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Schwulen- und Lesbenrechte auf der KSZE

Veröffentlicht am 22. Oktober 1991
Im September 1991 flog ich zweimal nach Moskau (damals noch Sowjetunion), um im Auftrag der International Lesbian and Gay Association (ILGA) insgesamt sieben Tage lang als NGO-Vertreter Lobbying für die Anerkennung der Menschenrechte von Lesben und Schwulen im Rahmen des KSZE-Prozesses zu betreiben. In den LN 4/1991 berichtete ich ausführlich darüber. Moskau war der Auftakt zu intensiven und systematischen Aktivitäten bei der KSZE, später OSZE.

Direkt neben dem Sitz der Duma, im Haus der Gewerkschaften, Dom Sojusow, fand das Moskauer Treffen der Konferenz über die menschliche Dimension der KSZE statt.

Der Tagungssaal war auch recht prunkvoll.

Meine Akkreditierungskarte

Direkt vis-à-vis vom Haus der Gewerkschaften stand das Hotel Moskwa an der Ecke Manege-Platz (Манежная площадь)/Uliza Ochotnij rjad (Улица Охотный ряд) – ein monumentaler Bau aus der Stalinzeit (eröffnet 1935). 2002 wurde es geschlossen und 2004 abgerissen. Von 2005 bis 2014 wurde das Hotel im alten Stil von der STRABAG neu aufgebaut.

TeilnehmerInnen an der schwul/lesbischen Parallelaktivität „Menschenrechte für Schwule und Lesben“ am 7. und 8. September 1991 in der prunkvollen Eingangshalle der Akademie der Sozialwissenschaften, wo diese Tagung stattfand,...

...und im Hörsaal.

Bereits 1991 gab es zwei Homo-Zeitschriften in Moskau. Hier ein Cover von „RISK"...

...und eines von „TJEMA": Werbung für Kondom-Verwendung mit nacktem Leonid Breschnjew.

Selbst in der Sowjetunion gab es 1991 bereits öffentliche Anti-AIDS-Kampagnen. Hier das Plakat, das damals überall in den Moskauer U-Bahn-Zügen affichiert war.

Vom 10. September bis 4. Oktober 1991 fand in Moskau das Dritte Treffen der Konferenz über die menschliche Dimension der KSZE (Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) statt. Die International Lesbian and Gay Association (ILGA) nahm dies zum Anlaß, ihr Anliegen, dass auch innerhalb des KSZE-Prozesses explizit die Menschenrechte von Lesben und Schwulen anerkannt und garantiert werden, einzubringen.

Innerhalb der ILGA besteht schon längere Zeit eine Arbeitsgruppe, die sich ausschließlich dem Lobbying beim Europarat (Erlangung von Beraterstatus – vgl. LN 1/1991, S. 67; Verabschiedung eines Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, in dem „sexuelle Orientierung“ als schutzwürdige Kategorie ausdrücklich angeführt wird – vgl. LN 3/1990, S. 47, und 1/1991, S. 68) sowie bei der KSZE widmet. Dieser Arbeitsgruppe gehört neben folgenden Organisationen auch die HOSI Wien an: LBL (Dänemark), DNF-48 (Norwegen), RFSL (Schweden), Stonewall (Großbritannien), COC und Homostudies (Niederlande), SETA (Finnland) und Projet Ornicar (Frankreich).

Die Lobbying-Aktivitäten der Schwulen- und Lesbenbewegung gehen an und für sich bereits ins Jahr 1986 zurück. Damals richtete zu Beginn des Wiener KSZE-Folgetreffens (1986–89) die HOSI Wien an alle Delegationen ein Schreiben, in dem die Anerkennung des Rechts von Lesben und Schwulen, ihre sexuelle Orientierung ohne Diskriminierung zu leben, eingefordert wurde (dieser Brief ist im vollen Wortlaut in den LN 1/1987, 11 f, abgedruckt). Damals führten wir mit einigen Delegationen mehr oder weniger kurze Briefwechsel, etliche Delegationen reagierten überhaupt nicht, sodaß wir nach einem Jahr, im November 1987, neuerlich alle – damals 35 – Delegationen anschrieben (vgl. LN 1/1988, S. 9). Doch das Wiener Folgetreffen ging zu Ende, ohne daß im Abschließenden Dokument die Lesben- und Schwulenrechte erwähnt worden wären. Damals hatte die KSZE auch andere Prioritäten.

