Parlamentarisches Gender-Geschwurbel
Viel Desinformation gab es vergangene Woche rund um einige Änderungen des Bundesgleichbehandlungsgesetzes (B-GlBG), die der Nationalrat am letzten Sitzungstag dieser Legislaturperiode beschloss. Im Rahmen einer umfassenderen „Dienstrechts-Novelle 2024“ stimmte die ÖVP diesen Änderungen „irrtümlich“ zu, was für verdiente Häme und große Aufregung sorgte. Dass sich die ÖVP vom grünen Koalitionspartner derart vorführen ließ, ist in der Tat ein äußerst peinliches Armutszeugnis und zeugt von totaler Inkompetenz.
Konkret geht es um Folgendes: Besagte Novelle sieht eine Neudefinition des Begriffs „Geschlecht“ vor (§ 2 Abs. 6): Geschlecht im Sinne dieses Bundesgesetzes umfasst Geschlechtsmerkmale, Geschlechtsidentität, Geschlechtsausdruck und Geschlechterrolle.
Im § 3, der bisher lautete:
Ziel dieses Hauptstückes ist die Gleichstellung von Frauen und Männern und die Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben von Eltern, Adoptiv- und Pflegeeltern sowie pflegenden Angehörigen,
wird die Wortfolge „von Frauen und Männern“ durch die Wortfolge „aufgrund des Geschlechts“ ersetzt; ebenso in der entsprechenden Überschrift (I. Teil, 1. Hauptstück).
Self-ID durch die Hintertür
Besonders „aufschlussreich“ sind vor allem die Erläuterungen zu dieser Gesetzesvorlage: ein wirres Gendergeschwurbel der Sonderklasse, das wohl dazu dienen soll, durch Desinformation bewusst Verwirrung zu stiften und Kritiker zu entmutigen – getreu dem Motto: „Flood the zone with shit“. Das hat natürlich Methode! Denn angesichts dieses geballten Unsinns steht man doch einigermaßen hilflos, ja gelähmt da, weil man gar nicht weiß, wo man beim argumentativen Zerlegen dieses unsäglichen Pamphlets anfangen soll. Ich werde mich dennoch nicht abschrecken lassen.
Eines gleich vorweg (Spoiler): Es wird schnell klar, wohin der Hase laufen soll. Grünabgeordnete Faika El-Nagashi, die die relevante Abstimmung im Nationalrat boykottiert hat, resümiert treffend, dies sei der Versuch, „Self-ID“ durch die Hintertür einzuführen – also die Möglichkeit, das eigene subjektiv „gefühlte“ Geschlecht durch Selbsterklärung festzulegen, ohne auf objektive biologische Fakten Rücksicht nehmen zu müssen – ähnlich wie beim Selbstbestimmungsgesetz in Deutschland (vgl. meinen Blog-Beitrag vom 6. Februar 2023).
Die Begriffsbestimmungen betreffend Geschlecht, Geschlechtsmerkmale, Geschlechtsidentität, Geschlechtsausdruck und Geschlechterrolle sind jedenfalls alles andere als stringent. Da es keine einheitlichen und allgemein gültigen oder gar rechtlich anerkannten Definitionen dieser Begriffe gibt, kann sich jeder und jede eigene Definitionen zusammenbasteln. Doch seriös ist das natürlich nicht. Es handelt sich dabei um völlig „untaugliche Gesetzesbegriffe, die keine kategoriale Fassung ermöglichen“, wie Faika in der Kronen-Zeitung vom 20. September 2024 zitiert wird.
Spießige Argumente
Gehen wir diese Definitionen, wie sie in den Erläuterungen vorkommen, durch:
Der Begriff „Geschlecht“ ist im vorliegenden Gesetz umfassend zu verstehen und bezieht sich auf biologische wie soziale Dimensionen, heißt es da, wobei auf die Definitionen der Bioethikkommission in einer Stellungnahme zu „Intersexualität und Transidentität“ aus 2017 verwiesen wird.
