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Ritter von der traurigen Gestalt

Erschienen am 7. Dezember 2012

Die ÖVP ist in einem katastrophalen Zustand. Darüber kann man sich natürlich freuen, was ich auch tue. Die Ära Schüssel ist nicht zuletzt durch die jüngsten parlamentarischen Untersuchungsausschüsse und das Strafverfahren gegen Ex-Innenminister Ernst Strasser endgültig diskreditiert und geht wohl als finsterste Periode in die österreichische Nachkriegsgeschichte ein.

Auch durfte die übliche Obmanndebatte in der Volkspartei nicht fehlen, doch Parteivorsitzender Michael Spindelegger konnte sie rasch wieder beenden, was wohl auch an den mangelnden Alternativen in der personell ausgedünnten Partei liegt. Jedenfalls hat Spindelegger keinen leichten Stand in der Partei und darf sich’s daher mit keiner Interessengruppe in dieser verscherzen. Das sorgt einerseits für einen schwindelerregenden Schlingerkurs (EU-Politik, Bundesheer, Schulreform usw. usf.), andererseits nutzen erzreaktionäre Kräfte diese Führungsschwäche und das mangelnde klare Profil der Parteispitze dazu aus, diese in Geiselhaft zu nehmen und auch ihre Partikularanliegen durchzusetzen.

Zusätzlich versucht die ÖVP mit allerlei verzweifelten Manövern, von ihren vielen unfassbaren Skandalen abzulenken. Und da wird’s dann mehr als problematisch, denn dabei scheint der ÖVP jedes Mittel recht zu sein. Wiewohl die meisten Medien und KommentatorInnen – und wohl auch zum Großteil die Öffentlichkeit – diese oft ziemlich peinlichen Ablenkungsmanöver durchschauen, gelingt es der ÖVP rätselhafterweise immer noch, sich als staatstragende Partei zu präsentieren. Schuld daran ist aber eine über die Maßen harmoniesüchtige SPÖ. Während die ÖVP zur eigenen Profilierung und zur Ablenkung von Skandalen eine konsequente Politik der Reformblockade verfolgt und die Koalitionspartnerin bei jeder Gelegenheit voll auflaufen lässt, tendiert das koalitionsinterne Durchsetzungsvermögen der SPÖ gegen null, wovon wir Lesben und Schwule ein trauriges Lied singen können.

Messias Stronach?

Apropos traurig: Beide Regierungsparteien und ihre Vorsitzenden geben momentan ein ziemlich trauriges Bild ab (dass eine Figur wie Frank Stronach derartigen Zuspruch haben kann, zeigt allein ja schon, wie desperat viele Leute offenbar schon sind). Vielleicht sollten Spindelegger, der ja eh schon Ritter des päpstlichen Ordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem ist, und Werner Faymann noch einen Orden der Ritter von der traurigen Gestalt gründen…

Einen noch größeren Gefallen würden mir allerdings meine wahlberechtigten Landsleute machen, wenn sie die ÖVP 2013 endlich aus der Regierungsverantwortung rauswählten. Seit 1983 besteht im Nationalrat eine konservative Mehrheit, und seit 1986 sitzt die ÖVP ununterbrochen in der Regierung. Das ist für jede Partei und für jedes Land äußerst ungesund. Eine Demokratie lebt ja nicht zuletzt vom politischen Wechsel; die ÖVP ist ausgelaugt und verbraucht und bremst nur noch jeden Fortschritt. Es ist wirklich höchste Zeit, sie zur Regeneration in die Opposition zu schicken.

PS: Bis zur Ausgabe 3/2009 habe ich über einige Zeit hinweg meine Kolumne stets mit einem Ceterum censeo beendet. Als Konsequenz des vorhin Dargestellten und angesichts des Superwahljahrs 2013 werde ich diese Gepflogenheit – natürlich inhaltlich aktualisiert – wieder aufnehmen:

Im übrigen bin ich der Meinung, dass 29 Jahre rechte Mehrheit im Nationalrat und 26 Jahre ÖVP in der Bundesregierung genug sind.

Que(e)rschuss LN 5/2012