 

Die menschliche Dimension

Das Wiener Folgetreffen war aber insofern wichtig, als in dessen Abschließendem Dokument die Konferenz über die menschliche Dimension (KMD) und ihre drei Treffen festgelegt wurden. Dabei handelt es ich um die Erörterung und Diskussion der Menschenrechtsfragen, die auch unter dem Begriff „Korb 3“ bekannt sind. Die Treffen der Konferenz über die menschliche Dimension der KSZE sind von den Medien meist auch der Einfachheit halber als KSZE-Menschenrechtskonferenzen bezeichnet worden (zur Geschichte und Entwicklung des KSZE-Prozesses siehe Text am Ende dieses Beitrags). Die ersten Treffen der KMD fanden 1989 in Paris und 1990 in Kopenhagen statt. In Kopenhagen trat die ILGA bei den offiziellen Parallelaktivitäten zum erstenmal im KSZE-Prozeß in Erscheinung. Bei diesen Aktivitäten handelt es sich um Seminare, Rund-Tisch-Gespräche und Tagungen von nichtstaatlichen Organisationen, meist solchen, die sich mit Menschenrechten im allgemeinen oder mit Rechten ethischer Minderheiten in den einzelnen Teilnehmerstaaten im besonderen beschäftigen. Über diese Parallelaktivität der ILGA in Kopenhagen haben wir in den LN 3/1990, S. 47, berichtet.

 

Gespräch im Außenministerium

Die erwähnte ILGA-Arbeitsgruppe kam überein, daß alle Mitgliedsorganisationen in Hinblick auf das Moskauer Treffen der KMD die offiziellen Delegationen ihres Landes kontaktieren und unser Anliegen vorbringen sollten. Das tat auch die HOSI Wien in mehreren Telefongesprächen, und schließlich trafen am 31. Juli JOHN CLARK und ich ein Mitglied der österreichischen KSZE-Abteilung im Wiener Außenministerium zu einem persönlichen Gespräch, das sehr erfreulich war. Der Diplomat war sehr entgegenkommend und informierte uns über all die Möglichkeiten, die nichtstaatliche Organisationen (NGOs) im Rahmen der KSZE haben, um ihre Anliegen vorzubringen:

Es sei bei den KMD-Treffen nicht nur vorgesehen, daß NGOs Parallelaktivitäten durchführen, sondern freien Zugang zur offiziellen Konferenz haben, daß man über das Exekutivsekretariat mit den Delegationen in Verbindung treten und Gesprächstermine ausmachen könne.

Die sowjetischen Behörden hätten versichert, die entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen, Visa würden problemlos erteilt, man könne in der Zeit der Tagung auch privat wohnen und müsse keines der teuren Ausländerhotels buchen, um ein Visum zu erhalten. Man müsse nicht einmal als NGO-Vertreter bei den Parallelaktivitäten akkreditiert sein, um auch Zutritt zur KMD zu haben. Usw. usf.

Zum Schluß gab er uns noch Einsicht in die Arbeitsweise der KSZE und somit auch Tips, wie wir am besten unsere Anliegen „ventilieren“ könnten, wie das neudeutsch so schön heißt. Zum Beispiel werden nur Vorschläge diskutiert, die eine Delegation oder mehrere gemeinsam vorlegen; verabschiedet werden sie nur im Konsens, also wenn nur eine Delegation gegen einen Vorschlag ist, kann er nicht ins Abschließende Dokument aufgenommen werden.

Wichtig sei es also, eine Delegation zu finden, die das Anliegen der ILGA einbringen würde. All diese Informationen bedeuteten für die HOSI Wien eine Menge Arbeit, denn die Zeit bis zum Moskauer Treffen war kurz.

 

Brief an die AußenministerInnen

John und ich entwarfen einen Brieftext und einen Textvorschlag für die Anerkennung von Lesben- und Schwulenrechten im Dokument des Moskauer KDM-Treffens. Diese wurden mit den anderen Mitgliedern der ILGA-Arbeitsgruppe diskutiert. Am 9. August schickte John in seiner Eigenschaft als ILGA-Generalsekretär ein Schreiben an die AußerministerInnen aller (damals immer noch 35) Teilnehmerstaaten, in dem er folgenden Textvorschlag zur Diskussion und Aufnahme ins Dokument des Moskauer KMD-Treffens präsentierte:

Die Teilnehmerstaaten erachten das Recht jedes Menschen, in Übereinstimmung mit seiner sexuellen Orientierung zu leben, als grundlegendes Menschenrecht und werden Maßnahmen ergreifen, um Diskriminierung von Personen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung zu beseitigen und zu verhindern.

Der Ausdruck „sexuelle Orientierung“ meint die sexuelle Hingezogenheit zu einer Person des gleichen Geschlechts oder des anderen Geschlechts, sei es, daß diese sich in physischer oder emotionaler Form manifestiert.

An ILGA-Mitgliedsorganisationen in den KSZE-Teilnehmerstaaten wurden Kopien dieser Briefe mit der Aufforderung geschickt, bei ihren AußenministerInnen und KSZE-Delegationen in dieser Sache nachzustoßen, was etliche Gruppen auch taten. Einige der AußenministerInnen beantworteten Johns Brief, wobei meist nur der Empfang bestätigt wurde. Speziell die Außenministerien der Schweiz und des Vereinigten Königreichs hingegen antworteten darüber hinausgehend sehr positiv und unterstützend.

