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Interview für das Projekt Stonewall in Wien (1969–2009)

„Alles unter einem Dach“

Veröffentlicht am 27. Juni 2009
Im Rahmen des Projekts Stonewall in Wien (1969–2009) wurde 2009 eine Reihe von AktivistInnen über ihre Erfahrungen in der Bewegung und in der Gesellschaft in den vier Jahrzehnten seit dem Stonewall-Aufruhr befragt. Die Videos mit den einzelnen Interviews wurden zu einer „Chronologie der lesbisch-schwulen-transgender Emanzipation“ zusammengestellt. Das Interview mit mir kann man auch hier ansehen.

Was ist deine erste Erinnerung an „Stonewall“?

Eigentlich erinnere ich mich gar nicht dran. Wie wir mit der HOSI 1979/80 begonnen haben, haben wir uns auch mit Geschichte insgesamt viel beschäftigt, von Ulrichs bis Kertbeny… Und da sind wir wahrscheinlich bald drüber gestolpert. Aber ich kann mich erinnern, dass wir schon 1981 einen Info-Stand am Karlsplatz Ende Juni gemacht haben – unter dem Motto „Stonewall“. Zum Jubiläum „15 Jahre Stonewall“ habe ich dann 1984 selber einen Artikel in den LAMBDA-Nachrichten geschrieben.

Was waren die deklarierten Ziele der ersten Jahren?

Sehr vielfältig, weil es waren sehr viele Leute mit verschiedenen Ideen und Ansprüchen dabei, von der Theatergruppe, der Zeitungsgruppe, politisches Lobbying. Aber dann gab’s natürlich auch Leute, die hauptsächlich Selbsterfahrung wollten – das war ja damals sehr modern. Wir haben dann aber eigentlich alles unter das Dach der HOSI Wien gebracht. Die Entkriminalisierung im Strafrecht – also Vereinsverbot, Werbeverbot, unterschiedliches Mindestalter usw. – hatte aber schon oberste Priorität. Und wir hatten eine wichtige soziale Aufgabe damals, denn das HOSI-Zentrum war ja die erste nicht-kommerzielle, nicht-subkulturelle Alternative, wo man einfach hingehen und sich zwanglos treffen konnte.

Kurz nach Etablierung der HOSI brach die AIDS-Krise aus. Ihr wart dann auch die ersten, die hier auch professionelle Aufklärungsarbeit geleistet habt.

Die HOSI Wien war zu diesem Zeitpunkt, Gott sei Dank, schon relativ gefestigt. Wir waren auch international schon gut vernetzt. Aber es war natürlich eine große Herausforderung, die wir, glaube ich, gut bestanden haben. Das kam ja in zwei Phasen. Die erste 1982–83, und dann hörte man ein Jahr lang relativ wenig. Wirklich losgegangen ist es dann 1985, als die HIV-Tests auf den Markt kamen. Der wurde in der Anfangszeit selbst getestet, ob er funktioniert. Und da hat die HOSI Wien gemeinsam mit Dr. Hutterer und anderen Ärzten eine Teststudie gemacht. Das waren über 300 Leute, die daran teilgenommen hatten. Und nach zwei Monaten saßen wir dann auf über 60 positiven Befunden. Da war uns klar, wenn diese Leute jetzt ihre Befunde bekommen, werden wir eine professionelle Beratungsstelle brauchen. Und dann haben wir an deren Umsetzung gearbeitet und 1985 die Österreichische Aids-Hilfe gegründet.

Die AIDS-Krise hat ja auch die Diskussion um eingetragene Partnerschaften enorm beschleunigt.

Es war sicher ein Auslöser, aber es wäre auch sonst gekommen. Die HOSI Wien ist dann auch unter Zugzwang gekommen, weil es war ihr ja bis dahin kein großes Anliegen gewesen. Wir haben inzwischen einen recht pragmatischen Ansatz dazu: Auf der einen Seite beklagen wir diese Heteronormativität, die uns aufgezwungen wird, auf der anderen Seite haben wir nichts Besseres zu tun, als auf Punkt und Beistrich die Heteronormen zu übernehmen. Aber man kann halt nur hoffen, dass es was Besseres und Moderneres wird als die Ehe. Wie es ausschaut, kriegen wir aber die eingetragene Partnerschaft mit dem völlig altmodischen Scheidungsrecht, aber da müssen sich dann die Leute selber überlegen, was sie wollen.

 

Link zum Original-Beitrag: http://www.qwien.at/stonewallinwien/k_krickler