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Küssen im Café Prückel: Bussi Riot in Wien

Veröffentlicht am 13. Februar 2015
Für großes mediales Aufsehen sorgte im Jänner 2015 der Rauswurf zweier lesbischer Frauen aus dem Café Prückel. Sie hatten es gewagt, sich zu küssen. Die Wiener LSBT-Bewegung organisierte eine beeindruckende Solidaritätsdemo. Der Vorfall zeigte anschaulich, wie wichtig ein Levelling-up beim rechtlichen Schutz vor Diskriminierung ist. Ich berichtete in den LN 1/2015.

Solidaritätskundgebung vor dem Café Prückel in Wien am 16. Jänner 2015

Am 6. Jänner 2015 begrüßten sich Eva Prewein, 26, und Anastasia Lopez, 19, im Café Prückel mit einem Kuss. Der Kellner wies sie daraufhin zurecht: Sie sollten damit aufhören, dies sei unerwünscht. Danach verging eine Stunde, ohne dass die beiden eine Bestellung aufgeben konnten. Schließlich erklärte ihnen Prückel-Chefin Christl Sedlar, dies sei eine Anweisung von ihr, solche Andersartigkeiten gehörten ins Puff und nicht in ihr Traditionskaffeehaus, und verwies die beiden verblüfften Frauen des Lokals.

Wie der Falter # 4/15 vom 21. Jänner dann in seiner umfassenden Berichterstattung über die weitere Entwicklung des Vorfalls erwähnte, war dies nicht der erste Zwischenfall dieser Art im Café Prückel: Vor genau zehn Jahren waren Nadja Schefzig und Katharina Miko von der Prückel-Chefin wegen harmloser Zärtlichkeiten rausgeschmissen worden. Die beiden wandten sich damals an den Falter, dem der Vorfall immerhin ein paar Zeilen wert war – er schickte ein Hetero-Paar zum Schmusen ins Prückel, um die Probe aufs Exempel zu machen – und siehe da: Das Hetero-Paar blieb vom Personal unbehelligt. Damals kam es zwei Monate nach dem Rausschmiss zu einem Mini-Flashmob: sechs schmusende Paare, Fotografen, ein Kamerateam, niemand regte sich auf, das war’s.

Auch Lopez und Prewein ließen den Vorfall nicht auf sich beruhen, aber heute sind die Reaktionen ganz andere: Dank der sogenannten sozialen Medien – unter dem Hashtag #KüssenImPrückel wurde zu Protesten gegen das Kaffeehaus aufgerufen und für Solidaritätsbekundungen gesorgt – zog die Sache unerwartet weite Kreise. Nicht nur alle großen österreichischen Tageszeitungen wie KURIER, der Standard oder Die Presse berichteten ausführlich, die Angelegenheit fand ihren Niederschlag u. a. auch im SPIEGEL, in der Süddeutschen Zeitung und sogar in US-Medien. Die HOSI-Wien-Obleute hatten einmal mehr alle Hände voll zu tun, das große Medieninteresse durch Interviews und Stellungnahmen zu befriedigen.

Die SPÖ-Organisation Achse kritischer SchülerInnen (AKS), bei der sich Lopez engagiert, und LSBT-Organisationen, darunter die HOSI Wien (in einer Aussendung am 14. Jänner) und die Initiative To Russia With Love Austria, riefen schließlich zu einer Kundgebung vor dem Café Prückel auf. Die AKS meldete die Demo für den 16. Jänner an, die HOSI Wien half bei der Organisation, nahm mit einer starken Abordnung teil, und auch Obfrau CÉCILE BALBOUS sprach auf der Bühne. Den KundgebungsteilnehmerInnen wurde ein stimmiges Programm geboten, durch das die SchauspielerInnen Stefano Bernardin und Claudia Kottal führten. Zwischen den Redebeiträgen von AktivistInnen der Community und von PolitikerInnen von SPÖ, Grünen und NEOS gab es auch musikalische Beiträge.

Die FPÖ positionierte sich klar auf der anderen Seite, und ein blauer Gemeinderat schickte eine selten dämliche Presseaussendung über die APA aus, deren seltsame Wortkreationen („Wird wohl ka Zwickerbusserl g’wesn sein, sondern a solider Zungenpritschler“) es am Abend vor der Demo als Armin Wolfs Schlussgag in die ZiB 2 schaffte.

Am Tag vor der Kundgebung entschuldigte sich Prückel-Chefin Sedlar: „Meine Reaktion war überzogen.“ Sie bedaure die Auseinandersetzung mit den beiden Besucherinnen und wolle sich bei dem Paar „in aller Form entschuldigen“. Deren Verhalten habe sie zwar als völlig unangemessen und provokativ erlebt, aber in „meiner Eigenschaft als Geschäftsführerin hätte ich allerdings gelassener reagieren sollen.“ Sedlar sehe es auch in Zukunft als ihre Aufgabe an, im Café auf die Einhaltung „anerkannter Standards des gesellschaftlichen Verhaltens“ zu achten.

Das normalerweise täglich geöffnete Café Prückel legte am Tag der Demo vorsorglich einen Ruhetag ein und wurde von mehreren Polizeibeamten bewacht. Leider war – wahrscheinlich bereits in den Morgenstunden – die Fassade des Gebäudes Ziel einer Sprayattacke geworden. Die VeranstalterInnen der Kundgebung distanzierten sich einhellig von diesem dummen Vandalenakt.

 

Levelling-up ist Gebot der Stunde

Für die HOSI Wien ist jedenfalls klar: „Dieser Vorfall bestätigt unsere langjährige Forderung nach Ausweitung des Diskriminierungsschutzes“, erklärte Obfrau Balbous in der erwähnten Medienaussendung vom 14. Jänner. „Lesben und Schwule sind per Gesetz nur vor Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf geschützt, nicht aber beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, worunter etwa auch die Vermietung von Wohnraum fällt. Mit der Kundgebung am 16. Jänner 2015 fordern wir nicht nur das Café Prückel auf, seine Einstellung zu ändern, sondern auch die ÖVP, die das sogenannte Levelling-up beim Schutz vor Diskriminierung bereits mehrfach im Parlament blockiert hat.“ (Siehe dazu auch Bericht auf S. 20.)

„Der Fehltritt der Prückel-Besitzerin zeigt auch ganz klar, zu welchen seltsamen Auswüchsen die derzeitige Gesetzeslage führt. So wäre beispielsweise eine lesbische Angestellte durch das Gleichbehandlungsgesetz vor Diskriminierung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung geschützt, nicht aber lesbische Kundschaft. Es besteht hier dringender Nachholbedarf seitens der Politik“, ergänzte Obmann CHRISTIAN HÖGL.