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Gegen den (Unter-)Strich

Erschienen am 19. Februar 2016

Der Krieg der Sterne geht weiter. Die vereinsinterne Diskussion über die Verwendung von Asterisk (*) und/oder Unterstrich in Publikationen und sonstigen offiziellen Veröffentlichungen der HOSI Wien ging nach der diesbezüglichen Debatte in den LN 5/2014 (S. 18) und 1/2015 (S. 22 ff) noch einige Zeit – ergebnislos – weiter, schlief dann ein, um im Jänner 2016 auf der Vorstandssitzung wieder virulent zu werden.

Obwohl nach längerer Diskussion auch im Rahmen mehrerer Vorstandssitzungen sich keine Mehrheit im Vorstand für die Anwendung dieser Schreibweise fand, präsentierte die queerconnexion, das Schulbesuchsprojekt der HOSI Wien, die fertige Broschüre über ihr Angebot dem Vorstand in der Schreibweise mit Sternchen und Unterstrich. Ich zumindest empfand das als eine bewusste Provokation und Salamitaktik, um den in dieser Frage mittlerweile ohnehin schon ziemlich genervten und zermürbten Vorstand doch noch weichzuklopfen.

In der Vorstandssitzung wurde jedoch einmal mehr klargestellt, dass eine Veröffentlichung in dieser Form im Namen der HOSI Wien nicht möglich sei. Die Sache ist ja insofern zusätzlich kompliziert, als die jetzige von der HOSI Wien verwendete Schreibweise, nämlich das Gendern mit dem Binnen-I u. ä., immerhin von der Generalversammlung (GV) mit Zweidrittelmehrheit beschlossen wurde. Damals, 1989, wurden nämlich bei der Einführung dieser Schreibweise zuallererst die Statuten entsprechend geändert und gegendert, was ja nur mit einer Zweidrittelmehrheit möglich ist. Der Vorstand kann also gar keine andere Schreibweise autorisieren. Die queerconnexion denkt aber nicht daran, die Schreibweise auf die für den Verein geltende abzuändern, sondern stattdessen wird an die nächste GV am 9. April ein Antrag auf Änderung der Schreibweise gestellt werden, und dafür nimmt man auch eine monatelange Verzögerung bei der Herausgabe der Broschüre in Kauf.

Antrag an die Generalversammlung

Es ist natürlich nichts dagegen einzuwenden, einen solchen Antrag an die GV zu stellen. Man wird darüber diskutieren, die Argumente austauschen, und letztlich wird die Mehrheit der Mitglieder demokratisch darüber entscheiden, welche Schreibweise sie für den Verein als die bessere befindet. Das Ergebnis wird man zur Kenntnis nehmen. Ich selbstverständlich auch, keine Frage. Aber ich werde für mich persönlich die entsprechenden Konsequenzen ziehen, sollte der Antrag auf die Schreibweise mit Asterisk und/oder Unterstrich wider Erwarten eine Mehrheit finden, und meine Vereinsfunktionen zurücklegen und aus der HOSI Wien austreten. Denn eine solche Entscheidung könnte ich einfach niemals mittragen.

Viele Argumente habe ich in den oben erwähnten LN-Ausgaben ausführlich dargelegt. Dennoch möchte ich hier nochmals meine grundsätzliche Ablehnung dieser Schreibweise begründen. Es gibt sprachliche, inhaltliche und ideologische Gründe, wobei mir die sprachlichen ebenso wichtig sind wie die ideologischen, immerhin ist, neben der Homo-Politik, Sprache das wichtigste Thema in meinem Leben (immer gewesen) – und dabei kenne ich mich auch einigermaßen gut aus! Meine Kritik fängt schon bei der Auswahl der sprachlichen Zeichen an: Wie kann man ausgerechnet das gängige Zeichen für eine Fußnote (!) oder eine unterstrichene Leerstelle, ein unterstrichenes Nichts (!) auswählen, um die geschlechtliche Vielfalt jenseits von weiblich und männlich sichtbar zu machen? Was ist das für eine verheerende Symbolik! Egal, wie viele Betroffene daran mitgewirkt haben mögen – hier hat man die denkbar ungeeignetsten Zeichen ausgesucht, ein totaler Fehlgriff. Das wäre der HOSI Wien nie passiert! Wobei dieser Missgriff ja noch das geringste Übel in dieser Sache ist.

