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(Ohne spezifischen Titel)

Erschienen am 13. Januar 1987

Erzbischof Hans Hermann Groër

Mobil, Magazin für sozialen Fortschritt, Integration und Patientenrecht, veröffentlichte in seiner November-Ausgabe ein Interview mit dem neuen Wiener Erzbischof Hans Hermann Groër, aus dem wir nebenstehende Passagen übernehmen.

Daß die Kirche mit ihren Drohungen ernst machte, bekam mobil zu spüren, als es sich dem intervenierenden Erzbischöflichen Sekretariat gegenüber weigerte, die betreffenden Textstellen zu streichen: Auf die mobil-Druckerei wurde Druck ausgeübt, und plötzlich wollte die Stadtkasse hochnotpeinlich überprüfen, ob mobil brav seine Anzeigenabgabe entrichtet hat. Natürlich läßt sich nicht beweisen, ob das Zufall war oder ob der Magistrat der Stadt Wien neuerdings verlängerter Arm und Handlanger des Erzbischöflichen Palais ist. Verwunderlich wäre es nicht, denn man hört ja in anderen Zusammenhängen auch immer wieder von terroristischen Mafia-Methoden kirchlicher Kreise.

Wir verstehen natürlich nur zu gut, daß man im Erzbischöflichen Sekretariat – zu Recht – jedesmal Schweißausbrüche kriegt, wenn Groër den Mund in der Öffentlichkeit aufmacht. Mit seiner Ernennung zum Wiener Erzbischof hat der Papst den österreichischen Katholiken ein ziemliches Ei gelegt. Ihn hat offenbar der Teufel geritten, als er diese Entscheidung fällte. Ja, wenn AIDS eine Strafe Gottes ist, sind Wojtyła als Papst und Groër als Wiener Erzbischof möglicherweise eine Strafe Satans, wer weiß?

Wer Groër schon im Fernsehen gesehen hat, weiß ja, wie peinlich seine Auftritte mitunter sind. Darum hat man wohl auch darauf verzichtet, dem Pfarrer aus Maria Rattendorf die Neujahrsansprache im TV halten zu lassen.

Als Atheist kann man sich ja über die neue Personalpolitik des Vatikans nur teuflisch freuen: Gerade durch das Agieren von Wojtyła und Groër durchschauen immer mehr Leute die kirchliche Heuchelei und Scheinheiligkeit. Groër löst bei vielen Leuten allergische Reaktionen und instinktive Ablehnung aus, nicht nur durch seine Grimassen!

Daß also dieser Groër Ungeheuerlichkeiten zum besten gibt wie, er habe „gehört, daß man diese Krankheit auch völlig unschuldig bekommen kann…“, paßt ins Bild. Eigentlich können einem solche Typen nur leid tun! Daß er zur angeblichen Äußerung eines Bischofs, AIDS sei eine Strafe Gottes, „nichts sagen“ kann, spricht fast für ihn. Es stimmt ja – auch ich halte es für unverschämt anmaßend, wollte jeder dahergelaufene Bischof den Willen und das Walten „Gottes“ interpretieren, zumal selbst die katholische Hokuspokus-Doktrin nur dem Papst einen direkten Draht zu „Gott“ zubilligt.

Trotzdem hätte Groër solche Aussagen deutlich und unmißverständlich zurückweisen oder zumindest feststellen müssen, daß eine derartige Auslegung nicht haltbar ist.

Einen ganz wesentlichen Vorteil genießt die Kirche jedoch: Ihre Vertreter können ungestraft – sieht man vom Jüngsten Gericht ab – einzelne Menschen oder ganze Gruppen Frechheiten und Beleidigungen, Drohungen und Diskriminierungen aussetzen, während sich die Kirche selbst jede Kritik an ihr vom Staat strafrechtlich verbieten läßt: § 188 StGB droht jedem, der die Glaubenslehre „herabwürdigt“ oder verspottet, mit Gefängnis. Das verfassungsmäßig garantierte Grundrecht der freien Meinungsäußerung wird staatlicherseits außer Kraft gesetzt – die Kirche braucht sich also selbst gar nicht die Finger schmutzig machen, wenn sie Kritiker mundtot machen will.

Die Kirche kann also gegen Sünder wettern, Homosexuelle verurteilen und abtreibende Frauen „herabwürdigen“. Genössen diese denselben staatlichen Schutz vor den abgefeimten Belästigungen der Kirche, säße wohl der halbe Klerus hinter schwedischen Gardinen. Zwar will eine katalonische Schwulengruppe vor der Menschenrechtskommission in Straßburg Beschwerde gegen den Vatikan wegen dessen jüngsten Papiers zur Homosexualität führen, aber der Vatikan hat wohlweislich die Europäische Menschenrechtskonvention nicht unterschrieben. Die Kirche hat es ja auch nicht nötig, Menschenrechte und Grundfreiheiten zu respektieren.

Die Kirche hat aber noch eine Reihe anderer Privilegien: Sie hat sich massiven Zugang zu wichtigen Institutionen verschafft: Kindergärten, Schulen, Universitäten, Presse, Rundfunk und Fernsehen. Ja, selbst im Presseförderungsbeirat, der über Förderungen u. a. an unsere Zeitschrift befindet, sitzt ein Kirchenvertreter! Die Kirche hat schon Zugriff auf zarteste Kinderseelen, die schon in der Volksschule völlig wehrlos der religiösen Indoktrinierung ausgeliefert sind. Hier gibt es keinen „§ 209“, der die Kinder vor den religiösen Verführern und christlicher Gehirnwäsche schützt!