Zusätzliche Verwirrung entsteht durch den Umstand, dass dem Begriff „Geschlecht“ diverse Adjektive beigefügt und diese neuen Begriffe dann mit einem der anderen Begriffe gleichgesetzt werden. So fällt das neuerfundene „psychische Geschlecht“ unter Geschlechtsidentität, wenn es heißt: Die innerlich gefühlte Geschlechtsidentität eines Menschen (auch „psychisches Geschlecht“) muss nicht seinem biologischen Geschlecht entsprechen und wird auf der Basis seines eigenen psychischen Empfindens festgelegt. Damit steht auch der Geschlechtsausdruck als individuelle Manifestation der persönlichen Geschlechtsidentität sowie der Wahrnehmung dieser durch Dritte in Zusammenhang.
Diese Passage muss man sich überhaupt auf der Zunge zergehen lassen: Eine behauptete subjektive innerliche Gefühlsregung eines Menschen, die auf Basis seines psychischen Empfindens festgelegt wird, die aber keinerlei objektiven oder faktischen Überprüfung unterliegt und deren (rechtliche) Relevanz nicht wirklich darstellbar ist, wird zu einer „Kategorie“ für gesetzlichen Diskriminierungsschutz! Was kommt als nächstes? Zwei offizielle Identitäten für schizophrene Personen?
Der Begriff „Geschlechtsausdruck“ wird übrigens gar nicht näher definiert und kommt auch in den Erläuterungen nicht mehr vor.
Das biologische Geschlecht hingegen wird zu einem bloßen „Geschlechtsmerkmal“ umgedeutet und degradiert, wenn es heißt: Der Begriff „Geschlechtsmerkmale“ betrifft die biologische Dimension von Geschlecht und umfasst Aspekte des chromosomalen, gonadalen, anatomischen und hormonellen Geschlechts.
Noch problematischer sind die Ausführungen zu „Geschlechterrollen“, wenn es heißt:
Der Begriff Geschlechterrolle ist ein Aspekt des sozialen Geschlechts. Dieses bezeichnet gesellschaftliche Rollenvorstellungen, -zuschreibungen und -erwartungen bezüglich Mann- und Frausein, inklusive der Frage, wie weit hier nur eindeutig weibliche oder männliche Rollen zugelassen werden. Im Kontext von Intersexualität und Transidentität geht es darüber hinaus um die Frage, welche soziale Geschlechterrolle (Kleidung, Habitus, soziale Rolle u. a.) jemand unabhängig vom biologischen Geschlecht lebt.
Mit anderen Worten: Bei Frauen und Männern spielt die soziale Geschlechterrolle, die sie eventuell unabhängig vom biologischen Geschlecht leben, keine Rolle? Wie spießig und reaktionär ist denn das? Noch nie etwas von Emanzipation gehört?
Schnapsidee
Generell habe ich ja Schwierigkeiten, mir vorzustellen, welche Rechtsfragen bzw. Gesetze eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtsausdrucks und der Geschlechterrolle in der Praxis betreffen könnte – speziell auch außerhalb des Gleichbehandlungsrechts. Meiner mangelnden Phantasie half Sandra Konstatzky, die Leiterin der Gleichbehandlungsanwaltschaft, auf die Sprünge, die im Standard vom 20. 9. 2024 wie folgt zitiert wird:
Geschlechterrollen im Gesetz festzuhalten bringt auch Männern und Frauen etwas. Das zeigt sich auch beim Schutz der Vereinbarkeit von Job und Familie. Hier benachteiligen diskriminierende Geschlechterrollen sowohl Männer, die sich an der Betreuung von Kindern und der Pflege von Angehörigen beteiligen wollen, als auch Frauen.
