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Rosa Platz für Wien

Veröffentlicht am 7. Juli 2006
Im Mai 2006 wurde der Entwurf eines Mahnmals für die homosexuellen Opfer des NS-Regimes in Wien präsentiert. Er stammte von Hans Kupelwieser und wurde aus mehreren Einreichungen im Rahmen des ausgeschriebenen internationalen Wettbewerbs ausgewählt, wie ich in den LN 4/2006 berichtete. Dieses Projekt Rosa Platz sollte auf dem Morzinplatz im ersten Bezirk verwirklicht werden. Leider konnte es dann aus bautechnischen Gründen nicht umgesetzt werden. Es sollte 14 Jahre dauern, bis ein neues Projekt ausgewählt wurde (vgl. Blog vom 29. Juni 2020).

Entwurf für den Rosa Platz am Morzinplatz von Hans Kupelwieser – nicht verwirklicht

Am 15. Mai 2006 gaben Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny und Integrationsstadträtin Sonja Wehsely [beide SPÖ] im Rahmen einer Pressekonferenz die Entscheidung der zuständigen Jury bekannt, dass Hans Kupelwiesers Entwurf für das geplante Mahnmal für die homosexuellen und Transgender-Opfer des Nationalsozialismus ausgewählt worden ist. „Wir sind sehr zufrieden mit dieser Entscheidung“, erklärte HOSI-Wien-Obmann CHRISTIAN HÖGL aus diesem Anlass: „Es freut uns, dass VertreterInnen der lesbisch-schwulen und Transgender-Community in die Entscheidungsfindung im Rahmen des künstlerischen Wettbewerbs eingebunden waren und ihre Präferenzen zu den eingereichten Entwürfen mitteilen konnten. Das nun ausgewählte Projekt zählte auch zu unseren absoluten Favoriten.“ [Vgl. Aussendung der HOSI Wien vom 16. Mai 2006]

„Wir sind der Stadt Wien auch sehr dankbar, dass sie dieses wichtige Zeichen setzt“, ergänzte Obfrau BETTINA NEMETH. „Wir begrüßen auch sehr den Ansatz, nicht bloß einen leicht zu übersehenden Gedenkstein irgendwo in der Stadt aufzustellen, sondern ein ungewöhnliches und auffälliges Mahnmal auf einem zentralen und stark frequentierten Platz in der Innenstadt zu verwirklichen, das durchaus ein neues Wahrzeichen Wiens werden kann.“

Die HOSI Wien wertet das Mahnmal aber auch als politische Aussage und Positionierung der Wiener Stadtregierung gegen die Haltung der ÖVP nicht nur in aktuellen Fragen der Gleichstellung von Lesben und Schwulen, sondern etwa auch in der Frage der Anerkennung der wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgten NS-Opfer. Bekanntlich hat sich ja die ÖVP bis vor einem Jahr vehement dagegen gewehrt, diese Opfergruppe ins Opferfürsorgegesetz aufzunehmen. Mit ihrer Haltung hat sie die Wertungen der Nazis nachvollzogen und in dieser Frage quasi deren Gedankengut 60 Jahre lang weiter vertreten. Auf die diesbezügliche Kritik der HOSI Wien an der ÖVP-Haltung reagierte ein ÖVP-Abgeordneter mit einer Klagsflut. Die Initiativen der Stadt Wien sind da ein wohltuender Kontrapunkt zur reaktionären ÖVP-Politik.“

 

Irrtümer

Da um die Errichtung dieses Mahnmals bereits eine Legendenbildung eingesetzt hat und viele ihre Vaterschaft anmelden, seien an dieser Stelle einige kursierende Falschinformationen richtiggestellt: Die seinerzeitige Aktion des Österreichischen Lesben- und Schwulenforums (ÖLSF), bei der Regenbogenparade das bestehende Denkmal auf dem Morzinplatz mit einem Balken mit rosa und schwarzem Winkel und der Aufschrift „Wir gedenken der vergessenen Opfer des Nationalsozialismus“ zu ergänzen, fand nicht 2001 bei EuroPride statt, sondern bereits 1999 (vgl. LN 3/1999, S. IV ff).* Dieser Aktion folgten indes keinerlei weiteren Initiativen.

