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Ende des Fremdschämens

Erschienen am 9. Februar 2018

Das beste an der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs, die eingetragene Partnerschaft (EP) für verschieden- und die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen, ist der Umstand, dass dieses Thema damit spätestens zum Jahresende vom Tisch sein wird. Natürlich wird es weiterhin Debatten über Reformen und Details der rechtlichen Ausgestaltung der jeweiligen Rechtsinstitute geben, aber die grundsätzliche Frage, dass beide für verschieden- und gleichgeschlechtliche Paare gelten, ist erledigt.

Und das ist gut so. Denn endlich kann und muss jetzt Schluss sein mit diesem unsäglichen Slogan „Ehe für alle“ (übrigens, kleine Deutsch-Nachhilfe: Auch nach der Rechtschreibreform schreibt man „alle“ klein!). In meinen Ohren klingt diese Forderung wie eine gefährliche Drohung – für mich jedenfalls bitte keine Ehe! In Hinkunft reicht es dann hoffentlich, nur mehr von Ehe und von eingetragener Partnerschaft – ohne Zusatz – zu sprechen.

Vorbei sind dann hoffentlich auch diese Jahre des quälenden Fremdschämens für jene wehleidige Argumentation, der sich ein (Groß-)Teil der Lesben- und Schwulenbewegung zur vermeintlich besseren Durchsetzung der Forderung nach Eheöffnung bedient hat und die nun wirklich kein intellektuelles Ruhmesblatt für die Bewegung ist. Besonders sauer stieß mir dabei immer das Argument auf, ein eigenes Rechtsinstitut wie die EP zwinge Lesben und Schwule zum Outing. Na und? Was ist denn das für eine anti-emanzipatorische Argumentation?! Aus dem „Schrank“ herauszukommen und offen als Lesbe bzw. als Schwuler zu leben sind doch seit 40 Jahren auch in Österreich die wesentlichen Ansprüche und Anforderungen in unserem Kampf um Befreiung und Gleichberechtigung. Also zumindest für meine Generation schwulen- und lesbenbewegter AktivistInnen war es doch niemals eine ernsthafte Option, sich zu verstecken und nicht in allen Lebenslagen zur eigenen Homosexualität zu stehen!

Die Vorstellung, sich zu verpartnern oder zu heiraten und gleichzeitig im Schrank und unsichtbar bleiben zu können, ist nicht nur besonders absurd und schizophren, sondern in der Alltagspraxis ohnehin völlig unrealistisch. Abgesehen davon, dass man von Leuten, die diese harterkämpfte Errungenschaft für sich persönlich in Anspruch nehmen, wohl erwarten darf, dass sie durch ihre Sichtbarkeit wenigstens einen Minimalbeitrag an Solidarität leisten und die gemeinsame Sache dadurch unterstützen. Wer sich für seine Homosexualität geniert und nicht bereit ist, sie immer und überall kundzutun, kann ja meinetwegen im Schrank bleiben, dann aber halt ledig. Und bedenken die Leute, die so defensiv argumentieren, nicht, welches Bewusstsein sie damit in der Öffentlichkeit vertreten und transportieren? Offenbar nicht. Denn sich darüber zu beschweren, die eigene Homosexualität nicht verheimlichen zu können, heißt bzw. signalisiert natürlich, dass man sie eigentlich doch als Makel empfindet und daher – im Gegensatz zur Heterosexualität – nicht wie selbstverständlich immer und uneingeschränkt offen zeigen und leben will. Die Behauptung in diesem Zusammenhang, bei Angabe des Familienstands „eingetragene Partnerschaft“ werde man regelmäßig diskriminiert, ist eine „Schutzbehauptung“, um die eigene Feigheit zu kaschieren, und ebenfalls Unsinn.