Abgesehen davon, dass mir nicht wirklich klar ist, wie und wo konkret in dem Beispiel sich eine Benachteiligung oder Diskriminierung manifestieren könnte, ist wohl nur die Diskriminierung aufgrund nicht-traditioneller Geschlechterrollen gemeint. Das Gesetz kann jedoch nicht nur einseitig auf nicht-traditionelle Geschlechterrollen abstellen – abgesehen davon, dass man damit traditionelle Geschlechterrollen als Norm einbetonieren würde –, sondern müsste dann klarerweise auch traditionelle Geschlechterrollen vor Diskriminierung schützen, also auch den Macho, der auf seiner traditionellen Männerrolle besteht und sich weigert, sich an der Hausarbeit und Kindererziehung zu beteiligen. Hier kann ich mir schon eher Gesetzesmaterien vorstellen, wo dies relevant sein könnte, etwa in einem Scheidungsverfahren.
„Geschlechterrolle“ als gesetzliche Schutzkategorie vorzusehen ist also eine komplette Schnapsidee. Mir ist es unverständlich, wie ausgerechnet die Leiterin der Gleichbehandlungsanwaltschaft einen solchen Vorschlag gutheißen kann – das erscheint mir doch höchst unprofessionell und inkompetent.
Desinformation
Andere Aussagen Konstatzkys im Standard sind ebenfalls eher unseriös, etwa wenn sie beruhigend abwiegelt, die Novelle sei eine sprachliche Anpassung eines Gesetzes an die bereits geltende Rechtslage, es handle sich also nicht um „eine Ausweitung des Diskriminierungsschutzes“. (…) Diesem geltenden Recht folgt das österreichische Bundesgleichbehandlungsgesetz seit 25 Jahren – obwohl es bisher anders formuliert war.
Auch in den Erläuterungen wird die inhaltliche Folgen- und Sinnlosigkeit dieser Neufassung wortreich und fast wortident beschwört: Dieses Vorgehen stellt keine Ausweitung des Anwendungsbereiches oder des Diskriminierungsschutzes dar, sondern dient der Festschreibung und Verdeutlichung der aktuellen Rechtslage, wie sie sich aus der nationalen und internationalen Rechtsprechung ergibt.
Das trifft eben nicht zu, es ist eine glatte Lüge: Denn es gibt überhaupt keine nationale oder internationale Rechtsprechung betreffend Diskriminierungsschutz aufgrund des Geschlechtsausdrucks oder der Geschlechterrolle. Dass sich jemand wie Konstatzky zu solch fragwürdigen Aussagen hinreißen lässt, um die Öffentlichkeit hinters Licht zu führen, ist einigermaßen erstaunlich – um es vorsichtig auszudrücken.
Wenn die Änderungen tatsächlich ohnehin keinen – wenn auch nur herbeiphantasierten – rechtlichen Mehrwert brächten, müsste man sich ernsthaft fragen: Wozu dann der ganze Aufwand? Und warum hat man jenen Teil der LSBTI-Bewegung, der für diese Ausweitung jahrzehntelang gekämpft hat, nicht darauf aufmerksam gemacht, dass sie sich umsonst anstrengen und dies gar nicht nötig wäre, weil die angestrebte Ausweitung eh schon seit 25 Jahren bestehende Rechtslage ist? Das wäre echt gemein!
Aber natürlich gibt es hier eine versteckte Agenda. Dazu später. Vorerst noch einen Blick darauf, was es mit der ins Treffen geführten geltenden Rechtslage auf sich hat.
Zur Rechtslage
Es trifft in der Tat zu, dass in der Rechtssache P gegen S und Cornwall County Council (C-13/94) der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) 1996 (und nicht 1998, wie das der Standard wieder einmal falsch oder gar nicht recherchiert hat) festgestellt hat, dass die Entlassung einer transsexuellen Person nach ihrer Geschlechtsumwandlung EU-rechtswidrig ist. Seither wird eben – durchaus plausibel und allgemein anerkannt – argumentiert, dass in Sachen Gleichbehandlung von Männern und Frauen in der Arbeitswelt (EU-Richtlinie 76/207/EWG) Transsexualität durch die Kategorie „Geschlecht“ abgedeckt ist.
Mittlerweile hat auch der Europäische Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg durch einige Urteile die Rechte von Transsexuellen gestärkt.
