Seite wählen
  1. Artikel
  2. Was alles ein Triumph ist

Kommentar in der Online-Zeitschrift Glocalist Review

Was alles ein Triumph ist

Veröffentlicht am 26. Oktober 2005
Bei den Wiener Landtagswahlen am 23. Oktober 2005 kommen ÖVP und BZÖ – die beiden Koalitionsparteien im Bund – gemeinsam nicht einmal mehr auf 20 Prozent der Stimmen. Für die Bundesregierung indes kein Grund, zurückzutreten. Für die Online-Zeitschrift Glocalist Review kommentiere ich dieses Wahlergebnis und seine (Nicht-)Folgen.

So große Überraschungen hat die Wiener Wahl auch wieder nicht gebracht, wie jetzt alle tun. Okay, dass HC Straches FPÖ 15 Prozent der Stimmen gekriegt hat, war vielleicht tatsächlich eine kleine, aber so sensationell ist es auch nicht. Das zeigt nur die Dummheit oder Verzweiflung der ProtestwählerInnen, die nicht wissen, wohin mit ihrer Stimme. Es ist grotesk, dass sie immer wieder auf die FPÖ hereinfallen, von der sie dann – kaum in der Regierung – prompt herb enttäuscht werden. Merken die FP-WählerInnen nicht, dass diese Partei wie eine russische Puppe ist? – Da kommt unter der blauen Puppe eine orange zum Vorschein, dann wieder eine blaue, dann vielleicht eine neue Farbe – aber es ist immer dieselbe Puppe!

Dass Bundeskanzler Schüssel die herben Wahlschlappen bei den drei Landtagswahlen dieses Herbstes aussitzen würde, war klar, denn er kann keine Neuwahlen riskieren, muss er doch fürchten, dann längste Zeit Kanzler gewesen zu sein. Aber vielleicht macht ihm ja doch sein orange-blauer Koalitionspartner noch einen Strich durch die Rechnung!

In jedem zivilisierten Land wäre jedenfalls eine Bundesregierung, deren Parteien bei einem so wichtigen Wahlgang wie in der Bundeshauptstadt mit Ach und Krach auf 20 Prozent kommen, in der Sekunde zurückgetreten. Aber Schüssel, Haider, Böhmdorfer (übrigens: Erinnert sich eigentlich noch jemand an alle die Justizskandale?) und wie sie alle heißen haben Österreich ja in den letzten sechs Jahren zur Vorzeige-Bananenrepublik in der EU gemacht, die nur durch Berlusconis Italien übertroffen wird.

Das Hauptmotiv für Schüssels Sesselkleben ist ja ein ganz persönliches und nur mehr psychotherapeutisch zu bearbeiten: Er will um jeden Preis noch EU-Ratspräsident im ersten Halbjahr 2006 werden – als Kompensation für die Schmach, die er aufgrund der von den 14 EU-Partnern über seine blau-schwarze Regierung verhängten Maßnahmen 2000 erlitten hat.

Anfangs hat er wohl auch mit dem angenehmen Nebeneffekt spekuliert, mit der vermeintlichen Würde des Amts als EU-Ratsvorsitzender dann bei Nationalratswahlen im Herbst 2006 politisch punkten zu können. Offenbar hat er aber mittlerweile erkannt, dass dieses Kalkül angesichts der allgemeinen negativen EU-Stimmung im Land nicht aufgehen wird. Seine neue Strategie scheint jetzt zu sein, auf dieser Stimmungswelle mitschwimmen zu wollen und sich als Kämpfer und Bollwerk gegen die böse EU zu gerieren, wofür Österreichs peinliche Vorstellung „David gegen Goliath“ in der Türkei-Frage auf dem Luxemburger EU-Gipfel schon ein kleiner Vorgeschmack war. Bloß: Hier wird ihm HC Strache das Wasser abgraben, wie der Wiener Wahlkampf schon gezeigt hat. Die FPÖ kann sich einfach „glaubhafter“ als Anti-EU-Kämpferin profilieren – und vor allem kann sie dabei viel hemmungsloser sein. Dasselbe gilt im Übrigen für die „Homo-Ehe“: Auch hier hat Strache jetzt bei den Wiener Wahlen die FPÖ als Verteidigerin der Hetero-Familie gegen die böse Homo-Ehe dermaßen massiv in Stellung gebracht, dass die ÖVP mit ihrer rabiaten Abtreibungsgegnerin daneben total abschmierte.

Es war ja herzig, wie die ÖVP ihre 18 Prozent als großen Sieg feierte. Und erst der Triumph von Ursula Stenzel im 1. Bezirk: über 3000 Stimmen für die Abgeordnete zum Europäischen Parlament! Eigentlich ein Armutszeugnis, dass eine Partei eine bekannte EP-Abgeordnete aufbieten musste, um ihre Mehrheit in einem Wiener Bezirk zu retten. Aber was für ein Abstieg für Stenzel: Von der ÖVP-Delegationsleiterin im Europäischen Parlament zur Bezirksvorsteherin in Wien-Innere Stadt. Was alles ein Triumph sein kann – man lernt nie aus!

Bliebe also nur der eigentlich günstige Effekt, während des EU-Ratsvorsitzes ständig medial präsent zu sein, was an und für sich ein Riesenvorteil für kurz danach stattfindende Wahlen wäre. Doch ich denke, auch diese Medienpräsenz wird nach hinten losgehen. Schon jetzt sehnen sich viele nach den „roten Gfriesern“ (© Andreas Khol) zurück, weil die immer gleichen schwarzen und blauen Oaschg’sichter, die man sich seit 20 Jahren in den Medien anschauen muss, einfach nur mehr nerven und einem wirklich unsagbar zum Hals raushängen…

Die Grünen kann man jedenfalls nur davor warnen, sich die Koalitionsoption mit dieser ÖVP aufrechtzuerhalten – damit wird sie wohl mehr WählerInnen der SPÖ zutreiben, als ihr lieb sein kann.