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Lesben- und Schwulenrechte auf der KSZE – II. Teil

Veröffentlicht am 14. April 1992
Vom März bis Juli 1992 fand in der finnischen Hauptstadt Helsinki das 4. Folgetreffen der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) statt. Anlass genug für die International Lesbian and Gay Association (ILGA), ihre Forderung an die KSZE zu erneuern, abermals eine Parallelaktivität abzuhalten und direktes Lobbying bei den Delegationen der Teilnehmerstaaten zu betreiben, wie ich in den LN 2/1992 berichtete.

Der Dom zu Helsinki am Senatsplatz

Das KSZE-Folgetreffen in Helsinki fand im Marina-Kongresszentrum statt.

Am 4. und 5. April 1992 fand in Helsinki eine vom finnischen Lesben- und Schwulenverband SETA organisierte offizielle Parallelaktivität zum KSZE-Folgetreffen statt – Titel: Lesben-, Schwulen- und Bisexuellenrechte im neuen Europa. Diverse Aspekte dieses Themas wurden in Plenar- und Workshopsitzungen von rund 150 TeilnehmerInnen diskutiert. Unter den ausländischen TeilnehmerInnen befanden sich starke Delegationen aus den baltischen Staaten und aus Rußland. Aus Österreich nahmen ILGA-Generalsekretär JOHN CLARK und der Autor dieser Zeilen teil, die beide eingeladen wurden, eine Rede bzw. ein Referat zu halten.

Da eine Absicht mit dieser Parallelaktivität darin lag, die „Haupt“-Konferenz zu beeinflussen, wurde – wie schon im Vorjahr beim Moskauer Treffen der Konferenz über die menschliche Dimension der KSZE (vgl. LN 4/1991, S.42 ff) – eine Resolution verabschiedet, mit der der vorgeschlagene Text für die Aufnahme von Lesben- und Schwulenrechten ins offizielle KSZE-Dokument unterstützt wird. John Clark hat sich bereits im Jänner im Namen der ILGA an alle KSZE-Delegationen gewandt, um ihr Anliegen für Helsinki abermals vorzubringen. Wie schon in Moskau wollen ILGA-VertreterInnen mit den Delegationen zusammentreffen und für dieses Anliegen Lobbying betreiben. Zu diesem Zweck haben sich John Clark und einige TeilnehmerInnen an der Parallelaktivität aus Schweden und Deutschland länger in Helsinki aufgehalten. Die Hauptlast der Gespräche, Treffen und des Lobbying wird jedoch diesmal auf SETA, der lokalen Gruppe vor Ort, liegen.

Wie schon in Moskau wird ein entscheidender Punkt die Frage sein, ob irgendein Land bereit ist, den ILGA-Vorschlag offiziell einzubringen. Denn erst dann kann er diskutiert werden. Es besteht einige Hoffnung, daß Norwegen dies tun wird. Zumindest haben unsere norwegischen KollegInnen diesbezüglich vielversprechende Gespräche geführt. Der norwegische Außenminister Thorvald Stoltenberg [1931–2018] hat jedenfalls dieses Thema in seiner Rede aus Anlaß der Eröffnung des Folgetreffens am 25. März wie folgt aufgegriffen: Die KSZE-Menschenrechtsstandards und -verpflichtungen sind äußerst fortgeschritten. Wir mögen uns in der Tat den äußeren Grenzen in Hinblick auf das Setzen neuer Standards nähern. Auf einigen Gebieten hingegen können immer noch weitere Fortschritte erzielt werden. Und als Beispiele führte er die Rechte der Urbevölkerungen sowie die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung an. Prinzipiell unterstützend zeigte sich auch die schwedische Außenministerin Margaretha af Ugglas im März in Beantwortung einer diesbezüglichen Anfrage eines Abgeordneten der Linkspartei (Vänsterpartiet). Sie wollte aber nicht versprechen, daß die schwedische KSZE-Delegation mit dem ILGA-Vorschlag in Helsinki vorpreschen würde.

Sollte Norwegen und/oder Schweden das Thema Lesben- und Schwulenrechte zur Debatte stellen, kann man gespannt sein, ob es Gegenstimmen aus dem Kreis der mittlerweile 51 KSZE-Teilnehmerstaaten geben wird. Bekanntlich kann die KSZE nur einstimmige Konsensbeschlüsse fassen. Im Juli werden wir mehr wissen.

 

Nachträgliche Anmerkung:

Über das weitere Lobbying in Helsinki berichtete ich den LN 3/1992, S. 48 ff.