat auf ihrem Website relevante Unterlagen zum NAG sowie eine Übersicht der für Lesben und Schwule wichtigen Neuerungen zusammengestellt.

 

Mitversicherung

Nach der bahnbrechenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom Juli 2003 in der von der HOSI Wien mitbetreuten Beschwerde Karner gegen Österreich (vgl. LN 4/2003, S. 6 ff) hat die HOSI Wien sofort auf die grundlegende, über das Mietrecht hinausreichende Bedeutung dieses Urteils hingewiesen: Jegliche rechtliche Ungleichbehandlung von verschieden- und gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften ist ebenfalls menschenrechtswidrig und daher zu beseitigen. Die blau-schwarze Regierung hat dies bis heute ignoriert und ist untätig geblieben. Allerdings will uns die ÖVP seit einem Jahr die Gleichstellung von Lebensgemeinschaften als ihre Variante der eingetragenen Partnerschaft und als große Errungenschaft verkaufen, wobei es bisher ohnehin bei einer bloßen Ankündigung geblieben ist. Nur: Diese Mogelpackung werden wir ihr nicht abnehmen. Zur Gleichstellung der Lebensgemeinschaften ist sie nach dem denkwürdigen Karner-Urteil Straßburgs ohnehin verpflichtet!

Zumindest der Verfassungsgerichtshof (VfGH) scheint jetzt im Lichte der Karner-Entscheidung bereit zu sein, frühere homophobe Fehlentscheidungen zu korrigieren: Am 23. Juni 2005 hat er den Beschluss gefasst, die diskriminierende Einschränkung der (früher kostenlosen, dank Schwarz-Blau jetzt – sofern keine Kinder vorhanden sind – nur mehr begünstigten) Mitversicherung von LebensgefährtInnen auf andersgeschlechtliche in den gesetzlichen Sozialversicherungen „von Amts wegen“ auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. In seinem Beschluss (B 47/05-7 und B 48/05-9) nimmt der VfGH selbst auf seine Ablehnung einer ähnlichen früheren Beschwerde im Juni 1998 Bezug (B 935/98), die er in der Folge an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hatte. Dieser wies die Beschwerde dann im Oktober 2001 (Zl. 98/08/0218) mit hanebüchenen und haarsträubenden Argumenten der Sonderklasse ab (vgl. LN 2/2002, S. 16): Wenn eine Frau und ein Mann zusammenleben, handle es sich in der Regel um eine Lebensgemeinschaft – „während im Falle des Zusammenlebens gleichgeschlechtlicher Personen auch dann, wenn eine Person den Haushalt führt, in tatsächlicher Hinsicht noch nicht ohne weiteres von einer (diesfalls homosexuellen) Lebensgemeinschaft ausgegangen werden kann“. Dieser von der HOSI Wien unterstützte Fall ist übrigens seit 2002 beim EGMR in Straßburg anhängig, noch wurde aber nicht über die Zulässigkeit dieser Beschwerde entschieden, aber angesichts des Karner-Urteils ist davon auszugehen, dass der EGMR die Beschwerde nicht nur annehmen, sondern die Republik Österreich auch wegen der diskriminierenden Sozialversicherungsgesetze verurteilen wird.

 

Anfrage an Plassnik

Ebenfalls in ihrer Ausgabe 1/2005 (S. 13) haben die LN über eine parlamentarische Anfrage der Grünen an Außenministerin Ursula Plassnik bezüglich der Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehegatten bzw. eingetragener PartnerInnen ausländischer DiplomatInnen durch Österreich berichtet. Im April wasserten die Grünen nochmals nach (Anfrage Nr. 2878/J), doch Plassnik ließ sich in ihrer Antwort vom 1. Juni (2824 AB) nicht mehr herauslocken als in ihrer ersten Antwort: „In jenen Bereichen, in denen eine Gleichstellung praktiziert werden kann, ohne gegen die herrschende Rechtslage zu verstoßen, wird sie auch entsprechend vollzogen.“ Doch „um die rechtliche Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare in Österreich, einschließlich solcher von Diplomaten, die in Österreich akkreditiert sind, ermöglichen zu können, müsste der allgemeine Familienbegriff des § 44 ABGB geändert werden“. Dies falle jedoch nicht in ihre Zuständigkeit.

Allerdings scheint sich das Außenamt nicht in allen Fällen sklavisch an den Familienbegriff des § 44 ABGB zu halten. Denn wie wir erfahren haben, hatte die Zweitfrau eines früher in Österreich mitakkreditierten Botschafters der Zentralafrikanischen Republik in Deutschland sehr wohl diplomatischen Status durch das österreichische Außenministerium erhalten – obwohl im § 44 von der Mehrehe keine Rede ist!