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Ehe – Maß aller Dinge?

Erschienen am 3. September 2007

Über Jahrhunderte hinweg haben die Heteros nach ihren Bedürfnissen am Eherecht herumgebastelt, ohne dass Lesben und Schwule auch nur ein Wörtchen dabei mitzureden hatten. Und jetzt sollen wir Lesben und Schwule dieses Eherecht „ungeschaut“ 1:1 übernehmen, damit wir volle Gleichberechtigung erlangen? Selbst wenn wir etwas anderes, etwas Besseres, lesbisch-schwulen Bedürfnissen Angepassteres bekämen, wären wir nicht gleichberechtigt, weil es eben nicht dasselbe wäre wie die Ehe, wollen uns so manche angebliche Schwulenvertreter einreden. Sie bestehen auf der Öffnung der Ehe, denn ein „Sonderinstitut“ für Lesben und Schwule wäre eine Ungleichbehandlung und Diskriminierung.

Doch wo, bitte, steht geschrieben, dass wir nur gleichberechtigt sind, wenn wir haargenau dasselbe wie Heteros bekommen? Wieso können wir nicht einfach einmal selbstbewusst den Spieß umdrehen? Wir verlangen und bekommen eine für unsere Bedürfnisse viel geeignetere eingetragene Partnerschaft – und wenn die Heteros mit uns gleichberechtigt sein wollen, weil sie finden, diese wäre auch für sie erstrebenswert – tja, dann sollen sie dafür eintreten und kämpfen, dass auch sie sie bekommen. Gäbe es eine unseren Lebensumständen angepasste eingetragene Partnerschaft, bräuchte wohl niemand der Ehe eine Träne nachzuweinen.

Die bestehende Ehe kann doch nicht das Maß aller Dinge sein! Ich kann es jedenfalls nicht als Ungleichbehandlung oder Diskriminierung sehen, wenn wir etwas Besseres, weil für uns Adäquateres erhalten. Es stimmt ja einfach nicht, dass die durchschnittliche verschiedengeschlechtliche Beziehung mit der durchschnittlichen gleichgeschlechtlichen Beziehung vergleichbar ist. Hier gibt es einfach unleugbare Unterschiede! Die heterosexuelle Ehe ist trotz vieler kinderloser Ehen immer noch – wenn auch nicht ausschließlich – auf Fortpflanzung und Kindererziehung ausgerichtet. Daher ist es nachvollziehbar, dass sich das Eherecht an diesen Aspekten orientiert. Die Mehrheit der Lesben und Schwulen, die in einer Zweierbeziehung leben wollen, will hingegen keine Kinder großziehen. Sicherlich gibt es auch viele lesbische und schwule Paare mit Kinderwunsch, aber trotzdem stellen sie wohl eine Minderheit dar. Daher wäre es nur logisch, wenn sich das Partnerschaftsrecht für Lesben und Schwule an der Mehrheit ohne Kinderwunsch orientierte und nicht an der Minderheit, die Kinder großziehen will.

Dieser wesentliche Unterschied betrifft in erster Linie das Scheidungsrecht, das z. B. darauf Rücksicht nimmt und in der Tat nehmen soll, dass Frauen, die zu Hause bleiben, Kinder erziehen, nicht erwerbstätig sind und daher auch keinen eigenen Pensionsanspruch erwerben, nicht einfach von heute auf morgen geschieden werden können und dann wirtschaftlich vor dem Nichts stehen. Wiewohl es durchaus einige Lesben oder Schwule geben mag, die sich ein Leben lang wirtschaftlich vom/von der Partner/in abhängig machen, so wäre es verrückt, das Partnerschaftsrecht für Lesben und Schwule generell an diesem Modell ausrichten zu wollen, zumal dieses ja selbst im heterosexuellen Bereich ein Auslaufmodell ist.

Daher tritt die HOSI Wien dafür ein, das derzeit für die Ehe geltende Trennungsrecht nicht der eingetragenen Partnerschaft für Lesben und Schwule überzustülpen. Denn: Was würde uns Lesben und Schwule fehlen, hätte kein/e Richter/in die Schuldfrage bei einer Scheidung zu klären, sondern würde eine EP immer – ganz einfach – wegen Zerrüttung nach einer angemessenen Frist getrennt oder weil dies beide PartnerInnen wünschen? Was ginge uns ab, könnten wir eine Scheidung nicht sechs Jahre blockieren wie bei der Ehe?

Wir können doch nicht ständig die Heteronormativität beklagen (siehe auch Aus lesbischer Sicht auf S. 18) und gleichzeitig bei einem so zentralen Element bei der Produktion der „Heterofabrik“, wie es die Ehe darstellt, darauf pochen, dass wir auf Punkt und Beistrich genau diese Heteronormen übernehmen dürfen. Damit würden wir diese Heteronormen doch bloß als vermeintlich unverzichtbares Nonplusultra nur noch mehr einbetonieren. Und das hielte ich für hochgradig absurd und grotesk. Gleichstellung kann nicht reiner Selbstzweck sein – da muss man schon auch hinterfragen: Womit wollen wir gleichgestellt und gleichberechtigt sein?

Que(e)rschuss LN 5/2007