Was die Rechtsprechung zur Intersexualität betrifft, verweisen die erwähnten Erläuterungen zur Novelle des B-GlBG auf das VfGH-Erkenntnis G 77/2018. Dabei handelt es sich um jene Entscheidung, durch die der Verfassungsgerichtshof bestimmt hat, dass für den Geschlechtseintrag im Personenstandsregister für intergeschlechtliche Personen ein eigener Eintrag (neben männlich und weiblich) ermöglicht werden muss.
In der Folge wurde durch Erlass des Innenministeriums die Möglichkeit für Intersexuelle geschaffen, ihre Geschlechtskategorie als „inter“, „divers“ oder „offen“ eintragen zu lassen oder überhaupt „keine Angabe“ zu machen. Um diese Möglichkeit in Anspruch nehmen zu können, muss allerdings ein medizinisches Fachgutachten vorgelegt werden, aus dem hervorgeht, dass das Geschlecht der Person aufgrund ihrer chromosomalen, anatomischen und/oder hormonellen Entwicklung weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugeordnet werden kann.
Enge Definition
Sieht man sich die nationale und internationale Rechtsprechung (und Rechtslage) genauer an, ist eindeutig klar, dass sich diese ausschließlich – und in sehr begrenzten Rechtsbereichen – auf Transidentität und Intersexualität beschränkt – auch in der Definition von Geschlechtsidentität.
Zu behaupten bzw. zu argumentieren, eine Entscheidung – ob vom EuGH, EGMR oder VfGH – in einer spezifischen Sache wäre automatisch auf sämtliche andere Gesetzesmaterien oder gar auf weitere Geschlechtsidentitäten auszuweiten, ist reine Manipulation und pure Propaganda.
Man kennt das ja von diversen höchstgerichtlichen Entscheidungen zur Homosexualität: Dass das Totalverbot der Homosexualität vom EGMR als Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) gewertet wurde, bedeutete seinerzeit auch nicht – wie wir bitter erfahren haben –, dass andere strafrechtliche Bestimmungen gegen Homosexualität „automatisch“ als menschenrechtswidrig eingestuft wurden. Und bis heute sieht der EGMR im Verbot der gleichgeschlechtlichen Ehe keine Konventionsverletzung und hat bereits mindestens vier diesbezügliche Beschwerden (aus Österreich, Griechenland, Italien und Frankreich) abgewiesen.
Die Trans-Bewegung muss ebenfalls immer wieder Rückschläge hinnehmen und bekommt nicht in allen Fragen „automatisch“ recht: So hat der EGMR im Vorjahr keine Verletzung des oft ins Treffen geführten Artikels 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) darin gesehen, dass ein Transmann in Deutschland, der als Frau ein Kind geboren hat, bei den Behörden mit seinem Wunsch scheiterte, trotzdem nicht als Mutter in die Geburtsurkunde des Kindes eingetragen zu werden.
