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Jugend für Sozialismus?

Veröffentlicht am 22. Juni 1981
In den Anfangszeiten der HOSI Wien regierte die SPÖ unter Bruno Kreisky noch mit absoluter Mehrheit, die dann bei der Nationalratswahl im April 1983 verlorenging. Diese rund zwei Jahre waren aber zu kurz für den neuen Verein, um rechtliche Fortschritte durchzusetzen. Und natürlich bestanden damals auch in der SPÖ große Berührungsängste, wie die Ereignisse rund um den IUSY-Kongress 1981 zeigten. Ich berichtete in den LN 2/1981. Es treten auf: Andreas Rudas und Josef Cap, damals SJÖ.

Vom 5. bis 9. Juni 1981 fand in Wien ein internationales Jungsozialistentreffen statt. Vor diesem Festival Jugend für Sozialismus, zu dem rund 15.000 Teilnehmer aus aller Welt nach Wien kamen, hielt die International Union of Socialist Youth (IUSY), die Sozialistische Jugendinternationale, vom 3. bis 5. Juni ihren 14. Kongreß ab.

Diesem Treffen überreichten die HOSI Wien und die HOSI Salzburg eine von zwanzig IGA-Mitgliedsorganisationen unterstützte Resolution. Um zu verhindern, daß solche Resolutionen in einem Papierkorb abgelegt werden, muß man flankierende Maßnahmen setzten.

So baten wir IGA-Gruppen in aller Welt, die IUSY-Delegationen ihrer Länder schon im voraus über die HOSI-Resolution zu informieren und sie aufzufordern, dafür zu sorgen, daß der Antrag über die Rechte der Homosexuellen auf dem IUSY-Treffen in Wien auch diskutiert und angenommen wird. Wie wichtig das war, zeigte sich später. Denn Funktionäre der Sozialistischen Jugend Österreichs (SJÖ) wollten eine Debatte über die den Lesben und Schwulen verwehrten Menschenrechte verhindern. Kurt, der Auslandssekretär, berichtet:

Am 27. Mai telefonierte ich mit Andreas Rudas, einem hohen SJÖ-Funktionär, und kündigte ihm an, daß wir eine Art Resolution vorbereitet haben und über die SJÖ beim 14. IUSY-Kongreß einbringen wollten. (Nur IUSY-Mitgliedsorganisationen können Anträge auf die Tagesordnung setzen.) Rudas versicherte mir, dies zu tun und auch den Antrag zu unterstützen. Der Text sollte nur bis zum darauffolgenden Dienstag eingelangt sein, weil da eine Vorbesprechung über den Konferenzverlauf vorgesehen sei.

Ich schickte also den Text auf Englisch und Deutsch am 29. Mai an die SJÖ und in einem zweiten Kuvert an den IUSY-Vorsitzeden Hilary Barnard aus Schottland, jeweils mit einem Begleitbrief versehen – und eingeschrieben, versteht sich.

Als drei HOSI-Wien-Aktivisten am ersten Kongreßtag unser zweisprachiges Flugblatt, das wir extra vorbereitet hatten und das über die Unterdrückung der Homosexuellen in Österreich informierte, verteilen wollten, wurden sie vom IUSY-Generalsekretär Jukka Oas [1952–1999] aus Finnland verjagt. Um keine negative Haltung zur Homosexuellenresolution zu provozieren, zogen es die drei vor, nach einer kurzen Auseinandersetzung mit Oas zu verschwinden und vor dem Tor des Konferenzortes (die ehemalige Remise in Meidling) weiterzuverteilen. Wir gaben einem Delegierten der niederländischen Jonge Socialisten (JS) einen Stoß Flugblätter, der sie im Konferenzsaal weiterverteilte.

Während unserer Diskussion mit Oas konnten wir auch kurz mit Barnard sprechen. Ich fragte ihn, ob er unseren Brief bekommen hat. Er hatte nicht. Woraufhin ich sofort Rudas fragte, war er mit dem Brief an Barnard gemacht habe. Rudas sagte, er habe ihn Barnard gegeben, aber leider könne der kein Deutsch. Mehrfache Lüge: Barnard hat auch keinen deutschen Brief bekommen, außerdem war der Text der Resolution auch in Englisch und drittens spricht Barnard fließend Deutsch.