Unsere Schwesterorganisation LBL traf ihrerseits mit dem Leiter der dänischen KSZE-Delegation zusammen, der bei diesem Gespräch zusagte, den ILGA-Vorschlag in Moskau zur Diskussion zu stellen. RFSL wiederum kontaktierte die schwedische Delegation, sowohl vorher in Stockholm als auch vor Ort in Moskau.

Das Visum zu erhalten erwies sich dann doch nicht als so einfach, obwohl man im Konsulat nicht mit der Wimper zuckte, daß ich in meinen Visaanträgen anführte, als ILGA-Vertreter zum KMD-Treffen fahren bzw. auf der von RFSL in Zusammenarbeit mit der Moskauer Schwulen- und Lesbengruppe ARGO organisierten Parallelaktivität Menschenrechte für Schwule und Lesben in Europa (darüber später) zwei Vorträge halten zu wollen. Ich füllte das vorgesehene Akkreditierungsformular für die Parallelaktivitäten aus und schickte es an das Konferenzsekretariat in Moskau. Dann kam der Putsch, und es sah so aus, als könnte das KDM-Treffen gar nicht stattfinden. Doch der Spuk war bald vorbei – und am letzten Öffnungstag des Konsulats vor meinem gebuchten Flug bekam ich fünf Minuten vor Ende des Parteienverkehrs das Visum für meine erste Reise nach Moskau zur Parallelaktivität. Eine energie- und zeitraubende Odyssee war zu Ende!

 

Schwul/Lesbische Parallelaktivität

Am Wochenende vor der Eröffnung des KMD-Treffens, 7. bis 8. September 1991, fand in einem luxuriösen Bonzenbau der Akademie der Sozialwissenschaften (einer Kaderschmiede der KPdSU) die auch im offiziellen Programm der Parallelaktivitäten aufgelistete Rund-Tisch-Konferenz Menschenrechte für Schwule und Lesben in Europa statt, die vom schwedischen Außenministerium mit 10.000 Kronen unterstützt wurde. Daß sich in diesem Prunkbau der Partei einmal Lesben und Schwule ein Stelldichein geben würden, hätten sich die Parteiveteranen wohl nie im Leben träumen lassen.

Vortragende aus dem In- und Ausland referierten in diesen zwei Tagen über verschiedene Themen und diskutierten mit den rund 80 bis 100 ZuhörerInnen, ebenfalls aus dem In- und Ausland.

WLADISLAW ARZATBANOW alias Ortanow, führender ARGO-Aktivist, berichtete über die aktuelle Lage in der Sowjetunion, SERGEJ SCHTSCHERBAKOW aus St. Petersburg über die Verfolgung von Schwulen durch Polizei und Gerichte (in der Sowjetunion ist Homosexualität nach wie vor unter erwachsenen Männern verboten, jedes Jahr gibt es an die 1000 Ermittlungen und rund 80 Verurteilungen nach dem berüchtigten § 121), ROBERT LAWRISCHEW aus Moskau über die Berichterstattung zur Homosexualität in den sowjetischen Massenmedien; LILIAN KOTTER und BENNO MARGUS berichteten über die estnische Lesben- und Schwulenbewegung.

HASSE YTTERBERG von RFSL referierte über das von der KSZE und durch internationale Vereinbarungen gewährleistete Recht auf Freizügigkeit in Zusammenhang mit Reisebeschränkungen für Personen mit HIV/AIDS. Ich hielt ein Referat über den KSZE-Prozeß und wie die ILGA versucht, diesen im Sinne ihrer Anliegen zu beeinflussen, und gab einen Überblick über die Lage von Schwulen und Lesben in Osteuropa.

 

Resolutionen

Das Parallel-Seminar diskutierte und verabschiedete überdies vier Resolutionen. Eine richtete sich an das KMD-Treffen und unterstützte den ILGA-Vorschlag (siehe oben), eine richtete sich an Staatspräsident Gorbatschow, den Staatsrat und den Obersten Sowjet der UdSSR mit der Forderung nach Freilassung aller politischen Gefangenen, eine dritte richtete sich an den russischen Präsidenten Jelzin, den Obersten Sowjet und den Obersten Gerichtshof Rußlands mit den Forderungen, die Anwendung des § 121.1 des russischen Strafrechts sofort zu suspendieren, alle deswegen im Gefängnis sitzenden Personen sofort zu amnestieren, § 121.1 abzuschaffen und Absatz 2 in die entsprechende Bestimmung für heterosexuelle Handlungen zu übernehmen sowie alle Personen, die aufgrund des § 121.1 jemals inhaftiert waren, zu rehabilitieren und in ihren Bürgerrechten uneingeschränkt wiederherzustellen.

