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Porno-Kirche im Sex-Dorf lassen!

Veröffentlicht am 17. Dezember 2003
Anlässlich der geplanten Reform des Sexualstrafrechts kritisiere ich die Haltung zweier Organisationen, die sich im Begutachtungsverfahren vehement gegen das Verbot von pornografischen Darstellungen von Kindern, in diesem Fall 14- bis 18-Jähriger, ausgesprochen haben.

Im Rahmen der UNO-Kinderrechtskonvention samt Fakultativprotokoll ist die internationale Staatengemeinschaft übereingekommen, die sexuelle Ausbeutung von unter 18-Jährigen in Pornografie und Prostitution zu ächten. Dass diese Altersgruppe unter der Definition „Kind“ subsumiert wird, ist sicherlich unglücklich gewählt, ändert aber nichts am Umstand, dass alle Menschen unter 18 Jahren geschützt werden müssen. Diese grundsätzliche Ächtung von Prostitution und Pornografie mit unter 18-Jährigen wurde vom Europarat, von der EU und auf allen einschlägigen Konferenzen (Stockholm 1996, Jokohama 2001) bekräftigt, auch von allen NGOs, die in diesem Bereich arbeiten.

 

Gräuelpropaganda

Bisher ist in Österreich die sexuelle Ausbeutung von Minderjährigen in der Pornografie nur bis zum Alter von 14 Jahren strafbar. Die Strafrechtsreform 2003 will dies ändern, um den internationalen Verpflichtungen Österreichs nachzukommen. Dieser Schutz vor Ausbeutung bis 18 tangiert im Übrigen weder das Strafmündigkeitsalter noch das Mindestalter für freiwillige sexuelle Handlungen. Beides liegt in Österreich bei 14 Jahren und steht auch bei der jetzigen Reform überhaupt nicht zur Debatte.

Man darf davon ausgehen, dass auch in Österreich ein breiter Konsens darüber besteht, dass die sexuelle Ausbeutung 14- bis 18-Jähriger durch Pornografie gesellschaftlich unerwünscht ist.

Etwas verunsichert wurde man jetzt durch eine einzelne, dank Standard-Berichterstattung jedoch prominent verbreitete Position – jener des Rechtsanwalts Helmut Graupner, der auch Kovorsitzender der – seit dem Ende der Ära Bornemans – eher in die Bedeutungslosigkeit abgesunkenen Österreichischen Gesellschaft für Sexualforschung ist.

In der Stellungnahme der ÖGS zum Gesetzesentwurf heißt es unmissverständlich: „Der vom Entwurf vorgesehenen Anhebung der Altersgrenze von 14 auf 18 Jahre treten wir mit Nachdruck entgegen.“ Wohlgemerkt: Es geht um die Anhebung der Grenze des Schutzes Jugendlicher vor sexueller Ausbeutung durch Pornografie!

Mit unredlicher Gräuelpropaganda polemisiert Graupner gegen die Reform: Von einem 15-Jährigen ist da u. a. die Rede, der mit Gefängnisstrafe bedroht wäre, machte er „erotische“ Fotos von seiner gleichaltrigen Freundin im knappen Bikini. In seiner Manipulation der Fakten unterschlägt er den Absatz 5 im vorgeschlagenen § 207a: Nicht zu bestrafen ist nämlich, wer „eine pornographische Darstellung einer mündigen minderjährigen Person (Anm. 14 bis 18) mit deren Einwilligung und zu deren eigenem Gebrauch herstellt oder besitzt“. Ebenso unterschlägt er die nicht unwesentliche Einschränkung, dass der Gesetzesentwurf nur jene Abbildungen der Genitalien oder der Schamgegend unter 18-Jähriger erfasst, bei denen es sich „um auf sich selbst reduzierte und von anderen Lebensäußerungen losgelöste Abbildungen handelt, die der sexuellen Erregung des Betrachters dienen“. Harmlose Urlaubsfotos am Strand dürfen also auch weiterhin gemacht werden.

