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Nachlese zur Regierungsbildung: Fanatische ÖVP bewegt sich keinen Millimeter

Veröffentlicht am 25. April 2003
Nach der Nationalratswahl 2002 fanden im Februar 2003 zwischen ÖVP und Grünen Koalitionsverhandlungen statt. Sie scheiterten damals u. a. an schwul/lesbischen Fragen. In der Folge regierten ÖVP und FPÖ gemeinsam weiter. In den LN 2/2003 beleuchtete ich die Hintergründe – mit Zitaten aus der Stellungnahme der Grünen andersrum und einer kleinen Presseschau.

„Und wie ist das jetzt mit der Homo-Ehe?" – Aufhänger in „DIe Presse" vom 7. Februar 2003

Im Februar [2003] führten die Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und Grünen dazu, daß lesbisch/schwule Anliegen wieder in aller Medienmunde waren. Am 5. Februar trat der erweiterte Bundesvorstand der Grünen zusammen, um über ihr weiteres Vorgehen in Sachen Koalitionsgespräche mit der ÖVP zu beraten. Die HOSI Wien hatte vor der Sitzung dem Bundesvorstand ein Fax geschickt, um ihn an die einschlägigen Wahlversprechen der Grünen zu erinnern. Zugleich informierten wir die Medien in einer Aussendung. Die Presse brachte eine Kurzmeldung am 6. 2., die Wiener Zeitung am 7. 2. Auch der Nürnberger Fliederfunk interessierte sich für die Neuigkeiten aus Wien und interviewte Obfrau HELGA PANKRATZ für eine Sendung am 13. 2.

Als die Grünen um ca. 22 Uhr ihre Beratungen beendet hatten und die ZiB 2 live ins Hotel Ibis schaltete, wo die Pressekonferenz des grünen Parteivorstands im Gang war, schwang sich der Autor dieser Zeilen aufs Motorrad und fuhr ins Ibis (fünf Minuten von seiner Wohnung), um Näheres zu erfahren. Meine erste Frage an Terezija Stoisits war dann auch: Was ist jetzt mit der Lesben- und Schwulenehe? Die nach der Marathonsitzung schon sichtlich geschlauchte Nationalratsabgeordnete rollte die Augen ob der Ausdrucksweise. Okay: eingetragene Partnerschaft. Stoisits – und später an dem Abend auch ULRIKE LUNACEK – bestätigte, daß diese Frage in die Koalitionsgespräche eingebracht werde, zu deren Aufnahme der Parteivorstand sich gerade entschlossen hatte.

Ein Redakteur der Presse hörte das Gespräch mit, mißverstand es allerdings, denn am 7. 2. war darin unter der Riesenüberschrift „Und wie ist das jetzt mit der Homo-Ehe?“ zu lesen: „Natürlich sei die Eheschließung für Schwule nicht im Forderungspaket der Grünen für die Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP, so die Antwort“ Stoisits’. Da war wohl der Wunsch Vater des Gedankens. Auf jeden Fall verlangte das nach einer Richtigstellung, die als Leserbrief am 15. 2. in der Presse erschien.

 

Sand im Getriebe

In der Folge wurden die eingetragene Partnerschaft bzw. andere lesbisch/schwule Forderungen von den Medien stets als Knackpunkte der Koalitionsgespräche angeführt – ob im Bericht in der Kronenzeitung (7. 2.), ob im Kommentar von Andreas Unterberger in der Presse (8. 2.), ob im Leitartikel von Christian Rainer, im Fake-Dialog von Rainer Nikowitz, im Bericht und in der Analyse in profil (10. 2.) oder ob im Leserbrief, Armin-Thurnher-Kommentar oder Hintergrundbericht im Falter (12. 2.). Und in der Tat waren unsere Anliegen Sand im Getriebe der Koalitionsverhandlungen, wie die Tageszeitungen immer wieder vermeldeten – insbesondere am 12. und 13. Februar.

