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Zwei Jahre Widerstand

Veröffentlicht am 12. April 2002
Am 2. Februar 2002 gab es aus Anlass des 2. Jahrestags der Angelobung der blau-schwarzen Regierung wieder eine Großdemonstration in Wien. Die HOSI Wien gesellte sich diesmal zu den Organisationen, die zur Kundgebung aufriefen, denn ÖVP und FPÖ haben – und das nicht erst, seit sie gemeinsam regieren – massiv die Menschenrechte von Homosexuellen verletzt. Auf der Abschlusskundgebung hielt ich eine Rede, die in diesem Beitrag in den LN 2/2002 abgedruckt wurde.

AktivistInnen der HOSI Wien marschierten auch am 2. 2. 2002 bei der Antiregierungsdemo mit.

Am 2. Februar 2002 gab es aus Anlaß des 2. Jahrestags der Angelobung der blau-schwarzen Regierung wieder eine Großdemonstration in Wien. Die HOSI Wien gesellte sich diesmal zu den Organisationen, die zur Kundgebung aufriefen, was wir in einer Medienaussendung am 21. Jänner 2002 u. a. wie folgt begründeten: ÖVP und FPÖ verletzen – und das nicht erst, seit sie gemeinsam regieren – massiv die Menschenrechte von Homosexuellen. Österreich ist heute in Sachen strafrechtlicher Diskriminierung Homosexueller absolutes Schlußlicht nicht nur in der EU, sondern unter sämtlichen 45 europäischen Staaten. Außerdem: Die von dieser Regierung betriebene Familien- und Mutterschaftspolitik untergräbt das Selbstbestimmungsrecht der Frau. Der von ihr zur Schau gestellte Integrationsbegriff bedeutet nichts außer Schikane und Assimilationszwang für sogenannte „Fremde“. HOSI-Wien-Generalsekretär Kurt Krickler hielt schließlich auf der Abschlußveranstaltung auf dem Ballhausplatz folgende Rede:

 

Zwei Jahre blau-schwarz sind genug

Als vor zwei Jahren die blau-schwarze Regierung gebildet wurde, haben die Homosexuelle Initiative Wien und auch viele nicht organisierte Lesben und Schwule keine Sekunde gezögert, sich dem Widerstand gegen diese Regierung anzuschließen. Und ich erinnere mich mit Stolz, daß drüben am Zaun des Volksgartens am abgesperrten Ballhausplatz zwei Regenbogenfahnen geschwenkt wurden, während Susi und Strolchi samt Anhang sich unterirdisch zu ihrer Angelobung schleichen mußten.

Regenbogenfahnen haben anfangs auch viele Donnerstagsdemos begleitet, aber leider sind sie seit einiger Zeit verschwunden. Wir alle wissen, wie schwierig es ist, ein derartig intensives Engagement über so lange Zeit durchzuhalten. Umso größer ist daher meine Bewunderung und Hochachtung für alle jene, die konsequent donnerstags zur Demo kommen und nicht müde werden. Ich finde, sie haben unseren ganz besonderen Dank verdient. Solange es die Donnerstagsdemos gibt, ist Österreich nicht verloren!

Für die HOSI Wien war die Entscheidung, gegen diese Regierung offen aufzutreten, nicht abzuwarten und sich mit ihr nicht zu arrangieren, völlig logisch. Uns war sonnenklar, daß Lesben und Schwule von ÖVP und FPÖ nichts Positives zu erwarten haben. Und wir wurden in diesen zwei Jahren auch nicht enttäuscht! Wobei gesagt werden muß, daß die ÖVP in Sachen Unterdrückung von Lesben und Schwulen noch viel schlimmer ist als die FPÖ. Als wir die ÖVP zu Zeiten der Großen Koalition hart kritisiert und angegriffen haben, weil sie schon damals jeden Fortschritt und jede Reform verhindert hat, haben das viele nicht verstanden und als übertrieben abgetan. Vor zwei Jahren nun hat die ÖVP ihr wahres Gesicht gezeigt, und vielen ist klar geworden, was Lesben und Schwule in diesem Land schon viel früher leidvoll erfahren mußten: Die ÖVP ist um nichts besser als die FPÖ: Die ÖVP ist undemokratisch, minderheitenfeindlich, sie tritt die Menschenrechte mit Füßen und war offenkundig auch bereit, ihrer Machtgeilheit nicht nur ihre Grundsätze zu opfern, sondern auch ihre letzten humanistischen Züge, die sie bei all ihrer engstirnigen Ideologie noch gehabt haben mag.

Jedenfalls ist Österreich heute dank ÖVP und FPÖ in Sachen strafrechtlicher Diskriminierung Homosexueller absolutes Schlußlicht in Europa, und nicht nur in der EU, sondern unter allen 45 europäischen Staaten. Wir befinden uns da in einer Liga mit Moldawien, Albanien und Serbien. Die ÖVP ist daher in Wahrheit auch keine Europa-Partei, zumindest nicht in dem Sinne, wie sich die Mehrheit der Europäerinnen und Europäer dieses Europa vorstellt, nämlich als moderne, offene Gesellschaft ohne ideologische Unterdrückung Andersdenkender, Anders- oder Nichtgläubiger, Anderslebender und Andersliebender. Europa wird nie katholisch-fundamentalistisch werden, wie die ÖVP und der Vatikan dies wohl gerne hätten.

Ein weiterer bezeichnender Punkt für das wahre Wesen der ÖVP ist, daß sie und die FPÖ es bis heute abgelehnt haben, Menschen, die wegen ihrer sexuellen Orientierung unter dem Nationalsozialismus verfolgt wurden, Entschädigung nach dem Opferfürsorgegesetz zuzuerkennen. ÖVP und FPÖ müssen sich daher den Vorwurf gefallen lassen, daß sie damit die Vernichtung von Schwulen und Lesben durch die Nazis im nachhinein gutheißen.

Aber selbst, wenn Blau-Schwarz uns Lesben und Schwulen das Paradies auf Erden schaffen würden – und da kann Jörg Haider selber noch so schwul sein! – wir würden uns davon nicht einlullen lassen und dazu schweigen, wenn andere Minderheiten von diesen Parteien diskriminiert werden. Die blau-schwarze Rhetorik und Politik richten sich gegen alle Minderheiten – und gegen Frauen. Und hier sind wir absolut solidarisch – Sexismus, Rassismus, Antisemitismus, Xenophobie und Homophobie sind Geschwister, die derselben Ideologie und Geisteshaltung entspringen. Wir müssen sie daher auch alle gemeinsam bekämpfen – mitunter auch bei uns selbst!

Jeder weitere Tag, den Blau-Schwarz regiert, ist ein verlorener Tag für Lesben und Schwule – und für viele andere in diesem Land. Je früher dieser Spuk wieder vorbei ist, desto besser für uns alle. Erst wenn die seit fast 20 Jahren bestehende ÖVP-FPÖ-Mehrheit im Parlament gebrochen ist, kann dieses dunkle Kapitel der Unterdrückung beendet werden und auch für Österreichs Lesben und Schwule endlich das Zeitalter der Menschenrechte und Gleichstellung anbrechen.

Zwei Jahre Blau-Schwarz sind genug! Und ebenso 16 Jahre ÖVP-Mitregierung! Weg mit diesem blau-schwarzen Spuk!