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Österreichs EU-Ratsvorsitz: E(U)QUALITY NOW!

Veröffentlicht am 15. Juli 1998
Am 1. Juli 1998 übernahm Österreich erstmals seit seinem EU-Beitritt für ein halbes Jahr den Vorsitz im Rat der Europäischen Union. Die österreichische Lesben- und Schwulenbewegung nahm dies zum Anlass, auf die wenig europareife Menschenrechtssituation für Lesben und Schwule in diesem Land hinzuweisen, wie ich in den LN 3/1998 berichtete. Sechs Monate lang wurden Aktionen und regelmäßig Kundgebungen durchgeführt.

EU-Fest am 1. Juli 1998 am Wiener Heldenplatz: Auch die HOSI Wien ist vor Ort und hält der Politprominenz ihr Transparent vor die Nase.

Große Pressekonferenz am 3. Juli im Palais Liechtenstein zur Regenbogenparade, hier mit LiF-Klubobfrau Heide Schmidt, SPÖ-Nationalratsabgeordneter Doris Bures und ULRIKE LUNACEK von den Grünen andersrum.

Das neue „E(u)quality Now!"-Transparent wird von der HOSI Wien auch bei der Regenbogenparade am 4. Juli 1998 mitgetragen.

PETER STEPANEK und FRIEDL NUSSBAUMER tragen die Eurobarometer-Tafeln der HOSI Wien mit. Österreich schnitt damals gegenüber den Niederlanden natürlich ziemlich schlecht ab.

Wie bereits im Jänner 1998 anläßlich unseres offenen Briefes an Justizminister Nikolaus Michalek (vgl. auch Bericht in diesem Heft auf Seite 14) angekündigt, wird die HOSI Wien den Umstand, daß Österreich im zweiten Halbjahr 1998 den Vorsitz im Rat der Europäischen Union übernimmt, dazu nützen, auf die nicht dem europäischen Standard entsprechende Menschenrechtssituation von Lesben und Schwulen in Österreich aufmerksam zu machen. Die Anwesenheit tausender ausländischer JournalistInnen anläßlich der Übernahme der Präsidentschaft Anfang Juli und des EU-Gipfels in Wien im Dezember woll(t)en wir uns nicht entgehen lassen. Diese Idee hatten natürlich auch andere Gruppen bzw. griffen sie auf. Und so entstand eine breite Arbeitsgruppe bzw. Plattform, um Aktionen in diesem Zusammenhang zu ersinnen, zu planen und unter dem gemeinsamen Motto „E(U)QUALITY NOW!“ umzusetzen. Zu diesem Zweck fanden von April bis Juni fünf Workshops und Arbeitstreffen statt, an denen AktivistInnen von Wiener und Bundesländer-Gruppen, darunter natürlich auch der HOSI Wien, gemeinsam Aktivitäten geplant und erarbeitet haben.

Unter anderem trat „die Bewegung“ am EU-Fest am 1. Juli am Wiener Heldenplatz mit Transparenten, Flugblättern und heliumgefüllten Ballons in Erscheinung, um auf die Diskriminierung von Lesben und Schwulen in Österreich hinzuweisen.

HOSI-Wien-Aktivisten hatten sich mit dem Transparent direkt vor der Ehrentribüne plaziert – alle anwesenden PolitikerInnen und auch die Mitglieder der Europäischen Kommission mußten unsere Forderungen lesen. ALFONS HAIDER, der die Veranstaltung moderierte, bewies große Zivilcourage, als er gleich nach [Bundespräsident Thomas] Klestils Eröffnungsrede vor laufenden Kameras auf unser Transparent hinwies und die Aufschrift vorlas: „E(u)quality Now! Lesbisch/schwule Menschenrechte auch in Österreich“. Aus dem Publikum war deutlich Beifall zu vernehmen. Die in der ersten Reihe sitzende Grün-Abgeordnete Theresia Haidlmayr [1955–2022] hatte sich einen E(u)quality-Ballon besorgt und an ihrem Rollstuhl festgebunden, wo er vor der Nase von Khol, Schüssel & Co im Wind herumtanzte.