Auch wenn sie jetzt unter einer SPÖ-Stadtregierung umgesetzt wird, stammt die Idee zur Errichtung eines solchen Mahnmals eindeutig von den Grünen, die sie im November 2003 als Teil ihres „Wiener Pakets gegen Homophobie“ präsentierten. Ihr ursprünglicher Antrag dazu wurde im Dezember 2003 im Kulturausschuss des Gemeinderats von der SP noch abgelehnt. Mailath-Pokorny war zu dem Zeitpunkt von der Idee alles andere als begeistert und begründete die Ablehnung der SP mit dem Hinweis, mit Alfred Hrdlickas Mahnmal gegen Krieg und Faschismus gebe es ohnehin bereits ein Denkmal, das allen Opfern des Nationalsozialismus gewidmet sei. Was nicht stimmte, wurden die Homosexuellen doch nicht einmal auf den Informationstafeln zu Hrdlickas Mahnmal am Albertinaplatz unter den Opfergruppen erwähnt (vgl. LN 1/2004, S. 11 f). Die HOSI Wien schrieb damals an Mailath-Pokorny und hatte dann im Februar 2004 einen Gesprächstermin bei ihm. Bei dieser Gelegenheit brachten wir unsere vehemente Unterstützung für den grünen Vorschlag zum Ausdruck (vgl. LN 2/2004, S. 14). Im Juni 2005 wurde schließlich das Wettbewerbsprojekt für den Standort am Morzinplatz von der Stadt Wien präsentiert (vgl. LN 4/2005, S. 20 f).

Das Wiener Mahnmal wird übrigens auch nicht erst das zweite derartige Projekt nach Amsterdam sein, denn auch in Utrecht und Frankfurt am Main existieren bereits Mahnmale – und nicht bloß Gedenktafeln – zur Erinnerung an die homosexuellen NS-Opfer.

 

Das Projekt

Der Rosa Platz ist eine seichte, 400 m² große Wasserfläche auf dem Morzinplatz. Das Wasser ist rosa eingefärbt. Der Schriftzug QUE(E)R zieht sich als Relief durch das Becken. Die Buchstaben dienen als Trittsteine zum Queren des 20 x 20 m großen Beckens. „Queer“ ist ein international verbreiteter Begriff für Schwule, Lesben, Intersexuelle und Transgender-Personen – für alle von der Heteronormativität Abweichenden. Weitere Assoziationen dieses Wortes sind Querdenker, quer sein, querlegen. QUE(E)R schlägt eine Brücke quer durch die Zeit. Es erinnert, bricht, eröffnet und schlägt ständig neue Wellen.

Der Rosa Platz erinnert mit seiner Farbgebung an den „rosa Winkel“, an die Menschen, die wegen ihrer sexuellen Orientierung in der NS-Zeit verfolgt und ermordet wurden. Der Rosa Platz ist ein offener Platz für eine offene Gesellschaft; er ist Treffpunkt und Ort der Kontemplation, der zum Verweilen, Beobachten und Erinnern einlädt. Gleich einem „roten“ Teppich liegt er an einem der Eingänge zur Inneren Stadt und lässt diese in seinem Wasser spiegeln.

 

* Nachträgliche Anmerkung:

Diese Falschinformation wurde z. B. in der Presseaussendung der Stadt Wien am 15. Juni 2005 verbreitet, in der die Stadt Wien die Umsetzung des Mahnmal-Projekts offiziell verkündete.

Hans Kupelwiesers Entwurf „Rosa Platz“ wurde nie umgesetzt – siehe meinen Blog-Beitrag vom 29. Juni 2020.