Schon am 10. Februar hatten sich die Salzburger Nachrichten über besonders pikante schwarzgrüne Stolpersteine ausgelassen, hatte doch Ulrike Lunacek schon im Dezember 2002 neuerlich den Antrag auf Aufhebung des § 207 b StGB im Nationalrat eingebracht. Selbst wenn sie ins Koalitionspaket nicht aufgenommen werden würde, so spekulierte die Tageszeitung, würde SPÖ oder FPÖ wohl versuchen, eine Abstimmung darüber herbeizuführen und damit einen Keil in eine mögliche schwarzgrüne Koalition zu treiben versuchen: „Eine der beiden Parteien müßte dann zum Gaudium des Publikums umfallen, so das Kalkül.“

Am selben Tag bestand Lunacek in den Oberösterreichischen Nachrichten noch auf der Einführung der eingetragenen Partnerschaft, was zwar ORF.at in seinen Online-Nachrichten aufgriff, die ÖVP aber laut Standard vom 12. 2. ablehnte. Da nutzte auch kein Kommentar der anderen in selbiger Zeitung am selben Tag von FERI THIERRY, Sprecher der VP-Plattform für offene Politik und Initiator einer schwulen Lobbygruppe („Stark.Schwarz.Schwul“) in der ÖVP (vgl. LN 3/2001, S. 25 f).

Ja, die FPÖ war richtiggehend in Panik geraten und sah wohl durch die Aufnahme von Koalitionsgesprächen zwischen ÖVP und Grünen schon alle ihre Felle davonschwimmen. Und so keiften die Freiheitlichen wie die Rohrspatzen. Besonders Karl Schweitzer, damals Klubobmann, inzwischen Generalsekretär der FPÖ, ereiferte sich wegen der Homosexuellenehe mindestens zweimal in Presseaussendungen (6. und 7. Februar). Man dürfe gespannt sein, wie sich die Grünen in den nächsten Wochen sukzessive von ihren im Wahlkampf erhobenen Forderungen verabschieden würden, höhnte er, wobei er sich dabei ausdrücklich um die Homo-Ehe Sorgen machte. Der Kärntner FPÖ-Landtagsklub rieb sich ebenfalls an diesem Aspekt (Aussendung vom 12. 2.).

 

Gescheitert

Am 16. Februar war dann der ganze Zauber vorbei, die Grünen zogen die Notbremse. Die ÖVP habe sich auch in schwul/lesbischen Fragen zu wenig bewegt, hieß es in einer Aussendung von Grüne andersrum am 18. 2.:

„Der Dissens in lesbischwulen Angelegenheiten war einfach zu groß“, erläutert Ulrike Lunacek (…) einen der Gründe, warum die Grünen die Verhandlungen mit der ÖVP in den Morgenstunden des Sonntags abgebrochen haben.

„Unserem gesamten Verhandlungsteam ging es neben den ökologischen und sozialen Anliegen auch um ein ,gesellschaftspolitisches Durchlüften‘ Österreichs. Dazu war die ÖVP jedoch nicht in dem Ausmaß bereit, das für uns Grüne ein Ja zum Gesamtergebnis möglich gemacht hätte“, betont Lunacek, die in der Untergruppe Justiz gemeinsam mit Justizsprecherin Terezija Stoisits die Gleichstellungsforderungen für Lesben, Schwule und Transgenders mitverhandelte. Mit dem dezidierten Nein der ÖVP zu eingetragenen Partnerschaften sei einfach kein Konsens zu erzielen gewesen.

Die HOSI Wien wollte das aber doch genauer wissen und zu einem Zeitpunkt in Erfahrung bringen, da die Erinnerung der beteiligten Personen noch frisch war, um späteren Legendenbildungen vorzubeugen. Wir schrieben also am 18. 2. an Grünen-Chef Alexander van der Bellen und wollten wissen, ob zum „Zeitpunkt des Abbruchs der Verhandlungen bereits irgendwelche schwul/lesbischen Anliegen paktiert worden waren bzw. ob die Grünen zu diesem Zeitpunkt bereits in allen einschlägigen Punkten gegenüber der ÖVP nachgegeben haben“. Der Abbruch der Verhandlungen erfolgte ja relativ spät, und nicht zuletzt  aus den Medienberichten mußten wir ja schließen, daß diese Fragen zu diesem Zeitpunkt bereits erörtert und wahrscheinlich schon entschieden waren.

