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30 Jahre HOSI Wien – Wie alles begann

Veröffentlicht am 13. März 2009
2009 feierte die HOSI Wien ihren 30. Geburtstag. In den LN 2/2009 berichtete ich über die Gründungsgeschichte und Anfänge des Vereins. Es war der Auftakt zu einer fünfteiligen Serie zu spezifischen Themen und Aspekten der HOSI-Wien-Arbeit.

Titelseite des „Falters“, in dem im März 1979...

...diese Kleinanzeige erschien. Sie führte schließlich zur Gründung der HOSI Wien.

Frühes Aktivistentreffen (1979) im „Treibhaus“ im 5. Bezirk (v. l. n. r.): HORST KREUZAHLER (1954–2021), FLORIAN SOMMER, WOLFGANG FÖRSTER, REINHARDT BRANDSTÄTTER (1952–1992), ARTHUR PRIKRYL (1954–1995), WOLFGANG MARTINEK alias Wolf Martin (1948–2012) und DIETER SCHMUTZER

Die Homosexuelle Initiative (HOSI) Wien, Österreichs erster Lesben- und Schwulenverband, feiert dieses Jahr 30. Geburtstag. Dieses runde Jubiläum werden wir natürlich zum Anlass nehmen, über die erfolgreiche Tätigkeit der letzten drei Jahrzehnte, die vielen Projekte und das bisher Erreichte Rückschau zu halten. Begonnen hat alles mit einem unscheinbaren Inserat in der Wiener Programmzeitschrift Falter im März 1979: WOLFGANG FÖRSTER, später erster Obmann der HOSI Wien, schaltete unter dem Pseudonym „Martin“ eine Kleinanzeige mit dem lapidaren Text: „Möchte Schwulengruppe in Wien gründen bzw. an einer mitarbeiten.“

Was so unspektakulär begann, sollte sich zu einer einmaligen und unglaublichen Erfolgsgeschichte entwickeln. Auf Wolfgangs Annonce meldeten sich etliche Personen, und so kam es ab Ende März zu den ersten Treffen, vorerst in Privatwohnungen, jedoch wurden diese wegen des großen Andrangs bald – ab Mai 1979 – ins Alternativlokal „Treibhaus“, das spätere „Rotstilzchen“, im 5. Wiener Gemeindebezirk verlegt.

Es war sicherlich einer dieser seltenen historischen Zufälle, dass eine Gruppe von Menschen mit ähnlichen Vorstellungen und Ideen und die auch gut miteinander (arbeiten) konnten, zur gleichen Zeit am selben Ort zusammenfanden, um ein Projekt aus der Taufe zu heben und so nachhaltig zu implementieren, dass es auch nach so langer Zeit noch fortbesteht. Denn das ist keineswegs selbstverständlich. Nicht nur die informellen schwulen Vorgängergruppen, die Mitte der 1970er Jahre in Wien existiert hatten, wie die „CO“ (Coming-out) oder ihre Nachfolgerin, die AKI (Arbeitsgruppen kultureller Initiative), zerfielen wieder – auch viele unabhängige Initiativen bzw. Nichtregierungsorganisationen (NGOs) aus anderen Bereichen, die damals entstanden sind, haben ihre Aktivitäten mittlerweile längst wieder eingestellt.

Bereits bei den allerersten Treffen wurde die Vereinsgründung diskutiert und ein Name gesucht, was ein relativ langwieriger Prozess war. Schließlich wurden Statuten ausgearbeitet und bei der Vereinspolizei eingereicht. Im Dezember 1979 kam der offizielle Nichtuntersagungsbescheid, und am 29. Jänner 1980 fand dann die konstituierende Generalversammlung statt. Bald darauf wurden eigene Räumlichkeiten gesucht und ab 1. Juli 1980 in der Novaragasse 40 angemietet. In Eigenregie und monatelanger Arbeit entstand aus einer ehemaligen Werkstatt und totalen Bruchbude das Vereinslokal. Bis heute ist das HOSI-Zentrum ein in ehrenamtlicher Selbstverwaltung geführtes Kommunikations- und Veranstaltungszentrum geblieben, das durchschnittlich vier- bis fünfmal pro Woche abends geöffnet hat. Auch das macht der HOSI Wien keiner so schnell nach: Ein Vereinslokal, das ohne Basisfinanzierung und bezahlte MitarbeiterInnen 30 Jahre lang den regelmäßigen Betrieb aufrechterhält, ist nicht nur in der – internationalen – Lesben- und Schwulenbewegung, sondern auch in der inländischen NGO-Szene eher eine Seltenheit.