Und das, obwohl die Kirche durch die Zahl der ihr zum Opfer gefallenen Mord- und Folteropfer (Kreuzzüge, Inquisition, Hexenverfolgung, Zwangsmissionierung Amerikas) eigentlich die größte Verbrecherorganisation aller Zeiten war, gegen die streng genommen Wiederbetätigungsverbote wie für die Nationalsozialisten bestehen müßten.

Alle reden über die fanatischen Ayatollahs im Iran. Die katholische Kirche hat diese Phase eben schon hinter sich, ihre Methoden sind halt „zivilisierter“ und „verfeinerter“ geworden.

Die Kirche hat auch beträchtlichen Einfluß auf die Gesetzgebung, ihr ist es gelungen, ihre moralischen Vorstellungen durch weltliche Gesetzgebung massiv durchzusetzen. Daß Homosexualität auch unter Erwachsenen in Österreich so lange verboten war und es jetzt diese vier Schandparagraphen gibt, haben wir nicht zuletzt der katholischen Kirche zu verdanken. Besonders energisch forderte sie diese anläßlich der Kleinen Strafrechtsreform, weil gerade einer ihrer Bischöfe selbst in einen „Fall“ verwickelt war. Überhaupt ist es ja paradox, daß es keine andere Gruppe gibt, die einen so hohen Homosexuellenanteil aufweist wie der Klerus – außer vielleicht noch die Ballettänzer!

Leidartikel LN 1/1987

 

Das letzte Interview?

»mobil«: »Eine Krankheit, die sich die Ärzte auch nicht erklären können, ist AIDS. Davon sind vor allem Homosexuelle betroffen.«

Kein Heiliger will AIDS-Kranken helfen?

Groër: »Ich hab‘ da ein bißchen was gelesen. Ich hab‘ aber von Ärzten gehört, sie tappen da noch völlig im dunkeln. Den Krebserreger hat man ja auch noch nicht gefunden.«

Ich will aber nicht über Krebs reden, sondern über AIDS. Er hat noch nie einen AIDS-Kranken getroffen, meint Groër, aber er kann sich vorstellen, daß man die Heiligenhilfe auch für solche Fälle in Anspruch nehmen kann.

»Ich habe gehört, daß man diese Krankheit auch völlig unschuldig bekommen kann…« Unschuldig? Was ist dann schuldig?

»mobil«: »Ich habe in einer deutschen Zeitung gelesen, daß ein Bischof gesagt hat, diese Krankheit wäre eine Strafe Gottes, weil also viele andere Homosexuelle davon betroffen sind.«

Groër: »Ich habe nichts von einer derartigen Äußerung eines Bischofs gehört. Ich kann dazu nichts sagen.«

»mobil«: »Welche Stellung hat dann die Kirche zu Homosexuellen?«

Groër schraubt sich um eine Antwort.

Groër: »Das gehört jetzt nicht hierher … das verletzt … verläßt die Angaben dessen, was Sie von mir wünschen.« Wieso gehört Krankheit nicht zur Behinderung? Und warum gehört AIDS nicht zu den Krankheiten? Hätte ich ein Verzeichnis aller Fragen angeben sollen? Es sei eine medizinische Frage, meint Groër, warum solle er als Theologe darauf antworten? Hat Homosexualität nicht etwas mit Moral zu tun? Ist die Kirche nicht auch für Moral zuständig?

Für die Hoffnungslosigkeit?

Groër: »Das ist ein hochtheologisches Thema, da müssen wir mit Fachwissen ausgestattet sein.« Ich verstehe gar nichts mehr… Warum will der Erzbischof denn keine Meinung äußern?

»mobil«: »Haben Sie irgendwelche Befürchtungen, wir machen etwas Negatives für Sie daraus?« Nein, die hat er nicht, aber diese Frage soll unterbleiben.

Das Gespräch wendet sich wieder den »richtigen« Behinderten zu. Wieder neigt Groër den Kopf, spricht mit wohlgesetzten Worten.

Veränderter Erzbischof

Einige Blicke auf die Uhr und Stimmen vor der Tür lassen mich das Gespräch nach einiger Zeit beenden. Ich schalte aus und packe das Mikrophon weg.

Der Erzbischof ist plötzlich verändert. Keine predigende Stimme mehr, keine halbgeschlossenen Augen. Ganz im Gegenteil – wütend funkeln sie mich an. Ich hätte diese AIDS-Fragen nicht stellen dürfen, ich hätte vorher sagen müssen, daß ich solche Themen anschneiden will.

Ich hatte eben gedacht, daß ein Mann in einer solchen Position auch ganz spontan Antworten zu geben imstande ist.

Außerdem hat Groër auch eine Meinung zur Homosexualität. Und was für eine! Es liegt ihm nur nicht daran, diese auch publiziert zu sehen.

Ihm liegt überhaupt nichts an einer Veröffentlichung seiner Aussagen zum Thema AIDS. Und das drückt er auch unmißverständlich aus. Er sagt mir, was mir im Falle eines derartigen Artikels blüht und kündigt mir ein Verfahren à la Susanne Riegler an, und beschwört auch der Zeitschrift »mobil« , für die ich hier schreibe, den Kriegszustand und mein Ende. Keine Interviews mehr – zwischen ihm und mir, oder meint er, ich werde überhaupt nicht mehr schreiben? Was redet der Mann da? Für einen Bischof benutzt er ein reichlich militärisches Vokabular – aber vom glaubensdurchdrungenen Geistlichen ist ohnehin kaum mehr etwas zu erkennen. Ich frage mich, womit er einen solchen Frontalangriff rechtfertigen kann? Ich wollte ein Interview zum Thema Behindertenfragen ohne Hintergedanken und Unterschleif. Und dann solche Drohungen! Ich fühle mich wirklich angegriffen, mir zittern die Hände. Ich darf nicht schreiben, was er gesagt hat – es ist ein Eingriff in journalistische Freiheit.