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Strafrechtsänderungsgesetz 2015

Veröffentlicht am 8. Mai 2015
2015 stand wieder einmal eine Strafrechtsänderung an. Die HOSI Wien nahm wie gewohnt im Rahmen des Begutachtungsverfahrens dazu Stellung. Besonders wichtig war ihr dabei das Verhetzungsverbot (§ 283). Die mit der Novelle 2011 verursachte Verwässerung des Tatbestandsbildes der Verhetzung wurde erfreulicherweise wieder zurückgenommen. Ich berichtete in den LN 2/2015 sowie 5/2011.

Im März 2015 hat das Justizministerium seinen Entwurf für ein Strafrechtsänderungsgesetz 2015 in Begutachtung geschickt. Die Frist zur Abgabe von Stellungnahmen endete am 24. April. Da einige der vorgeschlagenen Novellierungen auch Lesben und Schwule betreffen, hat die HOSI Wien rechtzeitig ihre Stellungnahme dazu abgegeben.

Einer der für uns wesentlichen Änderungen betrifft den Straftatbestand der Verhetzung im § 283 StGB. Bei dessen letzter Reform im Oktober 2011 wurde ja bekanntlich „sexuelle Orientierung“ zwar endlich explizit in die Aufzählung der Schutzkategorien aufgenommen, allerdings wurde die Bestimmung gleichzeitig durch die Neuformulierung der Tatbestandsmerkmale verwässert (vgl. LN 5/2011, S. 16). Dies wird nun wieder behoben, nicht zuletzt aufgrund der Umsetzung internationaler Verpflichtungen [siehe „nachträgliche Anmerkungen“ unten]. Dennoch haben wir einige Änderungsvorschläge formuliert. U. a. stört uns, dass zusätzlich zur Schutzkategorie „Religion“ auch Kirchen und Religionsgesellschaften extra vor Verhetzung geschützt werden sollen, nicht aber etwa Behindertenverbände, Lesben- und Schwulenorganisationen oder NGOs, die die Interessen anderer vor Verhetzung geschützter Gruppen vertreten. Ein privilegierter Schutz für Religion erscheint uns weder gerechtfertigt noch notwendig. Aus diesem Grund fordern wir auch die ersatzlose Streichung des Blasphemie-Paragraphen (§ 188 StGB: „Herabwürdigung religiöser Lehren“). Zusätzlich fordern wir die ausdrückliche Aufnahme von „Geschlechtsidentität“ zum Schutz von Transgender-Personen vor Verhetzung.

Erfreulich ist auch, dass eine weitere langjährige Forderung der HOSI Wien im Entwurf berücksichtigt wird. Im § 33 StGB („besondere Erschwerungsgründe“ für die Strafbemessung), in dem bisher nur von rassistischen, fremdenfeindlichen oder anderen besonders verwerflichen Beweggründen die Rede ist, wird nunmehr ausdrücklich auf die im § 283 angeführten Kategorien und Gruppen verwiesen.

In ihrer Stellungnahme begrüßt die HOSI Wien zudem die neu einzuführenden Straftatbestände für Zwangsverheiratung und Zwangsverpartnerung (§ 106a StGB) sowie die „Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung“ (§ 205a) und die Neufassung des Absatzes 1 im § 218 („sexuelle Belästigung und öffentliche geschlechtliche Handlungen“), der in letzter Zeit als Po-Grapsch-Verbot durch die Medien gegeistert ist.

Eine weitere Forderung betrifft die §§ 178 und 179 („vorsätzliche“ bzw. „fahrlässige Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten“): Die HOSI Wien spricht sich ausdrücklich gegen die vorgesehene Verschärfung der Strafen aus (Wegfall der Geldstrafe im § 178, Verdoppelung des Strafrahmens bei der Geldstrafe im § 179). In diesem Zusammenhang fordern wir ferner die Klarstellung (etwa in den Erläuterungen), dass die HIV-Infektion nicht zu den beschränkt anzeige- oder meldepflichtigen Krankheiten gehört. Diese Einordnung hat in der Vergangenheit zu willkürlichen und rechtsstaatlich äußerst bedenklichen Verurteilungen von homosexuellem Geschlechtsverkehr – selbst unter Beachtung von Safer-Sex-Regeln – geführt.

