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Wahlen zum Europa-Parlament – ÖVP-Politiker-freies Europa

Veröffentlicht am 16. Juli 2004
Im Juni 2004 fanden die Wahlen zum Europäischen Parlament statt. Die HOSI Wien rief zur Stärkung der fortschrittlichen Parteien auf. Österreichische Medien fantasierten in diesem Zusammenhang wochenlang davon, dass ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel eine Chance auf den Posten des EU-Kommissionspräsidenten hätte. Völlig irreal, reine Science Fiction – nach dem Affront durch die Koalition mit der Haider-FPÖ –, wie ich in den LN 3/2004 amüsiert feststellte.

Die HOSI Wien rief dazu auf, die fortschrittlichen Kräfte bei der Wahl zum Europäischen Parlament im Juni 2004 zu stärken. Hier das Parlamentsgebäude in Brüssel.

Wolfgang Schüssel hatte keine Chance auf einen EU-Posten.

Mein Leserbrief in NEWS # 22 vom 27. Mai 2004 über die hochgradig lächerlichen Spekulationen in Österreich, Wolfgang Schüssel könnte EU-Kommissionspräsident werden!

Anlässlich der Wahlen zum Europäischen Parlament am 13. Juni 2004 hat sich die HOSI Wien an der vom europäischen Lesben- und Schwulenverband ILGA-Europa koordinierten EU-weiten KandidatInnen-Befragung beteiligt, obwohl für Österreich die Haltungen der einzelnen Parteien ohnehin seit langem bekannt sind und sich diese schon allein am Rücklauf an Antworten einmal mehr bestätigten. So wurde der Fragebogen von grünen und sozialdemokratischen KandidatInnen sowie von Leo Gabriel von der „Linken Opposition für ein solidarisches Europa“ ausgefüllt. Völlig ignoriert wurde die Befragung von der FPÖ und der Liste Hans-Peter Martins. Von den ÖVP-KandidatInnen antwortete nur Reinhard Rack.

Das Europäische Parlament hat sich in den letzten beiden Legislaturperioden als starker Verbündeter bei lesbisch-schwulen Anliegen erwiesen. Eine Mehrheit aus Sozialdemokratie, den Liberalen, der Vereinigten Linken und den Grünen hat gegen den mitunter erbitterten Widerstand der konservativen Kräfte für eine fortschrittliche Politik in lesbisch-schwulen Fragen gesorgt. Diese fortschrittliche Mehrheit galt es, auch nach dem 13. Juni 2004 zu erhalten. Die HOSI Wien rief daher in einer Medienaussendung am 8. Juni dazu auf, unbedingt zur Wahl zu gehen und für eine der fortschrittlichen Parteien zu stimmen: die Grünen, die Linke oder die Sozialdemokratie.

 

Kein Schüssel in Brüssel

Der Ausgang der EP-Wahlen war auch wichtig in Hinblick auf die Wahl des EU-Kommissionspräsidenten. Hier haben Österreichs Medien, allen voran der ORF, wochenlang unverdrossen über eine mögliche Wahl Wolfgang Schüssels an die Spitze der EU-Kommission spekuliert, obwohl von Anfang an klar war, dass er keine Sekunde eine echte Chance auf den Job in Brüssel hatte, da er im Jahr 2000 Haiders FPÖ in die Regierung geholt hatte. Bereits in einem in NEWS # 22 vom 27. Mai veröffentlichten Leserbrief bezeichnete der Autor dieser Zeilen diese Spekulationen als „reine Science Fiction“.

Als dann am 22. Juni 2004 der ÖVP-Politiker und amtierende Generalsekretär des Europarats, Walter Schwimmer, durch die Parlamentarische Versammlung dieser Organisation (nicht zu verwechseln mit dem EP!) aus seinem Amt gewählt wurde, nahm die HOSI Wien dies zum Anlass, in einer Medienaussendung am 23. Juni nicht nur ihrer großen Genugtuung und Freude über diese Abwahl Ausdruck zu verleihen, sondern sich auch zu Schüssels Nicht-Chancen zu Wort zu melden.

Vor fünf Jahren hatte die HOSI Wien gemeinsam mit der ILGA-Europa und deren Mitgliedsorganisationen eine mehrmonatige europaweite Kampagne gegen die Wahl Schwimmers geführt. Damals wäre es fast gelungen, ihn zu verhindern. Die Liberale Fraktion in der Parlamentarischen Versammlung konnte davon überzeugt werden, keinen homophoben Politiker zu unterstützen, der im österreichischen Parlament ständig gegen die Menschenrechte von Lesben und Schwulen gestimmt hatte. Dadurch schmolz Schwimmers ursprünglicher Vorsprung von rund 50 Stimmen auf zwei Stimmen zusammen. Mit dieser denkbar knappsten Mehrheit wurde der ÖVP-Politiker 1999 dann gewählt.

„Die Abwahl Schwimmers bestärkt uns, wieder eine europaweite Kampagne gegen einen ÖVP-Politiker zu starten, sollten die EU-Staats- und Regierungschefs wider Erwarten auf die Idee kommen, dem Europäischen Parlament Wolfgang Schüssel für den Posten des EU-Kommissionspräsidenten vorzuschlagen”, gab sich HOSI-Wien-Obfrau BETTINA NEMETH in der Aussendung kämpferisch: „Da Sozialdemokraten, Grüne, Vereinigte Linke und Liberale auch im neuen Europa-Parlament über eine Mehrheit verfügen, wäre die Chance groß, Schüssel, einen der homophobsten Politiker Europas, zu verhindern. Er und die ÖVP haben in den letzten 20 Jahren jeden rechtlichen Fortschritt für Lesben und Schwule torpediert und blockiert.“

„Da Schüssel auch wegen seiner Koalition mit der FPÖ in ganz Europa wohlgehasst ist, rechnen wir gegebenenfalls nicht nur mit der Unterstützung der europäischen Lesben- und Schwulenbewegung, sondern mit breitester Unterstützung der europaweiten Zivilgesellschaft, um den Druck auf das Europa-Parlament, Schüssel nicht zu wählen, zu verstärken“, zeigte sich Obmann CHRISTIAN HÖGL für den Fall des Falles optimistisch. Dieser trat bekanntlich dann – wie erwartet – nicht ein. Die Aussendung mailten wir auch an Hans-Gert Pöttering, den Vorsitzenden der Europäischen Volkspartei im EP von der CDU, der Schüssel am stärksten gepuscht hatte.