Eine vierte Resolution ging an niemand geringeren als den „kleinen Polen“ (O-Ton Dame Edna) im Vatikan. Er wurde aufgefordert, in der offenbar in Vorbereitung befindlichen Sexualenzyklika ausdrücklich anzuführen, daß diese nicht von Regierungen und Staaten dazu mißbraucht werden dürfe, bestimmte Lebensstile zu diskriminieren. Ich stimmte als einziger dagegen – als ob ausgerechnet Wojtyła von einer zweitausendjährigen Praxis der katholischen Kirche abgehen würde! (Aufgrund des Zeitdrucks, unter dem die Tagung stand, wollten die GegnerInnen dieser Resolution allerdings keine lange Diskussion vom Zaun brechen!)

Das Seminar endete mit einem Mißton, weil ROMAN KALININ von der anderen Moskauer Gruppe MSLG sich heftig und bitterlich bei den VeranstalterInnen beschwerte, nicht prominenter im Programm berücksichtigt worden zu sein. Zwischen ARGO und MSLG gibt es leider große Spannungen (siehe später).

ARGO gelang es, für ausgezeichnete Mediendeckung zu sorgen. Am 7. 9. war sogar ein Kamerateam des zweiten sowjetischen Fernsehens auf der Tagung (und interviewte mich), allerdings wurde sie dann in der Hauptabendnachrichtensendung nur in einer kurzen verlesenen Meldung erwähnt. In einer Sendung des ersten sowjetischen Radioprogramms sowie in einem Bericht der Tageszeitung Moskowskij Komsomolez am 17. 9. wurde über die KSZE-Aktivitäten der ILGA sowie die Resolutionen an die sowjetischen und russischen Stellen berichtet.

 

Persönliches Lobbying

Ausgestattet mit den besten Wünschen aller TeilnehmerInnen am ILGA-Sekretariatetreffen in Amsterdam (siehe Bericht auf S. 51 in diesem Heft) und neuen Briefen des ILGA-Generalsekretärs an alle Delegationen sowie Kopien der Schreiben an die jeweiligen AußenministerInnen und der Resolution von der Parallelaktivität, flog ich am 16. September ein zweites Mal nach Moskau (diesmal war das Visum kein Problem mehr), um mit möglichst vielen der inzwischen 38 Delegationen (Estland, Lettland und Litauen waren dazugekommen) persönlich über das Anliegen der ILGA zu sprechen. Gleich am ersten Tag begab ich mich zum Dom Sojusow, dem Haus der Gewerkschaften in der Nähe des Roten Platzes, wo die KDM tagte, und füllte die erforderlichen Ansuchen um Gesprächstermine für alle 38 Delegationen aus und gab sie mit den ILGA-Briefen an die Delegationen im Sekretariat ab.

In den vier restlichen Tagen bis zum 20. September gelang es mir, mit 25 der 38 Delegationen in Kontakt zu kommen und zu sprechen. Alle Delegationen hatten im über der Straße gelegen Hotel Moskwa Büros bezogen, die Delegationen der Kleinstaaten hatten ihre Büros aber kaum in Verwendung, daher war es für mich unmöglich, telefonisch Kontakt mit ihnen aufzunehmen, um einen Termin für meine Vorsprache zu vereinbaren. Die Delegationen von Zypern, Island, Estland, Liechtenstein, Luxemburg, Malta, Monaco und San Marino sind daher von mir verschont geblieben. Von den „größeren“ Staaten entgingen mir nur die Delegationen Portugals, Bulgariens und Jugoslawiens (die Jugoslawen waren die einzigen, die mich versetzt hatten). VertreterInnen von einigen vorher nicht erreichbaren Delegationen konnte ich dann bei einem Abendessen am 19. September sprechen, das die österreichische Delegation für DiplomatInnen aus allen Delegationen in einem Moskauer Restaurant gab und zu dem ich als einer von drei NGO-VertreterInnen eingeladen wurde. Rumänien und die Sowjetunion ersparte ich mir, da der offen schwule kanadische Parlamentsabgeordnete SVEND ROBINSON (TeilnehmerInnen der ILGA-Jahreskonferenz in Wien 1989 werden sich an ihn erinnern – vgl. LN 4/1989, S. 13–27 + Foto-Mittelteil) bereits mit diesen Delegationen gesprochen hatte und über positive Reaktionen berichtete. Svend war offizielles Mitglied der kanadischen Delegation und befand sich in derselben Woche wie ich in Moskau. Er sprach ebenfalls mit einer Reihe von Delegationen über diese Frage, trat allerdings dabei natürlich nicht als ILGA- bzw. NGO-Vertreter auf.

 

Nur positive Reaktionen – keine Opposition

Es hat uns ziemlich überrascht, daß sämtliche Delegationen, mit denen wir sprachen, dem Vorschlag durchaus positiv und wohlwollend gegenüberstanden – für den Fall, daß ihn eine andere Delegation zur Diskussion vorlegt. Selber würden sie das nicht tun, erklärten allerdings alle einhellig. Es gab keinerlei grundsätzliche Opposition. Selbst die Vertreter Albaniens und des Vatikans waren nicht ablehnend. Der einzige Einwand kam indes vom Mitglied des Heiligen Stuhls, das an der Formulierung „grundlegendes Menschenrecht“ das Wort „grundlegend“ auszusetzen hatte. Der Heilige Stuhl hat es sich aber auf der KSZE zum Prinzip gemacht, Vorschläge weder selbst einzubringen noch durch sein Veto zu blockieren.

