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Die Klagen des Walter Tancsits

Wie ich an anderer Stelle berichte, hat die HOSI Wien im ersten Halbjahr 2005 beschlossen, ihr Lobbying für die Anerkennung der homosexuellen NS-Opfer zu intensivieren – 60 Jahre nach Ende der Nazi-Diktatur und des Zweiten Weltkriegs stand zu befürchten, dass dieses Gedenkjahr die letzte Chance dafür war. Am 2. März 2005 debattierte der Nationalrat einen Fristsetzungsantrag der Grünen zu ihrem Antrag auf entsprechende Novellierung des Opferfürsorgegesetzes (OFG), der seit März 2003 im Sozialausschuss auf Eis lag.

Der ÖVP-Abgeordnete Walter Tancsits verteidigte bei dieser Gelegenheit erneut die ablehnende Haltung seiner Partei. Er war schlecht informiert, und seine Aussagen waren ziemlich ärgerlich, weshalb die HOSI Wien ihn und die ÖVP in einer Medienaussendung am 4. März 2005 scharf kritisierte: Die ÖVP bringt mit dieser Haltung zum Ausdruck, dass für sie Homosexuelle zu Recht im KZ eingesperrt und ermordet wurden. Sie vertritt damit eindeutig nationalsozialistisches Gedankengut. Es ist eine Schande für dieses Land, dass auch heute noch geistige Nachfahren der braunen Nazi-Schergen wie Tancsits im Parlament sitzen.

Tancsits klagte daraufhin die HOSI Wien, ihren Obmann CHRISTIAN HÖGL und mich sowohl zivilrechtlich (Unterlassung, Widerruf, Veröffentlichung des Widerrufs) als auch strafrechtlich (üble Nachrede und Beleidigung gemäß § 111 bzw. § 115 StGB). Das strafrechtliche Verfahren ging zweimal durch zwei Instanzen und endeten schließlich mit einem vollen Freispruch, das zivilrechtliche wurde aus finanziellen Erwägungen durch einen Vergleich aus der Welt geschafft.

In dieser Sektion habe ich meine fünf Berichte aus den LAMBDA-Nachrichten über die einzelnen wichtigen Etappen dieser Causa zusammengestellt:

 

Klagen & Freispruch

In den LN 3/2005 schildere ich den vorhin erwähnten Anlass und die Klagen im Detail und berichte über den Freispruch in erster Instanz, den das Landesgericht für Strafrechtssachen Wien am 28. April 2005 fällte. Tancsits ging in die Berufung.

 

Einstweilige Verfügung

Während wir im Strafverfahren am 28. April 2005 freigesprochen wurden, hatte das Handelsgericht zwei Tage zuvor im zivilrechtlichen Verfahren Tancsits‘ Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung (EV) teilweise stattgegeben. Von den oben erwähnten Passagen dürfen wir ab nun jene nicht mehr verbreiten, in denen Tancsits als „geistiger Nachfahre der braunen Nazi-Schergen“ bezeichnet wird. Nachzulesen in den LN 4/2005. Beide Parteien gingen in Berufung.

 

Verurteilung

Am 30. Jänner 2006 gab im das Oberlandesgericht Tancsits’ Berufung im Strafverfahren statt, hob das angefochtene Urteil, darunter den Freispruch auf und trug dem Erstgericht – nach Verfahrensergänzung – die neuerliche Entscheidung auf (vgl. LN 2/2006, S. 11).

In der folgenden Verhandlung am Landesgericht Wien wurde ich am 21. April 2006 zu einer auf drei Jahre bedingten Geldstrafe von € 240,– sowie die HOSI Wien zu einer Entschädigungszahlung an Tancsits in der Höhe von € 1.500,– verurteilt – alle Details dazu berichtete ich in den LN 3/2006. In meiner Que(e)rschuss-Kolumne beschäftigte ich mich mit Tancsits’ möglichen Motiven für seine Klagswut.

Natürlich gingen nun wir gegen dieses Urteil in Berufung.

Am 17. März 2006 wurde ich zu dieser Causa von Radio Orange 94.0 über den Stand der Dinge interviewt. Das Interview kann hier nachgehört werden.

 

 

Widerruf

Aus finanziellen Erwägungen beschloss die HOSI Wien, sich das zivilrechtliche Verfahren durch einen Vergleich vom Hals zu schaffen, und zwar anlässlich der Verhandlung am Handelsgericht Wien am 8. Mai 2006. Der bedeutete u. a. den Widerruf der inkriminierten Aussagen. Die Hintergründe erläuterte ich den LN 4/2006. In derselben Aussage widmete ich der Causa auch meine Que(e)rschuss-Kolumne, wobei ich auch die Kritik und Häme eines Teils der Bewegung zurückweise, was CHRISTIAN HÖGL bereits in der Ausgabe davor in seiner Kolumne Durch die rosa Brille („Schwule ÖVP-Schergen“) getan hatte.

 

Endgültiger Freispruch

Eigentlich dachten wir, die Sache bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg durchfechten zu müssen. Umso überraschter waren wir, als wir bei der Berufungsverhandlung am 9. Juli 2007 vom Oberlandesgericht Wien freigesprochen wurden, das ja im Jahr davor den Freispruch aufgehoben hatte. In den LN 5/2007 verfasse ich einen ausführlichen Beitrag darüber.