Auch viele andere Tätigkeitsbereiche der HOSI Wien kristallisierten sich bald heraus. Mit dem politischen Lobbying etwa wurde sofort begonnen, galt es doch gleich einmal im Justiz- und Innenministerium abzuklären, ob eine Vereinsgründung überhaupt geduldet würde, bestand damals ja formal noch ein Vereinsverbot, das erst 1996 aufgehoben werden sollte. Auch die Öffentlichkeits- und Medienarbeit sowie ein eigenes Sprachrohr wurden bald in Angriff genommen. Im Juli 1979 erschien die erste Ausgabe der Warmen Blätter, der Vorgängerin der LAMBDA-Nachrichten, wie sie mit der dritten Ausgabe im Dezember 1979 umgetauft wurden.

Die Bereiche, in denen die HOSI Wien tätig ist, sind über die Jahre immer vielfältiger und umfassender geworden, und man kann wohl ohne Übertreibung sagen, dass die HOSI Wien nicht nur die erste und älteste, sondern auch die wichtigste Lesben- und Schwulenorganisation in Österreich ist. Eine ausführliche Übersicht über unsere vielfältige Arbeit und die größten Erfolge findet sich auf unserem Website www.hosiwien.at unter dem Menüpunkt „Unsere Ziele/Erfolge“.

Neben den erwähnten Bereichen wie dem Betreiben des HOSI-Zentrums, der Herausgabe einer eigenen Zeitschrift, die mittlerweile im 31. Jahrgang erscheint und damit die älteste Lesben- und Schwulenzeitschrift im deutschsprachigen Raum ist, der umfangreichen und konsequenten Öffentlichkeitsarbeit, zu der seit einigen Jahren die Durchführung der Regenbogenparade hinzugekommen ist, oder dem politischen Lobbying für Gesetzesreformen hat sich die HOSI Wien seit ihren Anfängen auch international immer stark engagiert. Auf internationaler Ebene spielt die HOSI Wien ebenfalls in der obersten Liga; keine andere Organisation war etwa öfter Gastgeberin für Tagungen der International Lesbian and Gay Assocation (ILGA) als die HOSI Wien, die auch als einzige drei Weltkonferenzen für die ILGA ausgerichtet hat.

All die Jahre hat es die HOSI Wien auch auf herausragende Weise verstanden, Geselligkeit mit Kultur und Bildung zu vereinen und damit auch Öffentlichkeitsarbeit im weitesten Sinne zu betreiben. Beste Beispiele hiefür sind ihre eigene, seit 1982 bestehende Theatertruppe The HOSIsters, die Veranstaltung von Ausstellungen und früher von mehrwöchigen Filmfestivals oder seit einigen Jahren des Regenbogenballs.

Eine der großen Stärken der HOSI Wien ist die Vernetzung mit anderen Organisationen der Alternativbewegung. Auch dies geht bis zu den Anfängen der HOSI Wien zurück. Den politisch bewussten Gründungsvätern – und den etwas später dazugestoßenen Gründungsmüttern – war immer klar, dass der Kampf um die Emanzipation und die Gleichberechtigung von Lesben und Schwulen nicht isoliert vom Kampf anderer unterdrückter Minderheiten vonstattengehen kann. Und so versteht sich die HOSI Wien „als Teil der Zivilgesellschaft, die für eine gerechtere Welt und gegen Ausbeutung, Armut, Unterdrückung und Gewalt kämpft. Sie ist daher sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene solidarisch mit allen Gruppen und Initiativen, die sich gegen Sexismus, Heterosexismus, Transphobie, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und verwandte Ausgrenzungsphänomene wenden und diese bekämpfen“, wie es im Leitbild der HOSI Wien formuliert ist.

In diesem Sinn wird die HOSI Wien sicherlich auch in den nächsten Jahrzehnten über den lesbisch-schwulen Tellerrand hinausschauen und mit anderen Gruppen und Bewegungen für eine bessere Welt kämpfen – denn eine solche ist möglich!