Danach kamen wir mit einem anderen SJÖ-Funktionär in Gespräch, mit Josef Cap, der erklärte, es sei überhaupt kein Antrag zu Schwulenrechten auf der Tagesordnung. Die SJÖ hatte also trotz vorheriger Zusage diesen Antrag nicht eingebracht, wobei sich Cap auf irgendwelche Mechanismen ausredete, die befolgt werden müßten, um einen Antrag einzubringen. Auch das stimmte keineswegs: Während der Konferenz wurden am laufenden Band im Hinterzimmer auf der Abziehmaschine Ad-hoc-Resolutionen produziert, dem Vorsitz vorgelegt und zur Abstimmung gebracht.

Caps Erklärung hieß aber auch, daß auch der Antrag der niederländischen Jungsozialisten, die für die Homosexuellenorganisation COC einen viel weitreichenderen Antrag einbringen sollten, nicht auf der Tagesordnung stand. Ursache: Bei einer Vorkonferenz der Jungsozialistenorganisationen aus dem deutschsprachigen Raum und den angrenzenden Ländern in Bonn übergaben JS-Niederlande ihren Antrag an Cap, der diesen offensichtlich unterschlug, denn auf der Tagesordnung war er nicht.

Da aufrechte Sozialisten von unserer Vertreibung vom Konferenzort erfuhren und sich darüber empörten, schleusten sie REINHARDT BRANDSTÄTTER, den 2. Obmann, und mich ins Rathaus zum offiziellen Empfang der IUSY-Delegationen ein. Wir sprachen nochmals mit Hilary Barnard und den sehr hilfreichen Leuten von SJ und der schottischen Delegation (NOLS). Die Niederländer erklärten sich bereit, am nächsten Tag (der Kongreß wurde um einen Tag bis Freitag verlängert) einen Antrag zu Schwulenrechten einzubringen. Ich fand noch einen Genossen aus El Salvador, der mir bei der Übersetzung ins Spanische (eine Voraussetzung) behilflich war. In der Nacht tippte ich noch den Antrag, fuhr frühmorgens zum Kopieren und war Punkt 9 Uhr in der Remise. Die Konferenz fing allerdings erst um viertel nach 10 Uhr an.

Da ich mich arg langweilte, blätterte ich einen Stoß alter Zeitungen durch, die bei der Garderobe lagen. Und nun wird es schon krimimäßig: Ich fand – so unglaublich es klingen mag – den Brief der schwedischen Homoorganisation RFSL an die schwedische Delegation (betreffend Schwulenrechte), den die Schweden nie bekommen hatten, wie sie mir am Vorabend erzählten. Ich wußte aber schon von RFSL, daß ein solcher von RFSL geschickt worden war, an die SJÖ in der Neustiftgasse. Der Brief war geöffnet. Ich gab ihn dem Delegationsleiter der Schweden, der mich wohl für ein bißchen irr gehalten hat, als ich ihm erzählte, wo ich den Brief gefunden habe.

Die JS-Leute brachten also unseren Antrag ein. Aus Mangel an Zeit und gutem Willen seitens des Vorsitzes unter Leitung des deutschen Juso Jürgen Zimmer wurde darüber nicht mehr diskutiert, sondern der Antrag ans IUSY-Büro weitergeleitet, ein Schicksal, das er mit anderen Resolutionen teilte.

Wie bei den Festwochen im Vorjahr haben wir gezeigt, daß wir uns von ein paar Polit-Funktionären nicht austricksen lassen. Es gelang ihnen nicht, die Einbringung eines Antrags über Homosexuellendiskriminierung zu vereiteln.