 

Europa-Abgeordnete auf der Parade

Der Autor dieser Zeilen nützte seine Kontakte zur Intergruppe für die Gleichstellung von Schwulen und Lesben des Europäischen Parlaments, um deren Präsidentin und drei VizepräsidentInnen sowie andere in der Intergruppe engagierte EP-Abgeordnete zur Teilnahme an der Regenbogenparade am 4. Juli in Wien einzuladen. Die PräsidentInnen sagten leider alle ab, aber die schwedische Grün-Abgeordnete MaLou Lindholm nahm die Einladung an. Am 3. Juli trat Lindholm in einer gemeinsamen Pressekonferenz von CSD-Verein, Plattform gegen § 209, die die Idee hatte, Euro-ParlamentarierInnen zur Regenbogenparade einzuladen, und HOSI Wien auf. Lindholm wurde übrigens durch ihren Bericht und ihre Arbeit hinsichtlich der Gleichstellung von schwul/lesbischen MitarbeiterInnen der EU-Institutionen bekannt. Ihr Bericht, der vom EP verabschiedet wurde, enthielt Empfehlungen an die EU-Institutionen als Arbeitgeber, unverheiratete, und zwar sowohl hetero- als auch homosexuelle, Paare im Statut der BeamtInnen und anderen Bediensteten der EU mit verheirateten Paaren gleichzustellen (vgl. ausführlichen Bericht in den LN 2/1997, S. 34 ff, sowie Bericht auf Seite 43 in diesem Heft).

Über diese gemeinsame Pressekonferenz von MaLou Lindholm und österreichischen PolitikerInnen sowie ihre Teilnahme an der Parade und über ihren Auftritt auf der Abschlußkundgebung berichten wir in unserem Beitrag über die Regenbogenparade ab Seite 8. Ebenfalls dort berichten wir über die Aktivitäten der HOSI Wien im Rahmen der Parade. Wir stellten ja unseren Block ebenfalls unter das EU-Motto. Anhand von graphischen Barometer-Darstellungen wurden an die 15 EU-Staaten Schulnoten für ihre rechtliche und soziale Behandlung von Lesben und Schwulen verteilt. Nicht überraschend, daß Österreich hier Schlußlicht mit der roten Laterne war.

Weiters hat die HOSI Wien am 30. Juni, dem Tag vor der Vorsitzübernahme, eine Presseaussendung ausgeschickt, in der einmal mehr auf die unbefriedigende Menschenrechtssituation für Lesben und Schwule in Österreich hingewiesen wurde und die österreichische Regierung und der Nationalrat aufgefordert wurden, endlich § 209 StGB zu streichen und gesetzliche Maßnahmen gegen die Diskriminierung von Lesben und Schwulen zu ergreifen (siehe auch Bericht über § 209 StGB ab Seite 14).

Weitere geplante Aktionen im Rahmen des österreichischen EU-Vorsitzes sind Kundgebungen bei möglichst vielen Ratssitzungen der einzelnen FachministerInnen, die über alle Bundesländer verstreut im zweiten Halbjahr 1998 stattfinden werden. Die RosaLila PantherInnen in Graz haben schon angekündigt, die Tagung der EU-GesundheitsministerInnen in Bad Tatzmannsdorf am 24. Juli heimzusuchen. Diese Tagung fällt ja zeitlich mit dem International Queer Youth Meeting zusammen, das die PantherInnen vom 18. bis 26. Juli im Rahmen der steirischen Landesausstellung „YOUgend 68–98“ in Bad Radkersburg veranstalten werden (vgl. LN 2/1998, S. 39). Und da drängt sich ja eine Sternfahrt aller in- und ausländischen Gäste in den nahegelegenen burgenländischen Kurort geradezu auf.

Außerdem ist geplant, ab 11. Juli jeden Samstag von 12 bis 13 Uhr am Michaelerplatz in Wien eine E(U)QUALITY NOW!-Mahnwache abzuhalten. Für diese Aktion werden dringend AktivistInnen gesucht. Es sind immerhin 21 Termine bis zum EU-Gipfel im Dezember zu betreuen, außerdem ist geplant, den jeweiligen Slogan der Woche in alle EU-Amtssprachen zu übersetzen und auf Tafeln zur Schau zu stellen. Daher sollten mindestens zwölf Personen pro Mahnwache anwesend sein. Die Federführung dieser Aktion wird die Weiberlobby des ÖLSF übernehmen. Interessierte melden sich daher am besten bei den ÖLSF-Frauen!

Die Tagungen der FachministerInnen, speziell jene der Justiz- und InnenministerInnen am 29. und 30. Oktober in Wien oder das informelle Außenministertreffen im Dezember vor dem Gipfel, und speziell auch der geplante Menschenrechtsfestakt zum 50. Jahrestag der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, den Außenminister Schüssel am 10. Dezember plant, werden wohl durch intensive Medienarbeit von der HOSI Wien und anderen Lesben- und Schwulengruppen begleitet werden.

 

Nachträgliche Anmerkungen:

Vgl. auch Presseaussendung der HOSI Wien vom 28. Oktober 1998.

Über weitere „E(u)quality Now!“-Aktionen berichteten die LN in ihren Ausgaben 4/1998, S. 42, und 1/1999, S. 25 ff.