Die größte Enttäuschung war dann allerdings das Gespräch mit der dänischen Delegation. Sie erklärte plötzlich, den Vorschlag nicht einbringen zu können, da sie – aus drei Männern und Frauen bestehend – keine personellen Ressourcen mehr dafür hätte. Sie hätte zwei wichtige von der Regierung forcierte Vorschläge zu betreuen (Rechte der Frauen und Rechte der Urbevölkerungen in Europa). Da sich inzwischen herauskristallisiert hatte, daß keine andere Delegation den Vorschlag einbringen würde, war damit klar, daß eine durchaus realistische Verabschiedung des ILGA-Vorschlags nur an der Tatsache scheitern würde, daß kein Land ihn einbringen wollte. Und so war es dann – leider – auch.

Ein Grund dafür war sicherlich, daß wir die Delegationen relativ spät mit unserem Anliegen befaßten. Dennoch war dies ein wichtiger erster Schritt. Die Sache ist ja noch lange nicht zu Ende, im Gegenteil. Im März 1992 beginnt in Helsinki das nächste KSZE-Folgetreffen, in dem wieder alle „Körbe“ des KSZE-Prozesses behandelt werden, selbstverständlich auch die Menschenrechtsfragen. Die ILGA-Arbeitsgruppe wird sich für Helsinki eine neue Strategie zurechtlegen und dieses Anliegen weiter verfolgen. Die Chancen stehen nach dieser Vorarbeit ausgezeichnet. Erwähnenswert (weil typisch) finde ich noch, daß sich nur die Leiter der schwedischen und dänischen Delegation selber Zeit für den ILGA-Vertreter nahmen, während alle anderen Delegationen „gewöhnliche“ Mitarbeiter für das Gespräch mit mir abstellten.

 

(Anti-)Diskriminierung von Lesben und Schwulen in den Reden der Delegationen erwähnt

Wie weit der Boden schon aufbereitet ist, zeigt sich daran, daß der finnische Delegierte Aarno Karhilo in seiner Rede vor dem Plenum der KMD am 13. September selbstkritisch darauf verwies, daß auch in seinem Land die Menschenrechte noch nicht voll verwirklicht seien, versprach aber Besserung:

Vorbereitungen für die Reform unseres Strafrechts schreiten in eine Richtung voran, die eine bessere Implementierung unserer menschenrechtlichen Verpflichtungen in bestimmten Fragen, wo diskriminierende Behandlung immer noch existiert, z. B. Gewalt gegen Frauen oder Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung, ermöglichen werden.

Nach Svends und meinem Lobbying gingen noch drei Delegationen in ihren Reden und Statements vor dem Plenum der KMD auf die Diskriminierung von Lesben und Schwulen ein: die dänische, schwedische und kanadische. Hier der Redebeitrag der kanadischen Delegation im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,

die TeilnehmerInnen an diesem Treffen haben Aussagen zu eine großen Anzahl von Fragen in bezug auf die menschliche Dimension gehört. Obwohl unterschiedlich in ihrer Natur, ist doch das gemeinsame Element jedes dieser Probleme, daß irgendwo in einem der Teilnehmerstaaten das Leben einer Person oder einer Gruppe von Menschen auf dramatische Weise beeinträchtigt wird, weil sie sich ihrer grundlegenden Menschenrechte nicht voll erfreuen können.

Während unserer Erörterungen über die Durchsetzung der Verpflichtungen im Rahmen der menschlichen Dimension hat der ehrenwerte Vertreter Finnlands über Schritte berichtet, die sein Land in Hinblick auf die Frage der sexuellen Orientierung gerade unternimmt. Unser Kollege aus Schweden bemerkte, daß einige Strafgesetze in Europa immer noch Homosexualität kriminalisieren und Individuen in einigen Teilnehmerstaaten immer noch ausschließlich wegen ihrer sexuellen Orientierung in Gefängnissen inhaftiert sind.

Für KanadierInnen ist diese Frage seit langem von Bedeutung. 1969 lenkte der damalige Premierminister Pierre Trudeau die Aufmerksamkeit des ganzen Landes auf diese Frage, indem er meinte, für die Regierung gäbe es in den Schlafzimmern der BürgerInnen keinen Platz. Es gehört nunmehr zur Regierungspolitik Kanadas, ich zitiere, „jegliche Maßnahme zu ergreifen, die erforderlich ist, um jede Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung innerhalb der Zuständigkeit des Bundes zu verbieten.“

Herr Vorsitzender,

trotz der Fortschritte auf diesem Gebiet in meinem und in anderen Ländern behandeln andere Staaten Homosexualität immer noch als kriminellen Akt. Und selbst in Ländern, wo sie keine strafbare Handlunge mehr ist, ermöglicht es die Einstellung der Gesellschaft, daß Personen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung weiterhin verfolgt werden.

