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Womit haben wir das verdient?

Erschienen am 16. Juli 2004

Die FPÖ-Krisen nehmen kein Ende, die Intervalle dazwischen werden immer kürzer. Und immer wieder ein und derselbe Ablauf, immer wieder dasselbe Déjà-vu. Es hängt einem wirklich schon zum Hals raus. Die entnervten BürgerInnen wissen nicht mehr, wie ihnen geschieht. Aber es gibt kein Entrinnen – einerseits, weil Bundeskanzler Wolfgang Schüssel die inzwischen wieder auf das Niveau von vor 20 Jahren zusammengeschrumpfte Minipartei für seine De-facto-ÖVP-Alleinregierung benötigt, andererseits weil die Medien bei diesem bösen Spiel mitspielen. Warum trommeln sie nicht so laut und so lange für Neuwahlen, bis Schüssel nachgibt? Wie lange will er mit der FPÖ noch weiterwurschteln?

Ja, die Medien! Der katastrophale Zustand der österreichischen Innenpolitik wird nur noch vom desaströsen Zustand der österreichischen Medien übertroffen – oder besser: unterboten. Allen voran der ORF belästigt uns bis weit jenseits jeglicher Schmerzgrenzen mit den internen Befindlichkeiten der FPÖ. Sollte die Absicht dahinter sein, der FPÖ mit soviel Medienpräsenz zu schaden, dann ist das sicher gut gemeint, aber dieser Zweck heiligt nicht diese Zumutung für die MedienkonsumentInnen. Nur weil die FPÖ immer noch in der Regierung vertreten ist, rechtfertigt das nicht diese hysterisch aufgeblasene Berichterstattung. Warum kann man die FPÖ nicht einfach ignorieren, wenn sie schon nicht den Anstand hat, ihr Scheitern einzugestehen und sich zu schleichen? Wen interessiert es noch, ob nun ein Herr Strache oder ein Herr Stadler Vizeobmann dieser Chaostruppe wird?

Grandioses Scheitern

Wie recht hatte doch Thomas Klestil – Gott hab ihn selig – mit seiner Ablehnung des blau-schwarzen Experiments im Jahr 2000: Es ist grandios gescheitert, die FPÖ hat ihre Chance gehabt – und vertan. Das wird nichts mehr! Das Land hat es nicht verdient, auch nur einen Tag länger von diesen inkompetenten Politclowns regiert zu werden. Es waren ohnehin viereinhalb verlorene Jahre für Österreich. Die Regierungszeit Schüssels als Bundeskanzler wird einmal als eine der schlechtesten der Zweiten Republik in die Geschichte eingehen…

Apropos Medien und Schüssel: Überhaupt wundert man sich nur mehr über die verqueren Perspektiven und Fokussierungen der österreichischen Medien. Obwohl eigentlich jedem durchschnittlich politisch interessierten und gebildeten Menschen von Anfang an klar war, dass Wolfgang Schüssel wegen seiner Koalition mit der Haider-FPÖ nicht die geringste Chance auf den Posten des EU-Kommissionspräsidenten hatte, bauten Österreichs Medien über Wochen und Monate einen unglaublichen Popanz an Spekulationen auf. Hochgradig lächerlich!

Und dasselbe passiert im Kleinen: Da wurde plötzlich Neo-FPÖ-Staatssekretär Eduard Mainoni zu jemand, der für die Anliegen Homosexueller eintritt (Der Standard vom 26. 6.) und für die Gleichstellung (profil # 27 vom 28. 6.) und gegen die Diskriminierung (Falter # 27 vom 30. 6.) von Lesben und Schwulen kämpft. Wie bitte? Wo haben diese Medien bloß diesen Unsinn her? In Österreich wird offenbar schon jeder zum Unterstützer der lesbisch/schwulen Sache geadelt, der ihr nicht von vornherein mit kategorischer Ablehnung gegenübertritt und keine gröberen Berührungsängste hat. Weit haben wir’s gebracht mit unserem demokratischen und menschenrechtlichen Referenzsystem! Aber trotzdem: Jemanden gleich zum „Kämpfer“ hochzustilisieren, der eigentlich völlig selbstverständliche Haltungen vertritt und sich auch schon mal zu einer Podiumsdiskussion ins HOSI-Zentrum wagt, ist ebenfalls hochgradig lächerlich!

Und apropos recht behalten: In der letzten Ausgabe habe ich an dieser Stelle die reaktionären VerfassungsrichterInnen kritisiert. Mit ihrem jüngsten Entscheid, das in Wien eingeführte Wahlrecht für alle AusländerInnen auf Bezirksebene (nach fünf Jahren Aufenthalt in der Stadt) sei verfassungswidrig, haben sie einmal mehr den Beweis angetreten, dass sie reaktionäre Gesellschaftspolitik betreiben. Wobei sie sich nicht nur haarsträubende Begründungen konstruierten, die auch von Verfassungsrechtlern heftig kritisiert worden sind, sondern auch noch so hanebüchene Argumente vorbrachten wie, das Recht gehe vom Volk aus, daher müsse das Wahlrecht an die österreichische Staatsbürgerschaft gekoppelt sein. Dass dies für EU-BürgerInnen nicht gilt, störte den VfGH genauso wenig wie der Umstand, dass von den Bezirksvertretungen gar kein Recht ausgeht, weil sie gar keine Gesetzesvorschriften beschließen (können). Das VfGH-Urteil ist indes ganz einfach zu unterlaufen: Wien braucht bloß alle, die dies wünschen, spätestens nach fünf Jahren kostenlos einbürgern.

Kurts Kommentar LN 3/2004