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Jugoslawien: CSD-Veranstaltung überfallen und aufgelöst

Veröffentlicht am 31. Juli 2001
Der erste Versuch, 2001 in Belgrad, damals noch (Rest-)Jugoslawien (Serbien und Montenegro), eine Pride-Parade abzuhalten, endete im blutigen Chaos. Die Polizei war völlig überfordert und hatte den gewalttätigen Mob total unterschätzt. Ich berichtete darüber in den LN 3/2001.

Der erste Versuch, in Belgrade eine Pride-Parade abzuhalten, endete blutig.

Während in Wien die EuroPride-Regenbogenparade ein friedvolles und freudiges Fest des Stolzes war, wurde zur gleichen Zeit am Nachmittag des 30. Juni in Belgrad die CSD-Demonstration von serbischen Nationalisten und Anhängern zweier Fußballclubs gewaltsam attackiert, Die rund 50 TeilnehmerInnen wurden verprügelt und in die Flucht geschlagen. Die Demonstration auf dem Platz der Republik war ordnungsgemäß angemeldet worden. Obwohl die homophoben Gegner der geplanten Veranstaltung angekündigt hatten, die Lesben- und Schwulendemo verhindern bzw. auflösen zu wollen, hat es die Belgrader Polizei verabsäumt, trotz vorheriger entsprechender Zusagen die CSD-Demo vor den Gegnern entsprechend zu schützen.

Der gewalttätige homophobe Mob prügelte schließlich brutal auf die Lesben und Schwulen, aber auch auf JournalistInnen und zufällig anwesende PassantInnen, die sich am Trg Republika und in der angrenzenden Srpskih Vladara-Straße aufhielten, ein. Die Polizei hatte offenbar die Übermacht des Mobs unterschätzt, denn sie war in viel zu geringer Zahl anwesend. Nicht nur aus diesem Grund griff sie auch nicht gleich ein, sondern wohl auch, weil viele der Polizisten mit den Angreifern sympathisierten, was sie durch entsprechende Bemerkungen zum Ausdruck brachten. Als die Angriffe immer wüster wurden, mußten sie indes eingreifen, immerhin waren etliche TV-Kamerateams anwesend. Rund 40 TeilnehmerInnen an der CSD-Demo und Polizisten wurden z. T. schwer verletzt.

Das Ausmaß der Gewalttätigkeit ist wohl auch auf die große Frustration der serbischen Nationalisten zurückzuführen, schließlich war ihr geliebter Führer Slobodan Milošević nur zwei Tage zuvor ans Kriegsverbrechertribunal im Haag ausgeliefert worden. Homosexuellenhaß hat sich aufgrund eines Jahrzehnts entsprechender Propaganda tief im kollektiven Bewußtsein Serbiens festgesetzt. Die Propaganda des Regimes hatte unter den Feinden Serbiens immer auch die Kategorie der Homosexuellen genannt. Gegner wurden regelmäßig als Homosexuelle denunziert, in diesem Bereich hat sich eine regelrechte Paranoia entwickelt. Die Diskreditierung durch den Vorwurf der Homosexualität betraf aber nicht nur äußere Gegner (wie muslimische Bosnier, kroatische oder slowenische Politiker), sondern war auch gang und gäbe im innerserbischen Machtkampf – und nicht nur auf seiten der Nationalisten.

Die HOSI Wien beteiligte sich übrigens an einer Kampagne der ILGA-Europa und schrieb einen Protestbrief an den serbischen Innenminister Dušan Mihajlović und auch an Außenministerin Benita Ferrero-Waldner. Der Zwischenfall fand nur einen Tag nach der Geberkonferenz in Brüssel statt, bei der Jugoslawien 530 Millionen Euro an Unterstützungsgeldern zugesagt wurde. Eine Unterstützung, an die die Bedingung geknüpft wurde, daß Jugoslawien bestimmte allgemein respektierte Standards in Sachen Menschen- und Minderheitenrechte einhält. Wir verlangten von Ferrero-Waldner, als Vertreterin eines Landes, die einen Teil der genannten Unterstützung an Jugoslawien zur Verfügung stellen wird, der jugoslawischen Regierung unmißverständlich klarzumachen, daß es zu den Bedingungen gehört, daß sie auch die Menschenrechte von Lesben, Schwulen und Transgender-Personen zu garantieren und diese Minderheiten vor Gewalt und Diskriminierung zu schützen hat.

Weitere Infos: www.Gay-Serbia.com