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Beitrag im deutschen Magazin zum CSD 06

Europa traut sich

Veröffentlicht am 1. Mai 2006
In meinem zweiten Beitrag für das offizielle Magazin mehrerer deutscher CSDs – CSD 06 – gab ich den damals aktuellen Stand der Entwicklung in Sachen Lesben- und Schwulenehe in Europa wieder und ging auf die Problematik der gegenseitigen Anerkennung durch die einzelnen Staaten angesichts der Vielfalt ihrer Rechtsinstitute ein.

Dänemark war 1989 mit der Einführung der eingetragenen Partnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare ein Pionierland. Aber je mehr Staaten in Europa gleichgeschlechtliche Partnerschaften rechtlich verankern, desto häufiger wird sich die Frage der Anerkennung im Ausland stellen, weil es immer mehr betroffene Paare geben wird, die in ein anderes Land ziehen (wollen). Dabei geht es einerseits um die Anerkennung durch Staaten, die selber über noch keine rechtliche Verankerung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften verfügen, und andererseits um die gegenseitige Anerkennung durch Staaten mit unterschiedlichen Rechtsinstituten.

Während die nordischen Staaten gegenseitig die eingetragenen Partnerschaften anerkennen – und auch die Niederlande, Belgien und Spanien gegenseitig die in einem anderen Land geschlossenen gleichgeschlechtlichen Ehen –, werfen die Unterschiedlichkeit und Vielfalt der diversen Regelungen viele Fragen auf: Wird ein Paar, das in Deutschland eine Eingetragene Lebenspartnerschaft eingegangen ist, nach einer Übersiedlung nach Spanien in diesem Status anerkannt? Anerkennen die nordischen Staaten auch einen französischen „zivilen Solidaritätspakt“ (PaCS), mit dem ja bedeutend weniger Rechte verbunden sind als mit ihren eigenen Regelungen? Großbritannien hat sich dieser Frage pragmatisch angenähert: Sein eigenes Civil Partnership-Gesetz sieht die Anerkennung aller ausländischen Rechtsinstitute vor – egal, ob diese weniger oder mehr Rechte gewähren.

Im Großen und Ganzen lassen sich die vielfältigen Rechtsinstitute, die heute in Europa bestehen, in vier Kategorien zusammenfassen: die standesamtliche Ehe; eingetragene Partnerschaft mit fast gleichen Rechten wie für die Ehe; rechtliche Anerkennung von Lebensgemeinschaften bzw. Lebenspartnerschaften samt behördlicher Eintragung mit deutlich geringeren Rechten als für die Ehe; sowie rechtliche Gleichstellung von Lebensgemeinschaften (ohne Eintragungsmöglichkeit) – all diese Regelungen füreinander kompatibel zu machen, hat die EU versäumt.

 

Standesamtliche Ehe

Erst drei europäische Staaten haben die standesamtliche Ehe für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet: die Niederlande (2001), Belgien (2003) und Spanien (2005). Damit verbunden ist auch das Recht auf Adoption, wobei die Fremdkindadoption in den Niederlanden und Spanien auf einheimische Kinder beschränkt ist, die internationale Adoption jedoch nur in Belgien vorgesehen ist.

 

Der Ehe gleichgestellte eingetragene Partnerschaft

Die „Lesben- und Schwulenehe“ in Form des neuen Rechtsinstituts der „eingetragenen Partnerschaft“ (EP) haben folgende Länder verwirklicht: Dänemark (1989), Norwegen (1993), Schweden (1995), Grönland (1996), Island (1996), Niederlande (1998), Finnland (2002), die Schweiz (Inkrafttreten vermutlich erst 2007) sowie das Vereinigte Königreich (2005).

Die Bestimmungen zur eingetragenen Partnerschaft sehen mit wenigen Ausnahmen gleiche Rechte und Pflichten wie für die Ehe vor. Zu den Ausnahmen zählt etwa das Recht auf Adoption, wobei allerdings in Dänemark, Island und Norwegen zumindest die Stiefkindadaption möglich ist. Schweden und Großbritannien erlauben sogar die Fremdkindadoption. Das Recht auf künstliche Befruchtung für lesbische Paare in einer EP ist ebenfalls in einigen Ländern ausgenommen.

Die EP-Regelung in den Niederlanden steht – im Gegensatz zu den anderen angeführten Ländern – auch verschiedengeschlechtlichen Paaren offen und unterscheidet sich inhaltlich nicht von der standesamtlichen Ehe.

 

Rechtsinstitute mit deutlich geringeren Rechten als für die Ehe

Frankreich, Belgien, Portugal, Deutschland, Luxemburg, Andorra, Slowenien und Tschechien haben ebenfalls eigene Rechtsinstitute verabschiedet, wobei diese mit deutlich geringeren Rechten als die Ehe ausgestattet sind.

In dieser Kategorie gibt es die größten Unterschiede zwischen den einzelnen Rechtsinstituten. Die deutsche und tschechische Regelung, die ihrerseits nicht an die eingetragene Partnerschaft der nordischen Länder, der Niederlande, der Schweiz oder des Vereinigten Königreichs heranreichen, stehen wiederum eine Stufe über dem französischen PaCS, dem Luxemburger Partnerschaftsgesetz, der andorranischen unió estable de parella – diese drei Regelungen stehen übrigens auch verschiedengeschlechtlichen Paaren offen – sowie über der portugiesischen união de facto. Auch die slowenische Regelung ist sehr unbefriedigend, da sie wichtige rechtliche Bereiche ausschließt.

 

Gleichstellung von Lebensgemeinschaften

In Ungarn (1996) und Kroatien (2003) sind gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften durch eigene Gesetze mit verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften gleichgestellt worden, ohne das jedoch eine behördliche Eintragung vorgesehen ist.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg hat im Übrigen 2003 in seinem Urteil in der Beschwerde Karner gegen Österreich – es ging um eine diskriminierende Bestimmung im Mietrecht – eindeutig festgestellt, dass eine unterschiedliche Behandlung von gleich- und verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften nur dann keine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention darstelle, wenn eine solche Ungleichbehandlung aus „schwerwiegenden“ Gründen und zur Erreichung eines legitimen Zieles auch tatsächlich „notwendig“ sei. Die österreichische Regierung hatte mit dem Schutz der traditionellen Familie argumentiert.

Der EGMR hat zwar konzediert, dass dies ein durchaus legitimes Ziel sei, konnte aber nicht davon überzeugt werden, dass dafür die Diskriminierung von gleichgeschlechtlichen LebensgefährtInnen im Mietrecht notwendig sei. Dieses Urteil bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als dass in allen 46 Mitgliedsstaaten des Europarats hetero- und homosexuelle Lebensgemeinschaften rechtlich gleichzustellen sind. Leider funktioniert dies nicht automatisch – Betroffene müssen in jedem Einzelfall wieder bis vor den EGMR ziehen, um zu ihrem Recht zu kommen. Die Erfolgsaussichten sind indes äußerst günstig.

Die große Herausforderung auf EU-Ebene wird in den kommenden Jahren darin liegen, die Freizügigkeit aller EU-BürgerInnen sicherzustellen. Probleme ergeben sich hier in erster Linie für Paare, wenn eine/r Drittstaatsangehörige/r ist und daher kein eigenständiges Recht auf Niederlassungsfreiheit überall in der EU hat. Hier bremsen vor allem die Staaten ohne rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Paare. Diese Länder fürchten – zu Recht –, hier könnte die Einführung der „Homo-Ehe“ durch die Hintertür drohen. Ein Horror für die derzeitigen Regierungen in Polen, Österreich, Litauen oder Lettland.