Ich halte es zudem für eine völlig naive Vorstellung, dass man einer über Jahrhunderte organisch gewachsenen Sprache quasi ein neues grammatikalisches Geschlecht künstlich aufpfropfen könnte. Das zeigt sich ja daran, dass sämtliche bisher angebotenen sprachlichen Lösungen allesamt inkonsequentes und inkonsistentes Stückwerk sind, was man aber bei oberflächlicher Betrachtung nicht gleich merkt. Da kommt es den BefürworterInnen auch zupass, dass den meisten Menschen die sprachliche Kompetenz fehlt, um zu erkennen, auf was sie sich da einlassen – die meisten denken, es ginge einfach nur darum, das Binnen-I durch einen Unterstrich oder einen Asterisk auszutauschen. Aber weit gefehlt – das ist ja nur einer von vielen sprachlichen Aspekten dabei. Da die sprachlichen Fragen aber die wenigsten interessieren bzw. viele damit auch überfordert sind, hat sich die Diskussion für die BefürworterInnen bequemerweise längst auf die emotionale bzw. politische Ebene verlagert, wo sie vermeinen, schlagendere Argumente zu haben, und auf der die Unentschlossenen und Zögerlichen umso anfälliger sind.

Wenn die sprachlichen Argumente nicht wirklich überzeugen können, muss der emotionale Holzhammer her, da wird dann seelisches Leid in Stellung gebracht, das Leute angeblich ertragen müssen, die sich im Schriftbild der deutschen Sprache mit ihrer Trans- bzw. Zwischengeschlechtlichkeit nicht wiederfinden bzw. die sich selbst in den durch das Binnen-I hermaphroditisch zusammengezogenen männlich-weiblichen Ausdrücken nicht sichtbar gemacht fühlen. Gegen diese Mitleidstour ist man natürlich mit rationalen Argumenten chancenlos. Verschärft wird das Ganze – und damit habe ich, ehrlich gesagt, die meisten Probleme – durch ein verbittertes Sendungsbewusstsein und eine völlig dialogunfähige Wagenburgmentalität, die jede noch so leise Kritik von außen sofort mit der emotionalen Waffe der eigenen Betroffenheit kontert, statt auf Argumente einzugehen. Absolute Heilslehren, die irgendwelche Gurus verbreiten, haben mich indes schon immer skeptisch gemacht und lassen bei mir sofort die Alarmglocken läuten. Ich will jedenfalls keinem Verein angehören, der sich in ein solches sektoides Eck stellt und sich nur von Emotionen, aber nicht von rationalen Überlegungen leiten lässt.

Jedenfalls mutet es geradezu albern an, wenn ernsthaft erwartet wird, dass sich diese Schreibweise außerhalb eines ziemlich isolierten akademischen Elfenbeinturms jemals durchsetzen könnte. Die deutsche Sprache/Grammatik kennt eben nur ein weibliches, ein männliches und ein sächliches Geschlecht. Damit sollte man sich abfinden. Der Versuch, ein neues oder etwas „dazwischen“ künstlich zu erschaffen, ist zum Scheitern verurteilt. Das kommt mir so vor, als versuchte man, in die englische Sprache, die nur ein grammatikalisches Geschlecht kennt, ein neues, explizit weibliches Geschlecht einzuführen oder an alle personenbezogenen Hauptwörter irgendein Sonderzeichen anzuhängen, um dadurch Frauen in diesen Bezeichnungen extra sichtbar zu machen, weil man der Ansicht ist, die existierenden Wörter würden nur Männer repräsentieren!

