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Homosexualität ist längst anerkannter Asylgrund in Österreich

Veröffentlicht am 30. Juli 2010
Österreich war 1991 Pionier bei der Anerkennung von Verfolgung aufgrund der sexuellen Orientierung als Asylgrund. 2010 geisterte plötzlich eine diesbezügliche Forderung durch die innenpolitische Landschaft, die ihren Ausgang offenbar bei den Grünen nahm. Noch dazu war 2006 eine EU-Asylrichtlinie mit entsprechender EU-weiter Regelung in Kraft getreten. Ich betonte dies in einem Beitrag in den LN 3/2010.

Die HOSI Wien unterstützte gemeinsam mit mehr als 25 anderen NGOs die von „Asyl in Not“ initiierte Kundgebung aus Anlass des Weltflüchtlingstags und rief zur Teilnahme an der Demo am 18. Juni 2010 auf. „Es müsse sichergestellt werden, dass auch die Menschenrechte von Personen respektiert werden, die wegen Verfolgung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung um Asyl in Österreich ansuchen“, erklärte dazu HOSI-Wien-Obmann CHRISTIAN HÖGL in einer Aussendung am 15. Juni 2010.

Diese Gelegenheit nutzten wir dazu, Falschinformationen richtigzustellen, die in den Wochen davor in Sachen Gewährung von Asyl an verfolgte Homosexuelle verbreitet worden waren. Die in diesem Zusammenhang speziell von den Grünen, aber dann auch von der Wiener Stadträtin Sandra Frauenberger aufgestellte Forderung, Österreich möge Homosexualität endlich als Asylgrund anerkennen, ist ja längst obsolet und geht ins Leere. Denn Österreich ist auf diesem Gebiet sogar international Vorreiter gewesen und hat bereits in den Erläuterungen zum Asylgesetz 1991 – als eines der ersten Länder der Welt – Homosexuelle explizit als Angehörige einer bestimmten sozialen Gruppe (einer der fünf Asylgründe laut Genfer Flüchtlingskonvention) anerkannt [vgl. LN 1/1992, S 14 f]. Dadurch kann im Fall von Verfolgung aufgrund der sexuellen Orientierung Asyl gewährt werden. Die HOSI Wien hat bekanntlich selbst fünf Fälle erfolgreich betreut, wobei der erste Fall sogar ins Jahr 1984 zurückreicht. Mit der EU-Asylrichtlinie 2004/83, die im Oktober 2006 Gültigkeit erlangt hat, ist dies übrigens dann auch für die anderen EU-Mitgliedsstaaten (außer Dänemark) zum rechtlich verbindlichen Standard geworden.

Unsere Feststellung in dieser Aussendung, dass die Staaten natürlich nicht verpflichtet seien, allen, die behaupten, homosexuell zu sein, oder jenen, die tatsächlich homosexuell sind und behaupten, deswegen verfolgt zu werden, automatisch und ohne Einzelfallprüfung Asyl zu gewähren, löste dann eine kleine Polemik aus, weil manche Leute diese Aussage offenbar missverstanden haben. Dabei ist sie ziemlich banal, denn eine solche Prüfung erfolgt ja auch bei AsylwerberInnen aus anderen Gründen.

Für die Asylverfahren wäre es daher wichtig, dass alle seitens der Behörden Beteiligten – inklusive die DolmetscherInnen – entsprechend Sensibilität und Einfühlungsvermögen gegenüber der speziellen Situation entwickelten, in der sich Menschen befinden, die wegen ihrer sexuellen Orientierung aus ihrer Heimat geflüchtet sind. Unser Appell an die Asylbehörden ist daher: mehr diesbezügliches spezifisches Training und Kenntnisse erwerben über die tatsächliche Lage von Homosexuellen in den einzelnen Herkunftsländern, damit die Einzelfallprüfungen dann tatsächlich auch fair und unvoreingenommen erfolgen. Denn gerade daran hapert es mitunter.

Jedenfalls ist es mehr als kontraproduktiv, den Unsinn zu verbreiten, es müssten erst die rechtlichen Grundlagen dafür geschaffen werden, dass wegen ihrer sexuellen Orientierung Verfolgte in Österreich Asyl erhalten können. Denn womöglich lassen sich potentielle AsylwerberInnen nun davon abhalten, aus diesem Grund um Asyl anzusuchen. Deshalb ist es wichtig, das richtigzustellen.

 

Nachträgliche Anmerkung:

2013 gab es zur Anwendung der erwähnten EU-Asylrichtlinie auch eine wichtige Entscheidung, über die ich in den LN 5/2013, S. 6 f, berichtete.