Wir hoffen, daß derartige Diskriminierung und Verfolgung bald aufhört und die Menschenrechte aller Menschen, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, respektiert werden.

Die KSZE-Aktivitäten der ILGA können ohne Übertreibung als großer Erfolg gewertet werden. Und die HOSI Wien kann dabei sehr stolz auf ihren wichtigen Beitrag zu dieser erfreulichen und positiven Entwicklung sein. Äußerst bemerkenswert war auch der Einsatz der ARGO-MitarbeiterInnen, die wirklich effiziente Arbeit leisteten.

 

Neues aus Moskau

 

Während meines Moskau-Aufenthalts hatte ich auch Gelegenheit, Neues aus der russischen Bewegung zu erfahren. Mittlerweile gibt es allein in Moskau vier Gruppen, zwei gemischte (ARGO – Assoziazija sa rawnoprawije gomoseksualistow und MSLG – Moskowskij sojus lesbijanok i gomoseksualistow) und zwei reine Lesbengruppen (Orgkomitet rossijskoj organisazii sa prawa lesbijanok und MOLLI – Moskowskoje objedinenije lesbijanok, literaturi i iskusstwa). Wie berichtet (vgl. LN 2/1991, S. 53, und 3/1991, S. 77), erscheinen auch zwei Zeitungen: TJEMA, die vom Moskauer Lesben- und Schwulenverband (MSLG) in Auflagen zwischen 10.000 und 30.000 herausgegeben wird (sie ist offiziell zugelassen), sowie RISK, die vom Verband für die Gleichberechtigung von Homosexuellen (ARGO) unter schwierigen Bedingungen herausgegeben wird. Z. B. blieben die fertigen Druckvorlagen zwei Monate liegen, weil man keine Möglichkeit hatte, die neue Ausgabe zu drucken. Während meines Aufenthalts brachten ARGO-Mitarbeiter die Filme nach St. Petersburg, weil sich dort eine Druckmöglichkeit ergeben hatte. Diese zweite Ausgabe von RISK enthält u. a. einen Bericht über die Anfänge der Leningrader Bewegung 1983/84. Auf einem der Fotos, die den Bericht illustrieren, ist ERNST STROHMEYER, der frühere HOSI-Linz-Obmann zu erkennen, der mit einer Gruppe von ILGA-AktivistInnen diese Ur-Gruppe in Leningrad besucht hatte (vgl. LN 4/1984, S. 25 ff).

 

Weite Verbreitung

Obwohl in relativ kleiner Auflage gedruckt (man bedenke, die Sowjetunion zählt 250 Millionen EinwohnerInnen), werden TJEMA und RISK von weit mehr Menschen gelesen als Exemplare gedruckt werden. Wie in früheren Samisdat-Zeiten wird jedes Exemplar im Freundeskreis herumgereicht. Niemand behält sich die Zeitungen, sondern sie zirkulieren unablässig. Und sie gelangen in die hintersten Winkel des Riesenreiches, wie die zahlreichen Zuschriften aus kleinen Städten in Sibirien und von anderswo beweisen. In der sibirischen Stadt Barnaul hat sich sogar eine eigene Zeitschrift gegründet, die Sibirskij Variant. Die Nachfrage ist jedenfalls groß. Und die Leute wären sogar bereit, für russische Verhältnisse viel Geld dafür auszugeben. So staunten die RISK-Herausgeber nicht schlecht, als sie einmal bei einem ganz gewöhnlichen Zeitungsverkäufer auf der Straße ihre eigene Zeitung angeboten sahen. Auf die Frage, woher er diese beziehe, antwortete er, ja, die wäre bei einer Veranstaltung gratis verteilt worden. Er habe nun Kopien davon hergestellt und verkaufe sie um fünf Rubel. Und die Nachfrage sei gut. Fünf Rubel für eine Zeitung ist wahrlich ein stolzer Preis (der monatliche Durchschnittsverdienst liegt bei 400 Rubel, rund 150 Schilling – auch zum offiziellen Kurs!).

 

Vielbeachtete Befreiungstage

Bei dieser Veranstaltung handelte es sich im übrigen um die vom 24. bis 27. Juli in Leningrad und vom 29. Juli bis 1. August in Moskau gemeinsam von einer US-Organisation und Roman Kalinins Gruppe MSLG organisierte schwul/lesbische Befreiungswochen (vgl. LN 3/1991, S. 77). Diese Veranstaltungen waren ein ungeheurer Erfolg. Mehrere hundert Personen nahmen an den Symposien teil, an fünf Tagen wurden Schwulen- und Lesbenfilme gezeigt, die von rund 25.000 BesucherInnen gesehen wurden! An der Demo vor dem Rathaus in Moskau nahmen dann zwar nur 200 Leute teil, aber auch das ist für sowjetische Verhältnisse erstaunlich. Die Amerikaner schenkten der Gruppe auch zwei PCs, die sich bald als besonders wertvoll erwiesen. Denn die Moskauer AktivistInnen waren nicht nur während des Putsches an vorderster Front auf den Barrikaden vor dem Weißen Haus in Moskau, sondern sie produzierten auf den neuen PCs auch Flugblätter, die während dieser entscheidenden Tage vom 19. bis 21. August in Moskau an die Bevölkerung verteilt wurden.