Dass der Verfassungsgerichtshof sein positives Erkenntnis nun ausgerechnet an diesem Umstand des „Zwangsouting“ aufhängt, ist gerade deshalb so problematisch, weil er sich damit nicht nur als Beschützer der Schrankschwulen und Schranklesben geriert, sondern quasi auch den gesellschaftlichen Weg weist: Ja, übernehmt die Heteronorm, aber bleibt am besten diskret in euren Verstecken und möglichst unsichtbar; wir schaffen euch die idealen Voraussetzungen dafür. Diese Begründung des VfGH birgt zudem die Gefahr, dass es der schwarz-blauen Regierung noch einfallen könnte, bloß die EP für heterosexuelle Paare zu öffnen. Denn damit fiele die als diskriminierend betrachtete Gleichung EP = Homosexualität (= Zwangsouting) weg, ohne dass die Ehe geöffnet werden müsste.

Noch schlimmer als diese mieselsüchtige Argumentation in Sachen Outing durch EP war ja nur die unredliche Gräuelpropaganda eines Teils der Bewegung, der mit schlicht falschen Beispielen für angebliches ungewolltes Outing operierte. Etwa seinerzeit die Behauptung, durch einen ohne Bindestrich geschriebenen Doppelnachnamen werde man sofort und automatisch als eingetragene/r Partner/in entlarvt. Ich fand es immer witzig, wie dadurch die vermutlich tausenden unverpartnerten Menschen in Österreich mit einem solchen Doppelnamen unter den Generalverdacht der Homosexualität gestellt wurden. Und übrigens gibt es sogar ledige Menschen, die einen durch Bindestrich verbundenen Doppelnachnamen führen! Oder der nicht auszurottende Unsinn, im Meldezettel stehe der Familienstand. Den gibt man zwar beim Ausfüllen des Meldeformulars an, aber in der Bestätigung über die Meldung, die man dann vom Amt ausgefolgt bekommt und die man eventuell bei der Bank, beim Arbeitgeber etc. vorlegen muss, stehen weder Familienstand noch Religionsbekenntnis.

Erschreckend war jedenfalls, wie diese falschen, fadenscheinigen und unredlichen Argumente ungehemmt nachgeplappert wurden und sich ubiquitär verbreiteten. Aber warum sollten hier nicht dieselben Mechanismen wirken wie bei anderen medial in Umlauf gesetzten Unwahrheiten?

Ich wiederhole noch einmal: Ich habe nichts gegen die Ehe, auch nichts dagegen, dass Lesben und Schwule sie aus Gründen der Gleichstellung vehement fordern, auch wenn wir alle wissen, dass die EP das bessere und modernere Rechtsinstitut ist. Soll sein. Aber ich halte diese peinliche und defensive Argumentation für eine emanzipationspolitische Katastrophe, denn sie wirft uns eigentlich um bald 40 Jahre zurück. Als die HOSI Wien 1979 begann, traten Schwule und Leben viel kämpferischer, offensiver, emanzipatorischer und selbstbewusster auf. Uns darüber zu beklagen, die eigene Homosexualität nicht verheimlichen zu können, wäre uns jedenfalls nicht in den Sinn gekommen. Im Gegenteil!

 

PS in eigener Sache:

Ich habe den Titel meiner Kolumne von „Que(e)rschuss“ auf „Querschuss“ geändert. Grund dafür ist, dass ich im Jänner endlich Zeit gefunden habe, Patsy l’Amour laLoves Beißreflexe zu lesen, die Pflichtlektüre für alle Lesben- und SchwulenaktivistInnen sein sollten. Danach habe ich beschlossen, „queer“ komplett aus meinem Wortschatz zu streichen. Dogmatische und sektiererische VertreterInnen der Gender Studies haben den Begriff endgültig und unrettbar ruiniert. Und gerade in Zeiten wie diesen muss man sich auch wieder verstärkt wichtigeren Dingen zuwenden, da kann ich Klaus Nüchtern nur beipflichten, der im Falter (# 3/18) so treffend festgestellt hat: „Der identitätspolitische Kindergarten der stets kränkungsbereiten Empörungsvirtuos_Inn*en gehört zugesperrt.“ Genau – meine Rede!

Querschuss LN 1/2018