Kein Automatismus
Und gerade der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis G 77/2018 zu diesen beiden Aspekten ausdrücklich sehr enge Pflöcke eingeschlagen. Etwa wenn er festhält:
Unbestritten darf der Gesetzgeber daher auf das Geschlecht grundsätzlich als für den Personenstand relevantes Datum abstellen. Er darf dies insbesondere auch dahingehend, dass die zur Geschlechtsangabe zur Verfügung stehenden Bezeichnungen und Kategorien einen realen Bezugspunkt im sozialen Leben haben müssen und nicht frei erfunden sein dürfen. (Randnummern 32 und 33)
Und weiter: Auch sind die Personenstandsbehörden nicht gehindert, die Adäquanz der von einer solchen Person beantragten Bezeichnung, das Gemeinte zum Ausdruck zu bringen, zu prüfen. Denn Art. 8 EMRK verlangt keine beliebige Wahl der begrifflichen Bezeichnung des eigenen Geschlechts. (Randnummer 39)
In Randnummer 35 schließt der VfGH sogar „automatische“ Auswirkungen seiner Entscheidung auf andere Bereiche der Rechtsordnung aus:
So ist nur darauf hinzuweisen, dass beispielsweise zahlreiche Regelungen, die derzeit (nur) auf die traditionellen Geschlechter männlich oder weiblich abstellen, von vorneherein das Recht von Personen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung gegenüber männlich oder weiblich auf Wahrung ihrer individuellen Geschlechtsidentität nicht berühren (wie das im Allgemeinen bei Regelungen im Sinne des Art. 7 Abs. 2 B-VG der Fall sein dürfte). (Hervorhebung von mir)
Das heißt also mit anderen Worten, dass der VfGH sogar ausdrücklich betont hat, dass seine Entscheidung zur Personenstandsregelung nicht auf andere gesetzliche Regelungen anzuwenden ist und führt sogar als Beispiel Gleichbehandlungsregelungen an, denn diese sind mit Art. 7 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz gemeint:
(1) Alle Staatsbürger sind vor dem Gesetz gleich. Vorrechte der Geburt, des Geschlechtes, des Standes, der Klasse und des Bekenntnisses sind ausgeschlossen. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. (…)
(2) Bund, Länder und Gemeinden bekennen sich zur tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau. Maßnahmen zur Förderung der faktischen Gleichstellung von Frauen und Männern insbesondere durch Beseitigung tatsächlich bestehender Ungleichheiten sind zulässig.
Täuschungsmanöver
Es ist also kompletter Unsinn – oder bewusste Irreführung –, wenn unsere genialen Abgeordneten in den Erläuterungen zur besagten Gesetzesnovelle behaupten: Der Verfassungsgerichtshof hat bereits festgehalten, dass der Begriff des Geschlechts (…) so allgemein ist, dass er sich ohne Schwierigkeiten dahingehend verstehen lässt, dass er auch alternative Geschlechtsidentitäten miteinschließt (…). Diese Interpretation ist auch auf das B-GlBG anwendbar.
Genau das Gegenteil ist offensichtlich der Fall – diese Interpretation ist ausdrücklich nicht auf das B-GlBG anwendbar! Da hilft es auch nichts, im § 3 B-GlBG die Wortfolge „von Frauen und Männern“ durch die Wortfolge „aufgrund des Geschlechts“ zu ersetzen. Denn in der Verfassung ist nach wie vor nur die „Gleichstellung von Frauen und Männern“ festgeschrieben.
Es mag noch nachvollziehbar sein, wenn übermotivierte Aktivisten, unbedarfte Abgeordnete und unterbelichtete Journalistinnen derart manipulative Propaganda in die Welt setzen bzw. verbreiten, aber dass die Leiterin der Gleichbehandlungsanwaltschaft bei diesem unredlichen Täuschungsmanöver mitmacht, ist höchst bedenklich.
Seit Jahren muss dieses VfGH-Erkenntnis für alle möglichen und unmöglichen Forderungen und Rechtfertigungen (z. B. fürs non-binäre Gendern durch die Stadt Wien oder in großen Firmen) herhalten. Dabei gibt das Erkenntnis dies überhaupt nicht her!
Wenn jetzt versucht wird, damit weitere Geschlechtsidentitäten, wie „non-binär“ etc. oder sonstige Absurditäten wie Self-ID durchzusetzen, ist es höchste Zeit, diese absichtlichen Über- und Fehlinterpretationen zu entlarven. Daher sei hier abschließend nochmals zusammenfassend festgehalten:
– Das VfGH-Erkenntnis beschränkt sich ausschließlich auf den Personenstandseintrag und hat keinerlei direkte Auswirkungen auf andere Rechtsbereiche.
– Der VfGH spricht in diesem Zusammenhang (Intersexualität) durchgängig „von Personen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung gegenüber männlich oder weiblich“ und beschränkt seine Definition von Geschlechtsidentität ausdrücklich auf Transidentität und Intersexualität.