 

Erschütternde Einstellung in der Bevölkerung

Durch diese Befreiungstage wurden erstmals auch Lesben und Schwule für die Öffentlichkeit und die Medien prominent sichtbar. Und Sichtbarkeit und Aufklärungsarbeit sind in der Tat vonnöten, haben doch jüngste Meinungsumfragen ergeben, daß rund 30 % der sowjetischen Bevölkerung dafür eintreten, Homosexuelle physisch auszumerzen,* 30 % die Inhaftierung von Homosexuellen gutheißen und 20 % sie medizinisch behandeln lassen wollen. Nur zehn Prozent wollen Homosexuelle in Ruhe lassen.

 

Gruppen werden nicht zugelassen

Apropos St. Petersburg. Am 18. September haben die zuständigen Behörden sämtliche Anträge der St. Petersburger Lesben- und Schwulengruppen abgelehnt. Und zwar sowohl den Antrag des Fond Tschajkowskogo, der Tschaikowsky-Stiftung, als auch jenen der Gruppe Newskaja Perspektiva. Diese Gruppe ist eigentlich ident mit der Gruppe Newskije Berega, Ufer der Newa, aber nachdem deren Antrag auf Vereinszulassung im April 1991 auch in dritter und letzter Instanz von den zuständigen Stellen abgelehnt worden war, haben sich die AktivistInnen entschlossen, es nach dem neuen Vereinsgesetz unter dem Namen „Perspektive der Newa“ noch einmal zu versuchen, da andere Behörden zuständig sind, nämlich nicht mehr der Leningrader Stadtsowjet, sondern die lokale Abteilung des russischen Justizministeriums. Aber auch dieser Weg klappte nicht. Begründet wurde die Ablehnung wie schon zuvor mit dem Hinweis auf das im § 121 StGB festgelegte Totalverbot homosexueller Handlungen unter Männern.

 

AIDS

Auch in der AIDS-Arbeit engagieren sich immer mehr Schwule. So gibt es jetzt eine Beratungsstelle an einer Moskauer Klinik sowie ein Beratungstelefon. In beiden Gruppen arbeiten Schwule mit. Ein erfolgreiches Projekt ist auch die im selben Verlag wie die kritische Zeitschrift Ogonjok herausgegebene Zeitung Anti-AIDS-Info. Sie wird in einer Auflage von 2,5 Millionen Exemplaren gedruckt und verkauft! Inzwischen sind 18 Ausgaben erschienen, wobei sich diese Zeitung vor allem an Heteros richtet. Die Moskauer Gruppen müssen ständig Druck machen, damit wenigstens einmal ein Leserbrief eines Homosexuellen veröffentlicht wird. Die Zeitung ist deshalb ein so erfolgreiches und profitables Unternehmen, weil es – wie immer bei der AIDS-Prävention – dabei um viel Sex geht. Und das sind die RussInnen ja nicht gewöhnt. Es handelt sich hier keineswegs um Pornographie, sondern um Erotik und medizinisch-psychologische Information, um Sexualaufklärung im weitesten Sinn. Da erfährt man etwa, daß sich die Vagina der allfälligen Kleinschwänzigkeit des Mannes durchaus anpassen kann, wenn die Frau die geeigneten Muskelübungen ausführt, etc. Und was selbst die Stadt Wien bisher nicht zuwege gebracht hat, ist in Moskau möglich geworden: Überall in den U-Bahn-Zügen kleben Anti-AIDS-Plakate.

 

Überblick über den KSZE-Prozeß

 

Am KSZE-Prozeß nehmen alle europäischen Staaten außer Andorra sowie Kanada und die USA teil. Erst seit kurzem ist auch Albanien dabei. Abrüstung, Entspannung, militärische Sicherheit waren die wichtigsten Anliegen zu Beginn des KSZE-Prozesses, dessen erster Höhepunkt die Unterzeichnung der Schlußakte von Helsinki am 1. August 1975 war. Seither fanden KSZE-Folgetreffen in Belgrad, Madrid und Wien statt. Ohne die KSZE wären die jüngsten Entwicklungen in Europa (Aufziehen des Eisernen Vorhangs, Ende des Blockdenkens und der Teilung Europas) undenkbar.