Nicht nur, dass sich die Schreibweise mit Unterstrich und/oder Asterisk im Mainstream nie durchsetzen wird – selbst wenn sie es täte, davon bin ich überzeugt, wird keines der damit angestrebten Ziele je erreicht werden. Auch wenn radikale Naivität, gelegentlich als gezielte Provokation eingesetzt, um Missstände aufzuzeigen, durchaus etwas Sympathisches an sich hat – als permanente Übung nützt sie sich schnell ab und geht den Leuten bald nur mehr auf die Nerven. An einen Verein wie die HOSI Wien stelle ich jedenfalls den Anspruch, halbwegs seriös zu sein bei dem, was er unterstützt und wofür er eintritt. Ich will nicht für einen Verein arbeiten, der sich in meinen Augen lächerlich macht, weil er meint, Veränderungen nicht durch Inhalte (Worte und Texte) sondern durch Äußerlichkeiten im Schriftbild erreichen zu können. In der Tat sind ja selbst einige im Vorstand nur geneigt, dem Druck der SternchenkriegerInnen nachzugeben, um endlich Ruhe zu haben – oder eben aus missverstandener politischer Korrektheit oder weil sie sich der emotionalen Erpressung der Betroffenen ergeben.

Für mich stellt sich dabei allerdings zudem die Frage nach den Prioritäten und, ja, letztendlich sogar nach der Relevanz für unseren Vereinszweck. Ist die HOSI Wien eigentlich angetreten, um die Geschlechter(binarität) abzuschaffen? War und ist nicht Homosexualität unser eigentliches Thema? Muss die HOSI Wien an vorderster Front bei Themen dabei sein, die unter den Vereinszielen gar nicht explizit angeführt werden? Wäre es ein eklatanter Nachteil für die HOSI Wien, eventuell abzuwarten, bis diese sprachlichen Neuerungen Eingang in den Duden gefunden haben? Gefährdet die HOSI Wien tatsächlich den Erfolg der gesamten Mission, wenn sie dabei nicht mitmacht? Immerhin gendern selbst Vereine wie TransX weder konsequent mit Sternchen noch mit Unterstrichen.

Für mich ebenfalls völlig inakzeptabel ist der Umstand, dass sich eine Gruppe mit fragwürdigen Methoden in unglaublich präpotenter Arroganz anmaßt, die Sprache, die von allen benützt wird, für ihre eigene Sichtbarkeit und Präsenz zu kidnappen. Das halte ich für anti-egalitär. Keine Gruppe hat ein solches Recht. Da zieht bei mir auch die Betroffenheitsmasche nicht! Was kommt als nächstes? Es gäbe hunderte andere Gruppen, die dann mit genau demselben Recht und mit ähnlichen Argumenten ihre Sichtbarkeit in der Sprache oder für sich bestimmte Sprachnormen einfordern könnten. Wenn religiöse Fundis etwa verlangten, GOTT stets mit Großbuchstaben zu schreiben, und „ER“, wenn von „IHM“ die Rede ist, denn andernfalls würden ihre religiösen Gefühle verletzt – ja, dann würden die meisten wohl auch mit Bedauern, aber sehr bestimmt sagen: Tut uns leid, aber in diesem Fall können wir auf eure religiösen Gefühle keine Rücksicht nehmen.

Eine weitere Mitarbeit in einer HOSI Wien, die diesen sprachlichen und ideologischen Unfug mitmacht, wäre für mich jedenfalls aus obigen und noch einigen anderen Gründen völlig undenkbar. Für den Fall, dass der Antrag auf Änderung der Gender-Schreibweise wider Erwarten auf der GV doch eine Mehrheit findet, möchte ich mich sicherheitshalber bei dieser Gelegenheit bei allen treuen LeserInnen verabschieden, mich für ihr Interesse an den LN bedanken und ihnen alles Gute wünschen.

Que(e)rschuss LN 1/2016