– Der VfGH hat durch sein Erkenntnis daher kein „drittes Geschlecht“ über Nacht erschaffen, wie das ebenfalls häufig kolportiert wird. Der VfGH kann zwar Pfuschgesetze des Nationalrats aufheben, aber Naturgesetze kann auch er nicht außer Kraft setzen.
Versteckte Agenda
Möglicherweise ist die Agenda gar nicht so versteckt, ich will auch keine Verschwörungstheorie in die Welt setzen. Dennoch ist Skepsis angebracht. Selbst wenn man unterstellt, dass es bei diesen Bemühungen „nur“ darum geht, transidente, intersexuelle und „non-binäre“ Menschen vor Diskriminierung zu schützen und die Self-ID durchzusetzen (ohnehin explizite, aber höchst umstrittene Forderungen), würde dies zu problematischen Kollateralschäden führen – insbesondere wenn die Umsetzung dadurch erfolgt, dass entweder die Definition von Geschlecht um die Begriffe Geschlechtsmerkmale, Geschlechtsidentität, Geschlechtsausdruck und Geschlechterrolle ausgeweitet wird oder diese Kategorien in den entsprechenden Gesetzestexten explizit aufgelistet werden, ohne sie ganz konkret zu definieren.
In der gegenständlichen Novelle des B-GlBG hat man diese Strategie gefahren. Solange aber z. B. ein Begriff wie „Geschlechtsidentität“ gar nicht näher bzw. abschließend definiert wird, was in dem Fall eben nicht passiert ist, und er damit offen bleibt, könnten dann alle möglichen Phänomene unter Geschlechtsidentität (oder eben unter Geschlecht) fallen. Man denke bloß an die rund 70 vermeintlichen Geschlechter bzw. Geschlechtsidentitäten, die sich manche Leute ausgedacht haben. Das Internet ist hier sehr geduldig. Geschlechtsidentität wird da übrigens mit „Gender“ gleichgesetzt. Es fehlt noch „pädophil“, kommt aber sicher auch noch. Man könnte also argumentieren, all diese rund 70 Geschlechtsidentitäten – und potentiell auch Pädophilie – sind in Hinkunft durch das B-GlBG geschützt.
Jedenfalls fällt es mir schwer, keine versteckten Absichten bei dieser Gesetzesnovelle zu vermuten oder nur von bloßer Inkompetenz auszugehen, wenn in den Erläuterungen Begriffe bis zur totalen Verwirrung vermischt und vermanscht werden und auf jegliche Begriffsbestimmung und Abgrenzung der Begriffe verzichtet wird.
Internalisierter Frauen(selbst)hass
Die negativen Auswirkungen auf Frauenrechte werden ebenfalls stets geleugnet oder verharmlost – auch jetzt wieder vehement im Zusammenhang mit der Gesetzesnovelle. Zahlreiche aktuelle Artikel und Beiträge belegen jedoch das Gegenteil (siehe die Links weiter unten).
Mir ist es ein vollkommenes Rätsel, warum sich ausgerechnet Frauen dermaßen ins Zeug legen, um ein paar „non-binären“ Männern, die behaupten, sich als Frauen zu fühlen, den roten Teppich auszurollen – und dabei Frauenrechte mit Füßen treten. Ist es verinnerlichte Misogynie? Man kennt ein ähnliches Phänomen ja bei Lesben und Schwulen: die internalisierte Homophobie. Diese masochistische Unterwürfigkeit ist jedenfalls kaum auszuhalten. Ich muss da wieder auf die Gleichbehandlungsanwaltschaft zurückkommen: Sie scheint ja ganz in Frauenhand zu sein. Und trotzdem dieser unermüdliche Einsatz für eine Agenda, die von der Männerrechtsbewegung stammen könnte. Verrückt!
EMMA vom 4. Juni 2024
Neue Zürcher Zeitung vom 3. September 2024
Queer Nations vom 16. September 2024
Weitere Beiträge und Artikel auf der Homepage der Europäischen Gesellschaft für Geschlechtergerechtigkeit Österreich (EGGö).
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