Zwischen den Folgetreffen gibt es eine Reihe von Spezialtagungen, Expertentreffen und Seminaren (z. B. Umweltschutz, Sofia 1989; Mittelmeer, Palma de Mallorca 1990; Kulturelles Erbe, Krakau 1991). Überdies gibt es die Gipfeltreffen der Außenminister und der Regierungs- bzw. Staatschefs. Auf den Folgetreffen wird auch überprüft, ob die Teilnehmerstaaten ihre eingegangenen Verpflichtungen eingehalten haben. Es sind die Staaten, die die Nichteinhaltung dieser Verpflichtungen durch andere Staaten zur Sprache bringen müssen. Die KSZE sieht keine Beschwerdemöglichkeit für den/die einzelne/n Bürger/in vor wie etwa die Institutionen des Europarats. Die Verpflichtungen im Rahmen der KSZE sind festgehalten: in der Schlußakte von Helsinki, in den Abschließenden Dokumenten der Folgetreffen sowie in den Dokumenten der anderen Konferenzen, etwa jener über die menschliche Dimension.

Durch die jüngsten dramatischen Veränderungen in Europa sind Sicherheitsfragen verstärkt zugunsten von Menschenrechtsfragen in den Hintergrund getreten. Die KSZE ist dadurch zu einer der wichtigsten Menschenrechtsinstitutionen neben den Vereinten Nationen und dem Europarat geworden. Bereits in der Schlußakte von Helsinki verpflichteten sich die Teilnehmerstaaten, die Menschenrechtsdokumente der Vereinten Nationen zu respektieren (Punkt 7 in der 10-Punkte-Erklärung). Die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten durch die Teilnehmerstaaten wurde sowohl im Abschließenden Dokument des Madrider Folgetreffens als auch durch die „Pariser Charta für ein neues Europa“, die von den Staats- und Regierungschefs aller Teilnehmerstaaten am 21. November 1990 unterzeichnet wurde, neuerlich bekräftigt. Darüber hinaus formulierte die KSZE ihren eigenen detaillierten Menschenrechtskatalog, etwa im Abschließenden Dokument des Wiener Folgetreffens oder im Dokument des Kopenhagener Treffens der KMD der KSZE.

Wie in allen anderen internationalen Menschenrechtskonventionen ist jedoch auch in keinem KSZE-Dokument bisher ausdrücklich die Rede davon, daß es ein Menschenrecht ist, ohne Diskriminierung in Übereinstimmung mit der eigenen sexuellen Orientierung zu leben.

 

* Nachträgliche Korrektur:

Hier liegt ein Übersetzungs- bzw. Verständnisfehler vor. Das Wort „eliminieren“ muss nicht unbedingt die physische Ausrottung, sondern kann auch die Absonderung aus der Gesellschaft, eine Isolierung bedeuten, wie die LN seinerzeit auch in der Ausgabe 1/1992, S. 60 f, richtiggestellt haben.

 

Nachträgliche Anmerkungen:

Eigentlich reichen die Lobbying-Aktivitäten der Lesben- und Schwulenbewegung bei der KSZE weiter als bis zum Wiener Folgetreffen zurück: Bereits vor Beginn des zweiten KSZE-Folgetreffens, das vom 11. November 1980 bis 9. September 1983 in Madrid stattfand, hat die HOSI Wien in dieser Angelegenheit an den damaligen österreichischen Außenminister Willibald Pahr (SPÖ) geschrieben, wie ich in den LN 1/1981, S. 6, berichtete. Wir forderten ihn auf, sich für die Anerkennung der Rechte der Homosexuellen als Menschenrechte einzusetzen bzw. die österreichische Delegation anzuweisen, sich in dieser Richtung zu verwenden und ausländische Delegationen in einem solchen Bemühen zu unterstützen. 

Auf unser Schreiben erhielten wir einen Brief vom österreichischen Gesandten Dr. Linhart, der uns mitteilte, daß Österreich … bei dem derzeit in Madrid stattfindenden zweiten KSZE-Folgetreffen auch für die Beachtung des in Korb I der Schlußakte von Helsinki enthaltenen Prinzips VII (,Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten, einschließlich der Gedanken-, Gewissens-, Religions- oder Überzeugungsfreiheit‘) eintreten werde, da die Förderung der Menschenrechte ein großes Anliegen der österreichischen Außenpolitik sei.

Weiters teilte uns Dr. Linhart mit, daß die Helsinkier Schlußakte auf den im Rahmen der Vereinten Nationen anerkannten Menschenrechte und Grundfreiheiten beruhe und daß man sich daher bei der Behandlung einschlägiger Fragen an diese Grundlagen zu halten habe. Da aber die UNO-Menschenrechtspakte „Homosexualität“ oder „sexuelle Orientierung“ nicht ausdrücklich als Diskriminierungskategorie, wie z. B. Rasse, Religion oder Geschlecht vorsehen, bedeutet das wohl im Klartext, daß für die Rechte von Schwulen und Lesben nichts getan werden wird. (…)

Zu Beginn des Madrider Folgetreffens fand übrigens am 15. November 1980 eine im Namen der IGA von spanischen und französischen Schwulen- und Lesbengruppen organisierte Demonstration und Pressekonferenz in Madrid statt.