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Schätzt das Burgenland nicht gering!

Erschienen am 12. Januar 2001

Das meinte SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer im LN-Interview (siehe S. IV im special) auf die Frage, ob nicht ein rot-grünes Vorläuferprojekt in Wien die stärkere Signalwirkung auf den Bund hätte als eines im Burgenland. Seine Antwort trifft zwar nicht wirklich auf die gestellte Frage zu, erwies sich aber insofern als stimmig, als sich das Burgenland anschickt, eine Versuchsstation für tatsächlich neue Formen des Regierens und der Mehrheitsfindung im Landtag zu werden. Neu ist das allerdings nur für Österreich. In fortgeschritteneren Demokratien ist es ohnehin längst gang und gäbe, daß sich mehr als zwei Parteien zusammenraufen müssen und sich im Parlament je nach Sachfrage wechselnde Mehrheiten finden. Starre Koalitionskorsetts, wie sie schließlich Rot-Schwarz bei uns im Bund zum Verhängnis wurden, sind unter solchen Voraussetzungen natürlich gar nicht möglich. Österreich ist aber für parteipolitische Vielfalt offenbar nicht wirklich reif – statt mehr Parteien gibt es ja seit 1999 wieder um eine Partei weniger im Nationalrat.

Die burgenländische SPÖ hat sich also entschlossen, keine feste Koalition mit einer der anderen im Landtag vertretenen Parteien einzugehen. Mehrheiten sind sowohl mit den Grünen, der ÖVP als auch der FPÖ möglich. Man hat mit den Grünen und der ÖVP Teilvereinbarungen getroffen, aber mit keinem Partner einen Koalitionsvertrag vereinbart, der alles bis ins letzte Detail festlegen und keinerlei Spielraum lassen würde. Insofern könnte das Burgenland in der Tat eine Art innovatives Demokratielabor werden, falls das Experiment nicht doch wieder in rein rot-schwarzem Regieren endet, was ja durch die Proporz-Verfassung, die hoffentlich als nächstes abgeschafft wird, begünstigt würde (ihr zufolge gibt es ja jetzt vier rote und drei schwarze Regierungsmitglieder).

Die Wiener SPÖ hat 1996 leider auf eine solche Lösung verzichtet und es vorgezogen, es sich in einer Koalition mit der Wiener ÖVP bequem zu machen: Zwei Frühstücksdirektoren und ein bißchen mehr Geld für schwarze Vereine (Eva Weissenberger in der Presse vom 30. Dezember) – mehr Zugeständnisse an die 18-%-Partei wurden der SPÖ nicht abverlangt. Mit Grünen und LiF wäre das Regieren da weitaus beschwerlicher gewesen. Das wollte sich die Wiener SPÖ nicht antun. Da war ihr auch der Preis, sich durch die fixe Koalitionsvereinbarung mit Haut und Haar der Minipartei auszuliefern, nicht zu hoch.

Daß man sich bei einer in Homosexuellenfragen nicht einmal gesprächsbereiten ÖVP nicht durchsetzen konnte – diese Rechtfertigung war zwar im Bund glaubhaft, ist in Wien aber nur eine bequeme Ausrede. Dort hätte die SPÖ andere Optionen (gehabt).

Uns ist schon klar, daß Lesben- und Schwulenfragen nicht der Nabel der Welt in der Mainstream-Politik sind, aber wir haben auch kein Verständnis für eine Diktatur einer 18-Prozent-Partei. Nochmals: Im Bund mußte die ÖVP-Diktatur (dort immerhin zuletzt noch 27 %) in den 14 Jahren der Großen Koalition mangels besserer Optionen zähneknirschend hingenommen werden, in Wien hätte es Alternativen gegeben – und wird es geben.

Hätte 1996 die SPÖ in Wien eine Ampelkoalition gemacht und der Bevölkerung drei Jahre lang gezeigt, daß eine solche durchaus regieren kann, wären möglicherweise auch die Nationalratswahlen 1999 anders ausgegangen. Eine vertane Chance. Aber den Schaden hat ohnehin in erster Linie die SPÖ selbst.

Umso unverständlicher ist es, daß – im Gegensatz zu Gusenbauer für den Bund – die Wiener SPÖ immer noch keine klare und offensive Präferenz für Rot-Grün in Wien erkennen läßt. Ja nicht einmal für ein Modell à la Burgenland. Die Stellungnahme der SPÖ Wien für die LN überzeugt mich jedenfalls nicht. Sie klingt ganz danach, daß die lesbisch/schwulen Anliegen letztendlich wieder unter den Tisch fallen werden. Durch eine Art höhere Gewalt, für die niemand etwas kann.

Sollte sich die SPÖ Wien im Laufe des Wahlkampfes nicht eindeutig festlegen auf eine Koalition mit den Grünen (und eventuell dem LiF) oder auf ein freies Spiel der Kräfte im Landtag oder auf eine Koalition mit der ÖVP nur unter der Bedingung, daß es für bestimmte Fragen, wie solchen, die Lesben und Schwule betreffen, einen koalitionsfreien Raum gibt, dann kann man wohl Lesben und Schwule nicht guten Gewissens empfehlen, der SPÖ ihre Stimme geben. Denn dann könnte es passieren, daß sie mit ihrer Stimme auch wieder die ÖVP in die Regierung hineinwählen. Da wäre es zweifellos weitaus vernünftiger, dafür zu sorgen, daß die Grünen zweitstärkste Partei in Wien werden, um der SPÖ damit deutlich die Koalitionspräferenzen zu signalisieren.

Kurts Kommentar LN 1/2001