Seite wählen
  1. LAMBDA-Nachrichten
  2. Kurts Kommentar LN 2/1999

Wahlen zum Europa-Parlament: Wen wählen?

Erschienen am 13. April 1999

Heuer ist Superwahljahr. Die Direktwahl zum Europäischen Parlament und die Nationalratswahlen stehen noch an. Die HOSI Wien hat sich entschlossen, für diese Wahlen die Parteien und ihre KandidatInnen – im Gegensatz zu früheren Wahlen – nicht mehr extra zu befragen. Das ist auch nicht nötig, denn es ist ja inzwischen hinlänglich bekannt, wie sich die einzelnen Parteien theoretisch und praktisch zu lesbisch/schwulen Anliegen verhalten.

Seit Jahren, ja mittlerweile Jahrzehnten, predige ich, daß jede lesbische und schwule Stimme für die ÖVP oder FPÖ eine Stimme für unsere eigene Unterdrückung ist, gegen unsere vitalen Interessen an Emanzipation und Befreiung. Schwul/lesbische Selbstachtung bedeutet, diese Parteien nicht zu wählen.

Für selbstbewußte, nicht masochistisch veranlagte (ich meine, außerhalb des Sex!) Lesben und Schwule kommen daher wohl nur die Ampelparteien SPÖ, Grüne und Liberales Forum sowie – à la rigueur – die KPÖ in Frage. Aber auch da muß man näher hinschauen und differenzieren.

Die SPÖ hat mich in den letzten Jahren nicht überzeugt, daß sie es wirklich ernst meint und daß ihr schwul/lesbische Anliegen wirklich ein Anliegen sind. Auf Europa-Ebene vermittelt die sozialdemokratische Fraktion (SPE) ein ähnliches Bild. Man erinnere sich nur, daß die Dringlichkeitsresolution für die Gleichberechtigung von Lesben und Schwulen in der EU im Juli 1998 an der Ablehnung der SPE scheiterte (vgl. LN 4/98, S. 17 ff). Auch im Februar 1999 hat die SPE durch ihr Zaudern und ihre Vorsicht pro-homosexuelle Abänderungsanträge in zwei vom EP verabschiedeten Berichten verhindert (vgl. Bericht auf S. 53). Für mich ist daher die SPÖ bei den Europawahlen nicht wählbar. Und außerdem sind – zumindest in den anderen Ländern – Europawahlen ein Urnengang, bei dem man nicht unbedingt Regierungs-, sondern Oppositionsparteien stärkt. Nur die ÖsterreicherInnen haben das letztesmal noch nicht kapiert und ausgerechnet die ÖVP zur stärksten Partei bei den EP-Wahlen gemacht!

Historisches Verdienst Frischenschlagers

Wäre Friedhelm Frischenschlager vom LiF weiterhin Spitzenkandidat und damit an wählbarer Stelle, würde ich ihm und damit dem LiF meine Stimme geben. Frischenschlager hat im September 1998 die „Entschließung zur Gleichstellung von Homosexuellen und Lesben in der Europäischen Union“, die im Juli 1998 gescheitert war, nochmals eingebracht (vgl. LN 4/98, S. 21 ff) – die Resolution wurde bekanntlich dann doch noch mit den Stimmen der SPE angenommen. Frischenschlagers Name steht damit für die zweite Entschließung in der Geschichte des Europäischen Parlaments – und der einzigen in der laufenden Legislaturperiode des EP –, die sich ausschließlich mit dem Thema Lesben und Schwule, ihrer Diskriminierung und ihrer Gleichberechtigung befaßt. Und das ist ein historisches Verdienst, das von schwuler und lesbischer Seite durchaus Dankbarkeit und Wählerstimme verdienen würde. Nun hat das LiF mit Johannes Strohmayer allerdings einen Spitzenkandidaten aufgestellt, der seinen Schwerpunkt erklärtermaßen auf Fragen der Wirtschafts- und nicht der Menschenrechtspolitik legen will. Überdies kommt hinzu, daß die liberale Fraktion im EP zwar die drittstärkste ist, ihr aber auch relativ konservative Parteien angehören. Wie problematisch die europäischen Liberalen agieren, zeigt sich ja auch in der Affäre Walter Schwimmer (vgl. S. 10).

Diesmal grün

Am engagiertesten und konsequentesten für schwul/lesbische Belange eingesetzt haben sich in der zu Ende gehenden Legislaturperiode des EP die Konföderale Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke (KVEL/NGL) und die Fraktion Die Grünen. Leider gibt es in Österreich keine Partei, die eine linke sozialistische Alternative zur SPÖ darstellte und prädestiniert wäre für die KVEL/NGL. Die KPÖ wird wohl kein Mandat schaffen, deshalb ist jede Stimme für sie eine verlorene – das ist für mich auch der einzige Grund, sie nicht zu wählen. Denn die KVEL/NGL zu stärken, wäre sicher vernünftig. Also bleiben für mich eigentlich nur die Grünen übrig. Für sie spricht eigentlich wirklich alles. Erster und für mich wichtigster Punkt bei allen Wahlen: tadelloses Engagement für schwul/lesbische Belange, außerdem keine Programmpunkte, die mich wirklich stören würden, kritische Europapolitik (ich schätze Johannes Voggenhubers wunderbare Analysen des Demokratiedefizits in der EU und der schleichenden Entdemokratisierung Europas sehr!). Einziger Wermutstropfen: ULRIKE LUNACEK, offene Lesbe bei den Grünen, schaffte es nicht auf den zweiten Listenplatz. Die grünen Delegierten zogen ihr Mercedes Echerer vor, die ich sicherlich auch sehr mag, nicht zuletzt, weil sie meinen Freund Peter und mich seinerzeit bei der Aktion Standesamt im Wiener Rathaus im November 1994 getraut hat. Aber irgendwie habe ich immer Bauchweh, wenn Quereinsteiger Politiker werden. Politik ist nämlich sicherlich auch ein Handwerk, das man lernen sollte und wofür man einschlägige Vorkenntnisse und Erfahrungen mitbringen sollte.

Mir wird die Wahl am 13. Juni jedenfalls nicht schwerfallen. Ich werde grün wählen. Und ich appelliere wieder an alle Lesben und Schwule, selbstbewußt für ihre Emanzipation zu stimmen, keine Parteien zu wählen, die die Rechte von Lesben und Schwulen mit Füßen treten!

Kurts Kommentar LN 2/1999