Van der Bellen war etwas beleidigt, daß wir den Grünen zutrauen würden, in dieser Frage nachgegeben zu haben, und verwies auf ein Interview mit Lunacek, das auf gayboy.at am 26. Februar gepostet worden war und in dem sie berichtet habe, daß die Grünen einige Punkte gegenüber der ÖVP durchsetzen hätten können, „zu denen die ÖVP bisher bei Anträgen im Nationalrat immer ihre Zustimmung verweigert hatte“. Bei diesen Punkten handelte es sich im wesentlichen um die Anerkennung der wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgten NS-Opfer (die nach dem Bericht der Historikerkommission ohnehin kommen muß – siehe Beitrag auf S. 8), um Dinge, die mit Vollmacht auch heute schon geregelt werden können (Besuchs-, Auskunfts- und Verfügungsrecht im Spital) und das Entschlagungsrecht in der Zivilprozeßordnung für gleichgeschlechtliche LebensgefährtInnen (in der Strafprozeßordnung existiert es ja bereits – vgl. LN 4/1998, S. 9). Man kann wohl die Sache so einschätzen, daß die Grünen erleichtert sein konnten, daß die Gespräche an mehreren Knackpunkten gescheitert und sie daher erst gar nicht in Verlegenheit gekommen sind, lesbisch/schwule Anliegen auf dem Altar der Regierungsbeteiligung zu opfern.

 

Eingekrampfte Volkspartei

Auch nach dem Scheitern der Verhandlungen wurden von den mehrheitlich von der Vorstellung einer schwarzgrünen Regierung euphorisierten Innenpolitik-JournalistInnen schwul/lesbische Anliegen als Stolpersteine angeführt (z. B. von einem enttäuschten Armin Thurnher im Falter vom 19. 9.). „Der Traum von der neuen, schönen Welt ist geplatzt“, bedauerte Erwin Zankel in der Kleinen Zeitung am 23. 2. Manchmal wundert man sich ja wirklich über die österreichischen JournalistInnen: Wie konnten die nur auch eine Sekunde daran glauben, daß Schwarz-Grün möglich gewesen wäre – ohne totale Selbstaufgabe der Grünen?

Eines haben diese Regierungsverhandlungen jedenfalls mehr als deutlich gezeigt: Die ÖVP ist genauso fundamentalistisch und fanatisch blockiert, wie wir sie immer schon eingeschätzt haben. Sie bewegt sich keinen Millimeter! Da regiert sie lieber mit der FPÖ weiter, als Lesben und Schwulen ein bißchen mehr Gleichberechtigung und Menschenrechte einzuräumen. Aber wir haben das ohnehin immer schon gewußt. Wenn all die Schwulen und Lesben, die ÖVP wählen und auf deren Besserung hoffen, spätestens jetzt nicht einsehen, daß es hoffnungslos ist, kann man ihnen auch nicht mehr helfen.

Solange Leute wie Schüssel, Khol und Bartenstein das Sagen in der Partei haben, wird sich an der Haltung der ÖVP nichts ändern. Diesen Leuten sind weder Argumente noch die Realität im Ausland zugänglich. Ihr Haltung muß höchst persönliche Ursachen haben, über die man nur spekulieren kann. Es ist jedenfalls nicht normal, wenn sich diese Leute sofort total einkrampfen, die Arschbacken zusammenpressen und in totaler Abwehr erstarren, sobald sie das Wort Homosexualität hören. Da helfen wahrscheinlich höchstens noch PsychologInnen oder PsychotherapeutInnen. Wir werden aber wohl warten müssen, bis diese Personen entweder in Pension sind oder Österreichs Bevölkerung sich endlich eine andere Mehrheit ins Parlament wählt.

Als nach dem Ende der Gespräche zwischen ÖVP und Grünen eine neuerliche Gesprächsaufnahme zwischen ÖVP und SPÖ in den Bereich des Möglichen rückte, schrieb die HOSI Wien am 18. 2. sicherheitshalber an SP-Vorsitzenden Alfred Gusenbauer, um ihn ebenfalls für den Fall neuerlicher Gespräche an das Wahlprogramm der SPÖ zu erinnern. Zu neuerlichen Gesprächen zwischen Schwarz und Rot sollte es aber bekanntlich nicht mehr kommen. Und das war gut so.