Ehe – und nicht Gefängnis!
Der wichtigste Grund, warum die HOSI Wien die Öffnung der Ehe, wie sie derzeit besteht, gar nicht anstrebt, sind die mittelalterlichen Scheidungsbestimmungen. Denn Lesben und Schwule, die halbwegs bei Trost sind, würden wohl unter diesen Bedingungen nicht heiraten – außer es bleibt ihnen aus bestimmten Gründen keine andere Wahl, etwa wenn man eine/n Partner/in aus einem Nicht-EWR-Staat nach Österreich holen will.
Das österreichische Scheidungsrecht sieht nicht nur Trennungsfristen von bis zu sechs Jahren vor, sondern auch eine Scheidung aus Verschulden. Hintergrund dafür ist nicht zuletzt der Schutz von Frauen, die von ihren Ehemännern wirtschaftlich abhängig sind – von Frauen also, die Beruf und eigene Karriere aufgegeben haben, zu Hause geblieben sind, Kinder aufziehen. Tritt nun der klassische Fall ein, dass sich der Göttergatte in der Midlifecrisis eine jüngere Frau findet und der „alten“ den berühmten Laufpass gibt, dann soll die angetraute Nur-Hausfrau nicht womöglich nach 20 Jahren Ehe, Haushalt und Kinderaufzucht von heute auf morgen vor dem wirtschaftlichen Nichts stehen – ohne adäquates Ein- und Auskommen, ohne Pensionsanspruch etc. Für diese Fälle ist es höchst sinnvoll, dass die Frau ein gewisses Druckmittel hat bzw. eine Scheidung hinauszögern kann.
Angesichts der gesellschaftlichen Realität in Österreich wird sich an diesem Scheidungsrecht so bald nichts Wesentliches ändern (können). Denn moderne Scheidungsbestimmungen wie in Skandinavien bedürfen auch sozioökonomischer Voraussetzungen, wie sie in den nordischen Staaten vorherrschen: In Island etwa liegt die Frauenerwerbsquote bei über 80 Prozent, während sie in Österreich gerade mal die 50 % übersteigt. In den nordischen Ländern hat jede/r – unabhängig von eigenen Beitragsleistungen – Anspruch auf eine Volkspension, die zumindest ein bescheidenes Überleben sichert. Daher muss keine Frau verheiratet bleiben, nur damit sie im Alter versorgt ist.
Solange sich also diese Rahmenbedingungen (hohe Frauenerwerbsquote, Grundsicherung im Alter) nicht radikal ändern, werden selbst und gerade die eingefleischten Feministinnen in der SPÖ diese Bestimmungen zum Schutz dieser – nicht kleinen – Gruppe von Frauen verteidigen müssen. Da mit solchen radikalen Veränderungen in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist, wäre es auch ein falscher Ansatz zu sagen: Okay, wir übernehmen dieses Scheidungsrecht erst einmal für die eingetragene Partnerschaft (EP) und kämpfen dann gemeinsam mit den Heteros für ein moderneres. Denn es würde sich dann sehr rasch herausstellen, dass Heteros und Homos hier sehr unterschiedliche Bedürfnisse haben. Und wir können wohl nicht erwarten, dass sich die Heteros ein Scheidungsrecht nach „unseren“ Vorstellungen aufs Auge drücken lassen, wenn davon auszugehen ist, dass auf 150–200 „Hetero-Ehen“ gerade einmal eine „Homo-Ehe“ kommen wird.
Ich gebe zu: Schon möglich, dass es auch gleichgeschlechtliche Paare gibt, die das antiquierte Hetero-Modell leben möchten – eine/r geht arbeiten, der/die andere bleibt zu Hause, führt den Haushalt und macht sich damit total abhängig –, aber das sind wohl ziemlich wenige. Das Scheidungsrecht muss sich jedoch an den Bedürfnissen der Mehrheit orientieren.
Unerträglich ist auch die Vorstellung, dass Gerichte darüber befinden, wer an der Zerrüttung einer EP schuld ist und ob eine EP geschieden wird oder nicht. Das ist eine unglaubliche Entmündigung der Menschen. Ich verstehe nicht, dass Leute, die auf ihre Selbstbestimmung pochen, sich hier von RichterInnen bevormunden lassen wollen. Wenn eine/r der PartnerInnen nicht mehr in einer EP bleiben möchte – egal, aus welchen Gründen –, dann kann man ihn oder sie doch nicht dazu zwingen. Das wäre ja fast eine Form der Freiheitsberaubung. Die EP darf doch kein Gefängnis sein!
Wenn beiden PartnerInnen klar ist, dass die EP kein Versorgungsinstitut ist und statistisch gesehen die Chance, dass sie in die Brüche geht, bei 50 Prozent liegt, können sie sich von vornherein darauf einstellen und wirtschaftliche Abhängigkeiten vermeiden. Es gibt auch kein vernünftiges Argument, warum es für die EP nicht andere Scheidungsbestimmungen geben soll als für die Ehe. Nur der Gleichstellung wegen? Gleichstellung kann ja nicht reiner Selbstzweck sein. Leider hat das Justizministerium bei seinem im Oktober 2007 vorgelegten Entwurf für ein Lebenspartnerschaftsgesetz in der Frage des Scheidungsrechts der Mut verlassen. Zwar hat man den richtigen Weg eingeschlagen, aber nur ein paar halbherzige Schritte gemacht.