 

„Horrorszenario“

Wenn aber ein 14-Jähriger eine nackte 17-jährige Schönheit in „pornografischer“ Pose auf seinen Heimcomputer generiert und seinem Freund zeigt, ein weiteres „Horrorszenario“ Graupners, dann muss das konsequenterweise (wenn es der sexuellen Erregung der Betrachter dient) strafbar sein, will man verhindern, dass dann plötzlich alle gleichgesinnten Internetkomplizen zu guten Freunden mutieren.

Wie man aus den Erfahrungen mit der Kinderpornografie mit unter 14-Jährigen weiß, muss auch der Besitz strafbar sein, um sie wirksam bekämpfen zu können. Jugendliche sind ab 14 strafmündig, daher müssen die Bestimmungen für sie genauso gelten. Ein 14-Jähriger, der eine Gleichaltrige vergewaltigt, wird ja auch zur Verantwortung gezogen.

 

Bevormundung?

Die Berufung auf die sexuelle Selbstbestimmung Jugendlicher muss in Sachen Pornografie ins Leere gehen. Denn auch die Prostitution ist für unter 18-Jährige verboten. Das mögen manche Jugendliche ebenfalls als unerträgliche staatliche Bevormundung empfinden, dennoch besteht darüber breiter gesellschaftlicher Konsens. Und diesen sollte es auch kompromisslos bei der sexuellen Ausbeutung durch Pornografie geben. Wobei das auch für unter 18-Jährige in der Werbung gelten sollte, die oft „pornografisch“ daherkommt – aktuelles Beispiel dafür ist etwa der ekelhafte TV-Spot des Reiseveranstalters TUI.

Graupner erregt sich darüber, dass potenziell der Besitz von Darstellungen von Personen strafbar ist, die zwar jünger aussehen, aber schon über 18 Jahre alt sind. Auch hier verschweigt er, dass in den Erläuterungen zum Gesetzesentwurf ausdrücklich betont wird, dass ein Nachweis über das wahre Alter der Abgebildeten Straffreiheit bedeutet. Es ist Konsumenten pornografischer Darstellungen wohl zuzumuten, sich – im eigenen Interesse – abzusichern, dass die Abgebildeten bereits 18 Jahre alt sind.

 

Rot-grüne Hysterie

Diese Verantwortung den Porno-Konsumenten zu übertragen ist ein wichtiges Mittel, um illegale Pornografie zurückzudrängen. Niemand ist angesichts des immensen Angebots gezwungen, pornografisches Material aus dubiosen Quellen zu beziehen und zu besitzen, bei dem nicht garantiert ist, dass die Abgebildeten über 18 sind.

Dass Graupner und die ÖGS die Einhaltung internationaler Verpflichtungen durch Österreich torpedieren wollen, haben sie deutlich zum Ausdruck gebracht. Warum aber SPÖ und Grüne dieser maßlosen, geradezu hysterischen Kampagne auf den Leim gegangen sind, ist rätselhaft. Haben sie keine eigenen Experten, die Gesetzesvorlagen analysieren können? Oder wollen sie den Schutz Jugendlicher vor Ausbeutung durch Pornografie ebenfalls aufweichen und verschanzen sich deshalb hinter einem „unabhängigen Experten“? Beides wäre gleich bedenklich und bedauerlich.

Die Homosexuelle Initiative (HOSI) Wien hat in ihrer Stellungnahme zum Begutachtungsentwurf die Vorschläge zu § 207a ausdrücklich begrüßt. Als bekanntermaßen eine der heftigsten KritikerInnen von Schwarz-Blau ist die HOSI Wien über jeden Verdacht erhaben, das Geschäft der Regierung zu betreiben. Als Interessenvertretung auch von Lesben und Schwulen unter 18 Jahren geht es ihr indes darum, dass diese vor sexueller Ausbeutung durch Pornografie wirksam geschützt werden.

 

Anmerkungen: Der Text nimmt Bezug auf folgenden Beitrag:  https://derstandard.at/1508488/Kommentar-der-anderen-Sex-in-the-Boehmdorfer-City.

Über diese Angelegenheit verfasste ich auch einen ausführlichen Beitrag in den LN 1/2004, S. 9 f.

Link zum Original-Beitrag: https://derstandard.at/1514531/Porno-Kirche-im-Sex-Dorf-lassen