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Island: Orthodoxe Kirche knallt durch

Veröffentlicht am 14. September 2012
Überall auf der Welt witterten die Religionen Anfang der 2010er Jahren wieder Morgenluft. Nicht zuletzt in Russland wurde dies durch die verstärkte Unterstützung des Putin-Regimes durch die russisch-orthodoxe Kirche deutlich. Sie schreckte selbst vor homophoben Aktivitäten im Ausland nicht zurück, wie ich in den LN 4/2012 berichtete.

Bürgermeister Jón Gnarr fuhr 2012 aus Solidarität im Pussy-Riot-Outfit auf der Regenbogenparade in Reykjavík mit.

Den Repräsentanten der russisch-orthodoxen Kirche, die ja daheim in Russland quasi im Putin-Regime mitregiert, scheint offenbar der „Erfolg“ gegen Pussy Riot zu Kopf gestiegen zu sein – nicht zuletzt im Ausland (vgl. Que(e)rschuss auf S. 6). In Island erschien am Tag der Pride-Parade am 11. August in der Tageszeitung Frétta-blaðið ein (anonymes) Inserat, in dem auf Isländisch und Englisch Homosexualität verurteilt wurde – und zwar unter Hinweis auf die Bibel: „Wisst ihr denn nicht, dass Ungerechte das Reich Gottes nicht erben werden? Täuscht euch nicht! Weder Unzüchtige noch Götzendiener, weder Ehebrecher noch Lustknaben, noch Knabenschänder, noch Diebe, noch Habgierige, keine Trinker, keine Lästerer, keine Räuber werden das Reich Gottes erben.“ (1. Korinther 6,9-10)

Fréttablaðið-Herausgeber Ólafur Stephensen war es jedenfalls peinlich, das Inserat veröffentlicht zu haben. Er nannte dann auch sofort den Auftraggeber: Es war die russisch-orthodoxe Kirche in Island. Daraufhin erklärte deren Pfarrer Timur Zolotuskij, er habe auf eigene Initiative gehandelt und nicht im Namen seiner Kirche. Das Inserat habe er deshalb anonym geschaltet, weil er nicht seinen Namen unter „das Wort Gottes“ setzen wollte. Dieser Vorfall zeigt einmal mehr, dass die Kirchen und Religionsgemeinschaften wieder überall in der Welt Morgenluft wittern und die Menschenrechte überall, wo es nur geht und man sie lässt, aushebeln und unterminieren wollen.

Und so muss es wohl eine göttliche Fügung gewesen sein, dass Reykjavíks Bürgermeister Jón Gnarr, der seit seinem Amtsantritt vor zwei Jahren an der Parade in seiner Stadt als Drag-Queen teilnimmt (vgl. LN 4/2011, S. 21 ff), heuer für seine Teilnahme in Solidarität mit den vom Putin-Regime und der russisch-orthodoxen Kirche verfolgten Pussy-Riot-Aktivistinnen ein entsprechendes Outfit vorbereitet hatte. Deutlicher hätte man den Machtanwandlungen der russisch-orthodoxen Kirche in Island und weltweit nicht entgegentreten können.