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ToRussiaWithLoveAustria

Veröffentlicht am 6. Dezember 2013
Die Übergriffe auf Schwule und Lesben in Russland nahmen infolge homophober Gesetzgebung weiter zu – und wurden auch gewalttätiger. Weltweit gab es Proteste und eine breite Mobilisierung gegen die Herrschaft des Pöbels in Russland. In Österreich entstand die Initiative „ToRussiaWithLoveAustria“ (TRWLAT). Erste Demonstrationen wurden organisiert. Die HOSI Wien forderte Konsequenzen für die anstehenden Olympischen Winterspiele in Sotschi, wie ich in den LN 5/2013 berichtete.

In der letzten Ausgabe der LN (S. 27 ff) haben wir ausführlich über die sich ständig verschlechternde Lage von Schwulen und Lesben in Russland berichtet; ebenso über die zunehmenden internationalen Proteste dagegen – auch in Wien (S. 21). Die Initiative „ToRussiaWithLoveAustria“ hat nicht nur einen fulminanten Start hingelegt, sondern sich auch zu einer wichtigen Plattform entwickelt, die auf ihrer Facebook-Seite alle wichtigen Informationen und aktuellen Berichte sammelt. Am 24. Oktober organisierte die Initiative schließlich vor der Wiener Hofburg neuerlich eine eindrucksvolle Demo (siehe Bericht auf Seite 16) gegen die homophoben Entwicklungen in Putins Reich.

Dieses Engagement wird immer wichtiger, denn die Übergriffe gegen Lesben und Schwule in Russland nehmen weiter zu. So überfielen am 3. November zwei bewaffnete Angreifer das Regenbogencafé der St. Petersburger AIDS-Hilfe-Organisation LaSky. Dabei verlor u. a. ein Aktivist durch ein Geschoss aus einem Luftdruckgewehr ein Auge. Am 17. November feuerten zwei Männer auf die Tür der bekanntesten und größten Schwulendisko Moskaus, der Zentralnaja Stanzija (ЦЕНТРАЛЬНАЯ СТАНЦИЯ). Glücklicherweise wurde dabei niemand verletzt. Und am 21. November verzögerte sich die Eröffnungsgala des diesjährigen LSBT-Filmfestivals Side by Side (БОК О БОК) in Sankt Petersburg wegen einer Bombendrohung um zwei Stunden – um nur einige Beispiele für die zunehmende Verfolgung und Aggression aus jüngster Zeit zu nennen.

Die HOSI Wien ist indes auch nicht untätig gewesen und wandte sich an das Österreichische Olympische Comité (ÖOC). Wir zeigten uns äußerst besorgt über die Menschenrechtslage in Russland ganz allgemein und von Lesben und Schwulen im besonderen. Wir forderten, das ÖOC möge eindeutig im Sinne der Olympischen Charta und der Menschenrechtskonventionen Stellung nehmen und Konsequenzen ziehen. Nach einem recht emotionalen E-Mail-Wechsel traf HOSI-Wien-Obmann CHRISTIAN HÖGL gemeinsam mit Life-Ball-Organisator GERY KESZLER schließlich zu einem Gespräch mit Peter Mennel, dem Generalsekretär des ÖOC, zusammen. Es wird sich weisen, ob das ÖOC wirklich bereit und willig ist, deutliche Zeichen gegen die Menschenrechtsverletzungen in Russland zu setzen.

Am 18. November veröffentlichte der Autor dieser Zeilen einen „Kommentar der anderen“ im Standard unter dem Titel „Berlin 1936 – Sotschi 2014: Unübersehbare Parallelen“, in dem auf die in der Tat auffälligen Ähnlichkeiten u. a. zwischen der Situation von Homosexuellen in der ersten Hälfte der 1930er Jahre in Nazi-Deutschland und im heutigen Russland hingewiesen wird.

 

Wirksamste Waffe: kein Visum!

Ein Boykott der Olympiade ist – wie mehrfach betont – kein Thema. Wir müssen uns wohl auch damit abfinden, dass die PolitikerInnen in Europa Wladimir Putin nicht besonders nachdrücklich auf die Zehen steigen möchten – zu groß sind die wirtschaftlichen Interessen, ist Russland doch nicht nur ein wichtiger Gaslieferant, sondern ein genauso wichtiger Exportmarkt.

Doch der Westen hätte eine sehr wirksame Waffe gegen die homophoben PolitikerInnen Russlands: Man bräuchte sie nur auf eine schwarze Liste setzen und ihnen kein Visum mehr für eine Einreise nach Europa erteilen. Vermutlich wäre der homophobe Spuk bald vorbei, wenn all die Duma-Abgeordneten, die homophobe Gesetze einbringen und beschließen oder auf sonstige Art an Menschenrechtsverletzungen beteiligt sind, oder all die Medienleute, die gegen Lesben und Schwule hetzen, nicht mehr nach Italien, Griechenland oder Spanien auf Urlaub oder zum Shopping nach London oder Paris fahren oder in Zypern oder Österreich keine Immobilien mehr kaufen könnten. Solche Sanktionen würden ganz bestimmt Wunder wirken!

Es gibt ein Vorbild, das sich in dieser Hinsicht sehr bewährt hat: der sogenannte Magnitsky Act in den USA. Benannt wurde dieses Gesetz nach Sergej Leonidowitsch Magnitski, einem russischen Anwalt, der Wirtschaftsverbrechen aufgedeckt hatte und in diesem Zusammenhang gegen hohe russische Beamte aussagte. Er wurde dann selber durch falsche Anschuldigungen zum Justizopfer und starb 2009 in einem russischen Gefängnis an den Folgen von Folter.

Auf Wikipedia wird dieses Gesetz wie folgt zusammengefasst: 2010 forderte US-Außenministerin Hillary Clinton Russland auf, die für den Tod verantwortlichen Amtsträger vor Gericht zu bringen. Die EU erließ eine Rechtsvorschrift, dies es Mitgliedsstaaten erlaubt, Gelder von sechzig russischen Personen zu beschlagnahmen, die in das Verbrechen verwickelt sind. Nachdem bereits im Jahre 2011 das US-Außenministerium russischen Amtsträgern die Einreiseerlaubnis in die USA entzogen und ihr Vermögen und ihre Konten in den USA gesperrt hatte, erließ im Dezember 2012 der US-Kongress besagten Magnitsky Act. Mit der Unterzeichnung durch Präsident Obama am 14. Dezember 2012 erhielten die gegen die russischen Beamten verhängten Sanktionen so Gesetzeskraft. Die Liste mit den Namen dieser Beamten wird auch als „Magnitski-Liste“ bezeichnet. Ähnliche Pläne verfolgen Kanada, die Niederlande, Polen sowie Großbritannien.

Russland beantwortete diesen Schritt mit einem Adoptionsverbot für russische Waisenkinder durch amerikanische Adoptiveltern. Die USA veröffentlichten am 12. April 2013 eine Liste von 18 Personen, für die fortan ein US-Einreiseverbot gilt, hierunter stehen 16 Personen in unmittelbarer Verbindung mit dem Fall Magnitski. Im Juli 2013 berichteten britische Medien, das Innenministerium habe 60 russischen Beamten im Zusammenhang mit dem Fall Magnitski die Einreise nach Großbritannien verboten.

Steht zu hoffen, dass nationale und EU-Abgeordnete diese Idee aufgreifen und sich dafür einsetzen werden, dass homophobe PolitikerInnen aus Russland auf eine schwarze Liste gesetzt werden und über sie zumindest ein Einreiseverbot in den Schengenraum verhängt wird!