Andererseits darf man einer auf einem IUSY-Kongreß verabschiedeten Resolution keine allzu große Bedeutung beimessen. Ich habe der Konferenz einen Tag beigewohnt: das reine Chaos. Dagegen war die Turiner IGA-Konferenz (vgl. S. 22 ff) ein Ausbund an Diszipliniertheit. Wir hatten auch nicht erwartet, daß eine IUSY-Resolution uns dann das Druckmittel par excellence in die Hand geben würde, um die SPÖ-Regierung zur Abschaffung der vier berüchtigten Paragraphen (209, 210, 220 und 221 StGB) zwingen zu können. Wenn schon die SJÖ einen derart schweren Stand gegenüber der Mutterpartei hat, wie gering muß erst der Einfluß von IUSY-Resolutionen auf die SPÖ sein?

Uns war dies von Anfang an klar, weshalb für mich auch die Handlungsweise der genannten SJÖler – als ob sie im falschen Festival gewesen wären, das der Clown war ein paar Tage vorher zu Ende gegangen – vollkommen rätselhaft ist. Aber Pfingsten ist ja die Zeit der Erleuchtung.

Wir haben jedenfalls erreicht, daß die den Homosexuellen verwehrten Menschenrechte in der jungsozialistischen Bewegung diskutiert werden. Wenn wir am Ball bleiben, auch in Österreich – und vor allem auf Parteibasis-Ebene, in kleinen lokalen Verbänden.

Die HOSI Wien wurde auch offiziell eingeladen, am Festivalprogramm teilzunehmen: Wir bekamen merkwürdigerweise die Erlaubnis, am 7. Juni auf der Jesuitenwiese im Prater bei sogenannten Öko-Fest (Ökologie und Umwelt) einen Infostand aufzubauen. Diese Alibi-Einladung scheint uns die Gerüchte zu bestätigen, die voriges Jahr nach der vorhin erwähnten skandalösen Zwangsschließung der HOSI-Bude bei den Wiener Festwochen in Umlauf waren: Die niederländische sozialistische Jugendorganisation habe der SPÖ angedroht, das IUSY-Festival zu boykottieren, falls die HOSI Wien nicht auch eingeladen würde.

Wir packten also unseren Agitationskoffer (mit Flugblättern, Zeitungen, Ballons, Sprühdosen etc.) am Pfingstsonntag ein und bauten unseren Stand auf der Jesuitenwiese auf. Unsere Theatergruppe hatte ihre Schminktöpfe und vielerlei andere Dinge dabei. Unser riesiger rosa Winkel aus Stoff mit aufgenähtem weißem Lambda war auch kurz in der Zeit im Bild 1 zu sehen.

Am Sonntagnachmittag fand im Rahmen des Festivalprogramms in der Volkshochschule Margareten ein Seminar über Demokratische Rechte statt. Vier HOSI-Wien-Aktivisten sorgten dafür, daß auch die demokratischen Rechte von Homosexuellen angesprochen und die unglaublichen Vorfälle beim IUSY-Kongreß angesprochen wurden. Wir erhielten dabei Unterstützung von HANS VONK, einem Aktivisten von COC (Niederlande), und HARALD SWIK, dem Bundeskoordinator der bundesdeutschen Schwusos (Schwule in der SPD), die sich beide während des IUSY-Festivals in Wien aufhielten.

Leider war niemand von der SJÖ zur Diskussion gekommen, und auch der angesagte Pressesprecher des Justizministers erschien nicht. Weshalb auch keine Gegenrede zu unseren Darstellungen kam, und da kein „Verantwortlicher“ für die Schwulendiskriminierung in Österreich anwesend war, war der Tenor des jungprogressiven Publikums einmütige Zustimmung zu unseren Forderungen, wie die Abschaffung der vier Paragraphen.

 

Nachträgliche Anmerkung:

In den LN wird das jeweilige Erscheinungsdatum erst ab der Ausgabe 1/1982 im Impressum angeführt. Da das von mir für diesen Website verwendete Programm aber die Eingabe eines genauen Datums verlangt, habe ich das Erscheinungsdatum für diese Ausgabe nur „geschätzt“.