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ÖBB: Doch keine Zugpatronanz

Veröffentlicht am 7. Januar 2005
Zum ihrem 25. Geburtstag wollte die HOSI Wien eine Zugpatronanz bei den ÖBB erwerben. Der Vertrag war schon mit der zuständigen Agentur unter Dach und Fach gebracht, doch das ÖBB-Management ließ den Auftrag stornieren. Diese Weigerung verursachte einen kleineren Medienhype und parlamentarische Anfragen an den „legendären“ Verkehrsminister Hubert Gorbach (FPÖ/BZÖ). Ich berichtete über die Angelegenheit in den LN 1/2005.

Im Interview für das Wiener Puls TV und Pro7Austria kommentierte ich die Entscheidung der ÖBB.

15 Jahre später, 2019, hatten die ÖBB dann keinerlei Berührungsängste und brandeten auch ihre Railjets in den EuroPride-Farben. Ja: Auch wer zu früh kommt, den bestraft das Leben!

In den letzten LN (S. 10) wurde freudig angekündigt, dass die HOSI Wien für das Fahrplanjahr 2004/05 die Namenspatronanz über zwei ÖBB-Eilzüge erworben hatte. Sie sollten ein Jahr lang den Namen „Homosexuelle Initiative“ tragen. Kurz danach wurde der Auftrag seitens der ÖBB storniert, was die HOSI Wien am 9. November in einer Presseaussendung kritisierte: „Obwohl bereits bei der Agentur fix gebucht und angezahlt, wurde der Auftrag von dieser storniert, nachdem das zuständige ÖBB-Gremium den Zugnamen abgelehnt hatte“, berichtete Obmann CHRISTIAN HÖGL.

„Und dabei betonen die Österreichischen Bundesbahnen stets, ein modernes Unternehmen sein zu wollen“, ergänzte Obfrau BETTINA NEMETH. Und in Anspielung auf die Ablehnung Rocco Buttigliones als EU-Kommissar durch das Europa-Parlament (vgl. S. 26 f): „Mit ihrer Haltung stehen die ÖBB-Manager jedoch hoffnungslos am Abstellgleis. Die scheinen die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt zu haben: Mit ihren Ansichten und Positionen können sie vielleicht noch im mittleren ÖBB-Management überleben, aber zum EU-Kommissar brächten sie es damit nicht!“

Das Medienecho war jedenfalls enorm. Drei TV-Sender – ORF (ZiB 2), Pro 7 und Puls TV – sowie ORF- und Privatradios berichteten ebenso über die diskriminierende Haltung der ÖBB wie fast alle Printmedien in ihren Onlineausgaben. Dem KURIER war die Angelegenheit am 11. 11. sogar eine Glosse auf der Titelseite der Printausgabe wert. In den Medien rechtfertigten ÖBB-Sprecher die Ablehnung des Zugnamens mit angeblichen Richtlinien für die Zugpatronanz, denen zufolge „keine (Partei-)Politik, keine Religion und auch ‚no sex‘“ erlaubt wären.

Die HOSI Wien hat Anfang Jänner den Fall an die neue EU-Kommission herantragen, zeigt er doch anschaulich, dass die bisherigen EU-Antidiskriminierungsrichtlinien im Bereich des Zugangs zu Waren und Dienstleistungen nicht ausreichen, weil in diesem Bereich eine Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung nicht verboten ist. Wir haben daher keine rechtliche Handhabe gegen das Vorgehen der ÖBB.

 

ÖBB hüllt sich in Schweigen

Die HOSI Wien hat auch dem neuen ÖBB-Vorstandssprecher Martin Huber sowie Verkehrsminister Hubert Gorbach geschrieben und sie aufgefordert, ein Machtwort zu sprechen und die Zugpatronanz zumindest für das nächste Fahrplanjahr zu ermöglichen. Während die ÖBB bis Redaktionsschluss noch nicht geantwortet haben, verwies Hubert Gorbach in seinem Antwortbrief vom 29. 11. auf die angeblichen Kriterien der ÖBB, die „versuchen, eine Auswahl nach objektiven Gesichtspunkten zu ermöglichen“. Welche Kriterien dies genau wären, war auch Gorbachs Schreiben nicht zu entnehmen.

Ob es diese Richtlinien wirklich gibt – zumindest erscheint deren Interpretation nicht besonders transparent –, bezweifelten indes auch die Grünen, die am 16. November eine parlamentarische Anfrage (2320/J) an Gorbach richteten und u. a. wissen wollten: Wieso, wenn doch die Richtlinien der ÖBB keine Politik und keine Parteipolitik vorsehen, wurde dann etwa dem Sozialministerium die Patronanz für den IC 535 von Wien nach Villach unter dem Namen „Familienland Österreich“ gewährt? Die Grünen verwiesen dabei süffisant auf Sozialminister Herbert Haupts Beantwortung (1275 AB vom 19. 2. 2004) der Anfrage der SPÖ-Abgeordneten Christine Muttonen vom 23. 12. 2003 (1283/J). Haupt hatte darin ausgeführt:

Einleitend möchte ich festhalten, dass es sich bei den „Zugpatronanzen“ um eine  weitere Maßnahme zur Information betroffener Bürgerinnen und Bürger handelt. Intercity-Züge stellten und stellen hierfür eine geeignete Informationsplattform dar, da die Fahrgäste doch eine längere Zeit im Zugabteil zubringen und diese daher ideal  dazu nutzen können, sich zu bestimmten Sachthemen zu informieren (die Benennung der Züge geht bekanntlich einher mit Informationstexten in den in den Abteilen aufgelegten Zugbegleitern).

Informiert habe man die Fahrgäste, so Haupt, u. a. über das neu geschaffene Kindergeld und andere Familienleistungen seines Ressorts. Weiters bestätigte der Sozialminister, dass Zugpatronanzen für die Züge „Unser soziales Österreich“ (IC 793), „Familienland Österreich“ (IC 535) und „Bundessozialamt“ (IC 532 bzw. IC 691) erworben wurden. Für parteipolitische Regierungspropaganda darf man die Patronanz über ÖBB-Züge offenbar also doch nutzen. Wir sind schon auf Gorbachs diesbezügliche Anfragebeantwortung gespannt!

 

Nachträgliche Anmerkung:

Im Jänner 2005 bekam die HOSI Wien dann doch noch eine offizielle Antwort von den ÖBB. Und im Februar kam es noch zu einem Gespräch mit einem Verantwortlichen der ÖBB und der HOSI Wien (vgl. LN 2/2005, S. 19).