 

Nachträgliche Anmerkung:

Am 8. Juli wurde die Strafrechtsnovelle 2015 vom Nationalrat beschlossen (vgl. LN 3/2015, S. 17). Die vorhin erwähnten §§ 33, 106a, 205a, 218 und 283 wurden gemäß der Regierungsvorlage novelliert. Die Anregungen der HOSI Wien betreffend die §§ 178, 179 und 188 wurden nicht berücksichtigt.

Für die HOSI Wien waren indes die Änderungen im § 33 sowie beim Verhetzungsverbot besonders wichtig. Bei der letzten Novelle des § 283 im Jahr 2011 war zwar „sexuelle Ausrichtung“ als Schutzkategorie aufgenommen worden, gleichzeitig waren jedoch, wie oben erwähnt, die Tatbestandsmerkmale verwässert worden. Zum besseren Verständnis sei daher an dieser Stelle auch der Text aus den LN 5/2011, S. 16, angefügt:

 

Verhetzungsverbot beschlossen

Am 20. Oktober 2011 hat der Nationalrat endlich die Novelle des Verhetzungsverbots im Strafgesetzbuch beschlossen (vgl. zuletzt LN 4/2011, S. 10). Allerdings sorgten die Abgeordneten der Regierungsparteien in letzter Minute in diesem Zusammenhang für eine unangenehme Überraschung. In einer großkoalitionären Nacht- und Nebelaktion haben die beiden Justizsprecher von ÖVP und SPÖ, Heribert Donnerbauer und Hannes Jarolim, am 18. Oktober – noch nach der ersten Lesung im Justizausschuss – einen Abänderungsantrag eingebracht. Dieser wurde dann auch beschlossen und hat das Gesetz völlig zahnlos gemacht.

Während die Regierungsvorlage – wie die geltende Fassung des § 283 – die Aufreizung bzw. Aufforderung zu jedweder „feindseligen Handlung“ unter Strafe stellte, wurde der Tatbestand durch den beschlossenen Abänderungsantrag nunmehr auf den Aufruf zu „Gewalt“ gegen bestimmte Gruppen eingeschränkt.

Weiters lautete der Absatz 2 im § 283 in der Regierungsvorlage noch: „Ebenso ist zu bestrafen, wer öffentlich wahrnehmbar gegen eine der im Abs. 1 bezeichneten Gruppen (…) hetzt oder in einer die Menschenwürde verletzenden Weise beschimpft oder verächtlich zu machen sucht.“ In der nunmehr beschlossenen Fassung wird jedoch nur mehr bestraft, „wer für eine breite Öffentlichkeit“ (statt „öffentlich“!) wahrnehmbar „gegen eine in Abs. 1 bezeichnete Gruppe hetzt oder sie in einer die Menschenwürde verletzenden Weise beschimpft und dadurch verächtlich zu machen sucht“. Durch die Änderung im letzten Satzteil wird für die Tathandlung jetzt vorausgesetzt, dass durch das Hetzen oder Beschimpfen die Gruppe als solche verächtlich gemacht werden soll. Wenn die Absicht des Verächtlichmachens nicht nachzuweisen ist, bleibt das Hetzen und Beschimpfen also straffrei. Und das bloße beabsichtigte Verächtlichmachen sowieso.

„Von der ÖVP haben wir im Grunde nichts anderes erwartet, aber wir sind zutiefst enttäuscht, dass auch die SPÖ ein wichtiges Anliegen verwässert und verraten hat“, kritisierte die HOSI Wien in ihrer Aussendung am 19. Oktober dieses Manöver. Da bringe es auch nichts, dass durch die Aufnahme von „sexueller Orientierung“ der Verhetzungsschutz auf Lesben und Schwule ausgedehnt wird, wenn gleichzeitig der Verhetzungsparagraph zu einem zahnlosen Papiertiger gemacht werde.